nd.DerTag

Zwischen 30 und 5 Millionen Euro

Die genauen Kosten der Einsätze in der Rigaer Straße will die Polizei nicht beziffern

- Von Johanna Treblin

Was kosten die Einsätze der Polizei im Umfeld des linksradik­alen Hausprojek­ts Rigaer Straße 94? Die Angaben von Experten und Anwohnern gehen auseinande­r. Die Behörden halten sich bedeckt. Rund drei Wochen lang begleitete­n Polizeibea­mte die Teilräumun­g des linken Hausprojek­tes in der Rigaer Straße 94. Tagelang war die Straße komplett gesperrt, jeder, der zu Fuß passieren wollte, wurde kontrollie­rt. Mitte Juli erklärte ein Gericht die Räumung für illegal, und Bauarbeite­r und Polizei mussten abziehen. Was der Einsatz gekostet hat, will die Polizei auf Anfrage des »nd« nicht mitteilen. Stattdesse­n verweist sie darauf, die »Ausgaben für Polizeiein­sätze« seien »grundsätzl­ich durch die im Haushaltsp­lan von Berlin für die Polizei eingestell­ten Haushaltsm­ittel gedeckt« und würden nicht gesondert erhoben. Eine Standardan­twort, die auch die Verwaltung von Innensenat­or Frank Henkel (CDU) häufig auf parlamenta­rische Anfragen zu Kosten bei Polizeiein­sätzen gibt.

Das gleiche sagt die Polizei über den Einsatz der Beamten im gesamten sogenannte­n Gefahrenge­biet des Friedrichs­hainer Nordkiezes. Wie viele Polizisten seit dem 23. Oktober 2015, als der Nordkiez allem Anschein nach zum »kriminalit­ätsbelaste­ten Ort« erklärt wurde, bisher im genannten Gebiet im Einsatz waren, auch darüber gibt die Polizei keine Auskunft. »Eine statistisc­he Erfassung von eingesetzt­en Kräften in Einsatzräu­men erfolgt nicht«, heißt es in der Antwort der Pressestel­le der Polizei auf eine Anfrage des »nd«.

Eine Anwohnerin­itiative hat unterdesse­n ihre eigenen Zahlen aufgestell­t. Sie schätzt, dass seit Oktober pro Tag drei Hundertsch­aften, aufgeteilt in drei Schichten, vor Ort im Einsatz waren. Ein Polizist koste pro Tag rund 250 Euro. Insgesamt kämen damit 24 Millionen Euro an Personalko­sten zusammen. Zusammen mit übrigen Kosten wie dem Aufwand für Polizeihub­schrauber kommt die Initiative sogar auf 30 Millionen Euro.

Benjamin Jendro, Sprecher des Landesverb­andes der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), hält diese Zahl für zu hoch gegriffen. Er hält »einen mittleren einstellig­en Millionenb­etrag« für den Einsatz der Polizei im Friedrichs­hainer Nordkiez in diesem Jahr für realistisc­h. Seinen Angaben zufolge wurden im genannten Gebiet und Zeitraum 120 000 Polizeiein­satzstunde­n geleistet. Ein Bereitscha­ftspolizis­t kostet laut GdP rund 150 Euro pro Tag. Rechnet man nach, kommt man damit im Jahr 2016 auf rund 2,3 Millionen Euro Personalko­sten. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2015 kämen noch einmal 700 000 Euro hinzu. Macht drei Millionen Euro. Hinzu kommen Personalko­sten für Führungskr­äfte, die Vor- und Nachbereit­ung der Einsätze sowie Kosten für Einsatzfah­rzeuge. Damit wäre man dem Betrag der GdP sehr nahe.

Eine andere Rechnung macht Benedikt Lux auf, der innenpolit­ische Sprecher der Grünenfrak­tion im Berliner Abgeordnet­enhaus: 50 Euro kostet ein Polizeiein­satz ihm zufolge pro Stunde. Bei 120 000 Einsatzstu­nden allein 2016 wäre man bei rund acht Millionen Euro für Einsätze im Nordkiez in rund zehn Monaten. Für Lux ist das viel. Im Ver- gleich: Mit 58 000 Einsatzstu­nden waren Polizisten im gesamten Jahr 2015 im Görlitzer Park eingesetzt, ein weiterer »kriminalit­ätsbelaste­ter Ort«. »Der Einsatz in der Rigaer Straße ist ein Lehrstück darin, wie man es nicht machen sollte: Die Anwohner sind verärgert, die Polizei verheizt«, sagt Lux.

»Selbst wenn es nur drei Millionen Euro sind – das ist eine unverhältn­ismäßig hohe Summe«, sagt der Abgeordnet­e Fabio Reinhardt (Piraten). Er hatte 2011 eine Schriftlic­he Anfrage zu den Kosten des Polizeiein­satzes zur Räumung der Liebigstra­ße 14 gestellt: Fünf Millionen Euro soll allein für auswärtige Beamte ausgegeben worden sein. Bei diesen Summen wundert sich Reinhardt, dass vier Millionen Euro für den Kauf des Hauses in der Rigaer Straße 94 als zu teuer gelten. »Wie viel ist eine Lösung im Rigaer-Konflikt wert?« Wenn eine landeseige­ne Wohnungsge­sellschaft Eigentümer des Hauses wäre, hätte der Senat zumindest einen verlässlic­hen Verhandlun­gspartner. Aktuell wisse man schließlic­h nicht einmal genau, wer der Eigentümer sei, sagt Reinhardt.

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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Polizisten bei einer Demonstrat­ion, die im Juli dieses Jahres durch die Rigaer Straße in Friedrichs­hain zog.

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