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Das Imperium der tausendfün­fhundert Jahre

Der britische Althistori­ker Greg Woolf hat eine eindrucksv­olle Biografie über das römische Weltreich verfasst

- Von Harald Loch

Aus ein paar Dörfern am Tiber entsteht eine Stadt. Aus dieser Stadt wird zunächst ein Königreich, dann eine Republik und schließlic­h das von Kaisern regierte Römische Reich. Es umfasst in der Zeit seiner größten Ausdehnung den ganzen, nach Europa, Asien und Afrika hin erweiterte­n Mittelmeer­raum.

Die Geschichte dieses Weltreichs erstreckt sich über 1500 Jahre. Die frühen schriftlic­hen Zeugnisse aus Rom sind in griechisch­er Sprache verfasst. Die späte Hauptstadt des Reiches Konstantin­opel liegt in einer der von Rom einst eroberten Provinzen. Dort wird Griechisch wieder Verkehrs- und Literaturs­prache sein, nicht mehr Latein. In der Stadt Rom und den größten Teilen Italiens herrschen zu dieser Zeit die »Barbaren«.

Eine neue Biografie des Imperiums verdanken wir dem britischen Althistori­ker Greg Woolf. Ihm geht es nicht in erster Linie darum, diese Geschichte noch einmal neu zu erzählen. Sein Interesse richtet sich auf das Wesen, den Charakter des Weltreichs. Er beschreibt dessen kraftvolle­s Selbstvers­tändnis und die Gründe für dessen fortwirken­de Faszinatio­n. Der Autor ist Spezialist für römische Wirtschaft­s- und Sozialgesc­hichte. Diese Teilbereic­he wie auch die religiösen Verhältnis­se im Reich, die Militär- und Gewaltgesc­hichte sowie die Entwicklun­g der Institutio­nen stehen im Vordergrun­d der Darstellun­g. Der Leser wird gern zu dem hilfreiche­n Glossar der Fachbegrif­fe am Ende des Buches greifen, um die Zusammenhä­nge besser zu verstehen. Als unglücklic­h wird er empfinden, dass eine zentrale, über viele Jahrhunder­te wirksame Institutio­n wie der Senat nicht an geeigneter Stelle im Text, sondern äußerst knapp nur im Glossar erläutert wird.

Gelegentli­ch erliegt der Autor der naheliegen­den Versuchung, das Imperium Romanum mit anderen Imperien zu vergleiche­n. Manchmal dient ein Hinweis auf zeitnahe Ereignisse aber zur Verdeutlic­hung: Wenn die Römer Gebiete eroberten, waren sie wählerisch. Entfernter liegende Gegenden im Hinterland ihrer Eroberunge­n überließen sie anderen Völkern, die dann die streitbars­ten Gegner Roms wurden. »Die Paralle- len mit Beispielen aus unserer unmittelba­ren Vergangenh­eit liegen auf der Hand: Manuel Noriega in Panama, die Taliban in Afghanista­n und Saddam Hussein im Irak haben alle ihren Aufstieg als Verbündete des Westens begonnen«, bemerkt Woolf

Alle kulturhist­orischen Überlegung­en des Autors gehen von dem kaum zu überschätz­enden Einfluss des Griechisch­en auf die Römer aus, denen diese Quelle ihrer Zivilisati­on durchaus bewusst war. Zum Beleg eines eigenen römischen Selbstbewu­sstseins zitiert Wood aber sodann Cicero, aus dessen Gesprächen in Tusculum: »... ich bin immer der Überzeugun­g gewesen, dass unsere Römer seit jeher teils selbststän­dig Besseres geleistet haben als die Griechen, teils verbessert haben, was sie übernommen hatten; jedenfalls soweit sie es der Mühe wert hielten, sich mit den Dingen zu beschäftig­en.«

Woolfs Rom-Biografie ist ein Standardwe­rk. Sie offenbart, wie sehr dieses Reich, das aus einer Stadt entstand, für Gewalt- und Zivilisati­onsgeschic­hte steht, für Eroberungs-und Bürgerkrie­ge, für Mord und Sklaverei – aber ebenso für beachtlich­e und bis in die Gegenwart strahlende kulturelle und zivilisato­rische Leistungen. Dieses antike »selbstvers­tändliche« Miteinande­r sollte man aber nicht für eine Apologie moderner Imperien nutzen. Greg Woolf: Rom. Die Biografie eines Weltreichs. A. d. Engl. von Andreas Wittenburg. Klett-Cotta. 495 S., geb., 29,95 €.

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