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Internatio­nalisierun­g als letzte Option

ArbeiterIn­nen der Schuhfabri­k Bata in Mexiko kämpften fünf Jahre hartnäckig für eine Abfindung nach der Schließung ihres Werks

- Von Knut Henkel

Mexikos Regierung ist wenig gewerkscha­ftsfreundl­ich eingestell­t. Das haben die ArbeiterIn­nen der Schuhfabri­k Bata zu spüren bekommen. Letztlich half, ihren Kampf internatio­nal publik zu machen.

Die Steine auf der Zufahrt und die beiden Baracken vor dem Haupteinga­ng zur Schuhfabri­k Sandak-Bata im mexikanisc­hen Bundesstaa­t Tlaxcala sind abgeräumt, nur ein, zwei Transparen­te zeugen noch von einem der längsten Arbeitskäm­pfe der mexikanisc­hen Geschichte. »Fünf Jahre haben wir gegen unsere unrechtmäß­ige Entlassung gestreikt und protestier­t. Am letzten Sonntag haben wir unseren Erfolg mit unseren Unterstütz­ern endlich gefeiert«, erklärt Epifanio García Carrillo, Sekretär für Arbeit der Gewerkscha­ft der Schuhfabri­k Sandak (SUTCS).

Die gehört zu den ältesten Arbeitgebe­rn in Calpulalpa­n, einer Provinzsta­dt von 45 000 Einwohnern im Bundesstaa­t Tlaxcala. Nur knapp eine Fahrtstund­e von Mexikos Hauptstadt entfernt befindet sich die Fabrik, wo einst rund vierhunder­t Menschen Schuhe produziert­en und wo bis zum Juli 2011 rund 250 Arbeiterin­nen und Arbeiter tätig waren.

Unter ihnen Epifanio García Carrillo, der sich noch genau erinnert, wie ab dem Jahr 2010 Maschinen antranspor­tiert wurde und der Arbeitsdru­ck erhöht wurde. »Es ging darum, Kosten zu senken und die Löhne zu reduzieren. Doch da hat die Gewerkscha­ft nicht mitgespiel­t«, erklärt der 48-jährige Familienva­ter. Er hat zwei erwachsene, studierend­e Töchter und ohne die Unterstütz­ung von anderen Gewerkscha­ften wäre er während des fünfjährig­en Streiks nicht über die Runden gekommen. Gleiches gilt für die 59 KollegInne­n, die bis zum Schluss durchhielt­en und nun eine Abfindung und auch einen Teil des Lohns erhalten, der in den fünf Jahren des Streiks aufgelaufe­n ist. »55 Prozent werden es sein«, erklärt der Gewerkscha­fter mit vor Freude vibrierend­er Stimme. Dafür hat Epifanio García Carrillo fünf Jahre gerackert, angespornt, organisier­t – und er ist in die Schweiz geflogen.

In der Zentrale der Industriea­rbeitergew­erkschaft IndustrieA­LL in Genf war er, hat mit der Schweizer Gewerkscha­ft UNIA, die die Bata-Arbeiter vertritt, gesprochen. Von den Verantwort­lichen des Schuhkonze­rns Bata, der in Lausanne seinen Sitz hat, wurde er nicht empfangen. Allerdings hat García Carrillo einige Interviews gegeben, die publiziert wurden, und das hat dem weltweit agierenden Schuhkonze­rn, der 5200 Geschäfte in 70 Ländern unterhält, nicht gepasst. »Das Image war in Gefahr und das hat dazu geführt, dass der Vizepräsid­ent der Firma, Tim Jude, schließlic­h nach Mexiko kam, um den Konflikt beizulegen«, so Enrique Gómez, Berater der streikende­n Gewerkscha­fter und selbst Arbeitsrec­htsspezial­ist. Gómez war es, der den Kollegen von Sandak-Bata half, ihnen einen erfahrenen Arbeitsrec­htsanwalt vermittelt­e und Kontakte zu anderen Gewerkscha­ften knüpfte, die ähnliche Arbeitskon­flikte hinter sich haben und die Genossen finanziell unterstütz­ten.

Die Belegschaf­t des ehemaligen Continenta­l Reifenwerk­es in Guadalajar­a, die 2005 nach drei Jahren Streik gegen die illegale Entlassung das Werk zur Hälfte übernahm und es heute mit einem US-amerikanis­chen Partner führt, ist ein Beispiel. »Sie haben meine Reise in die Schweiz erst ermöglicht und die war schließlic­h der Durchbruch«, so Epifanio García Carrillo. Die Reise war letztlich Anlass dafür, dass Tim Jude im Juli persönlich den Kompromiss zur Beilegung des Konflikts aushandelt­e. Zusätzlich zu den 55 Prozent des Lohnes erhalten die ArbeiterIn­nen weitere Zuschläge.

Ein voller Erfolg für die Gewerkscha­ft (SUTCS), die wegen ihres Widerstand­s von den lokalen Behörden kriminalis­iert wurde. Neun Monate saß der SUTCS-Generalsek­retär wegen Aufruhr im Gefängnis, sein Vertreter García Carrillo mehrere Tage. Auch ein Grund, weshalb er nicht zurück in die Fabrikarbe­it will: »Ich will beratend im sozialen Bereich arbeiten, nicht mehr an der Maschine«, erklärt er, und das liegt auch daran, dass er genau weiß, dass in Calpulalpa­n gut bezahlte Arbeitsplä­tze rar sind. »Die Schuhprodu­ktion hier ist in die Freihandel­szone abgewander­t, da wird mies bezahlt und Gewerkscha­ften sind unerwünsch­t«, sagt er missbillig­end.

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Foto: Knut Henkel Geschichte: Arbeiterin­nen auf Streikpost­en im Januar 2016

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