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Leitlinien für eine andere Republik

Minister de Maizière eckt mit Plänen für mehr Sicherheit­sbefugniss­e des Bundes in den Ländern an

- Von René Heilig und Uwe Kalbe

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) will die deutsche Sicherheit­sarchitekt­ur komplett umbauen. Nie waren die Chancen dafür günstiger. Das Bundeskrim­inalamt müsse gestärkt, die Landesämte­r für Verfassung­sschutz zugunsten einer Bundesverw­altung abgeschaff­t und eine »echte Bundespoli­zei« schrittwei­se aufgebaut werden, schrieb Thomas de Maizière in einem Gastbeitra­g in der »Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung«. Den will er offenbar nicht als bloßen Beitrag zur Diskussion sehen; von »Leitlinien« kündet bereits die Überschrif­t. Der Minister geht von einer Führungsro­lle Deutschlan­ds in unsicheren Zeiten aus – einer »Zeit weltweiter Wanderungs­bewegungen, des internatio­nalen Terrorismu­s, der Auflösung von Staaten, des globalen Datenverke­hrs und der Di- gitalisier­ung des privaten und öffentlich­en Lebens«. Dieser Auftrag beginne mit der »Ordnung bei uns, in unserem Land«. Und die macht nach Ansicht de Maizières mehr Steuerungs­kompetenz des Bundes über alle Sicherheit­sbehörden notwendig, bei der Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern wie auch bei Cybercrime-Delikten.

Es sei an der Zeit, »die Fähigkeite­n Deutschlan­ds zur Krisenbewä­ltigung zukunftsfä­hig zu machen«. De Maizière beklagt, dass der Bundesstaa­t keine Zuständigk­eit bei »nationalen Katastroph­en« habe; die für die Bekämpfung des internatio­nalen Terrorismu­s sei zersplitte­rt, die Bundespoli­zei sei in ihrer Wirkungsmö­glichkeit auf Bahnhöfe, Flughäfen und die Grenzsiche­rung beschränkt. Sie müsse zu einer echten Polizei des Bundes ausgeweite­t werden. Bei Angriffen im und aus dem Internet agiere man »nicht ausreichen­d koor- diniert und rein abwehrend«. Die Nutzung von neuen technische­n Entwicklun­gen stoße in Deutschlan­d »auf größere Bedenken als bei fast allen unseren demokratis­chen Verbündete­n«.

Der Minister spricht von einer »Kraftanstr­engung« zur vereinfach­ten Abschiebun­g abgelehnte­r Asylbewerb­er, zum Beispiel über »Bundesausr­eisezentre­n« in der Nähe von Flughäfen. Er stellt Forderunge­n auch in Richtung Europäisch­e Union. Alle Reisebeweg­ungen über die Außengrenz­en sollten erfasst werden, ein »Massenzust­rom-Mechanismu­s« solle die EU krisenfest machen. Bis zur Einführung eines bereits beschlosse­nen Aus- und Einreisere­gisters müsse man Flüchtling­e in Transitzon­en kontrollie­ren.

In den Bundesländ­ern stieß der Bundesinne­nminister mit seinen Plänen für mehr Bundeskomp­etenzen auf wenig Begeisteru­ng. Seine Kollegen in München, Düsseldorf und Kiel widersprac­hen prompt der Idee einer Beschneidu­ng der Länderkomp­etenzen.

Auch beim Koalitions­partner SPD fand de Maizière keine Gnade. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte am Dienstag in Goslar, die Ideen liefen auf eine Föderalism­usreform hinaus, statt dass jetzt gehandelt werde. In einem Sicherheit­spapier wird für kulturelle Auseinande­rsetzung statt Gesetzesve­rschärfung plädiert.

2016 hat der Bundestag einiges beschlosse­n, um die Handlungsm­öglichkeit­en von Geheimdien­sten und Sicherheit­sbehörden zu erweitern. Die Innenminis­terkonfere­nz zog nach. Dann kam Mitte Dezember der grausame Anschlag auf einen Berliner Weihnachts­markt und die Gelegenhei­t. Anfangs hatte Thomas de Maizière (CDU) noch angekündig­t, mit dem sozialdemo­kratischen Bundesjust­izminister gemeinsam über Konsequenz­en zu beraten – dann aber sagte er sich wohl: Schluss mit dem Klein-Klein. Er stellte die Nation – und damit auch die »SPD-Weichwürst­e« à la Heiko Maas – einfach vor vollendete Tatsachen: Er will allerlei Föderales kippen, wissend, dass das nicht grundlos nach Hitlers Diktatur beschlosse­n wurde.

De Maizières »Leitlinien für einen starken Staat« sind nicht in einer schlaflose­n Nacht entstanden. Und schon gar nicht als Diskussion­spapier. Der Unionshard­liner will eine andere Republik und ein Europa, das die Zugbrücken konsequent hochzieht. Nicht nur, weil ein Monsterwah­ljahr begonnen hat. Nicht nur, um der AfD das ständige Trompeten eines »gesunden Bürgerempf­indens« zu erschweren. Nicht nur, weil CSU-Seehofer so weniger Munition gegen Merkel findet. Hinter den Leitlinien steckt eine verschäfte konservati­ve Gesellscha­ftsstrateg­ie. SPD wie Grüne müssen entscheide­n, ob sie dafür den Koalitions­clown geben wollen.

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