DJ Reichskanzler auf dem Index
Landeskriminalamt erreichte Vertriebseinschränkungen und Verbote für rechte Hassmusik
58 rechte Tonträger legte das Landeskriminalamt im vergangenen Jahr der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vor. Der Sänger von Erschießungskommando grölt mit tiefer Stimme: »An allem Bösen sind die Juden schuld.« Preußen Standarte schrammelt auf der Gitarre und lebt in dem Titel »Vollstreckungsschlag knallhart« antisemitische Gewaltfantasien aus: »Schweinefleisch stopf' ich dir ins Maul hinein. Kotzt du es aus, schlag' ich dir die Zähne ein. Batteriesäure kipp' ich in dein Gesicht...« Und DJ Reichskanzler unterlegt Reden von Adolf Hitler mit Technorhythmen.
Im vergangenen Jahr legte das Landeskriminalamt (LKA) 59 Tonträger der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vor. Darunter befand sich lediglich einer mit linksradikalem Inhalt, bei den anderen 58 handelte es sich um rechte Hassmusik. 27 der rechtsextremistischen Tonträger wurde bereits im Laufe des Jahres auf den Index gesetzt. 28 Verfahren laufen noch, teilte das Innenministerium am Dienstag mit. Nur in drei Fällen sei die Bundesprüfstelle nicht der Anregung des LKA gefolgt. Seit 2004 hat das Landeskriminalamt mehr als 700 Tonträger zur Indizierung angemeldet. »Das ist mit Abstand der bundesweite Spitzenwert« heißt es.
»Rechten Hassmusikern müssen wir den Stecker ziehen«, sagt Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). »Rechtsextremisten wollen mit der Musik vor allem junge Leute infiltrieren und sie damit für ihre menschenverachtenden Machenschaften vereinnahmen. Das werden wir nicht zulassen«, verspricht Schröter. »Deshalb wird die Polizei weiterhin konsequent sein und gegen musikalisch verpackte Naziparolen vorgehen.«
15 der im vergangenen Jahr auf den Index gesetzten Tonträger landeten auf Liste A. Dies bedeutet, sie dürfen Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht, ihnen nicht angeboten, ihnen auch nicht überlassen werden. Außerdem dürfen sie nicht über den Versandhandel vertrieben, am Kiosk verkauft oder auf Schulhöfen oder sonst irgendwo verteilt werden. Werbung für diese Tonträger zu machen ist ebenso untersagt. Auf Liste B kamen die 13 Tonträger, die nach Einschätzung der Bundesprüfstelle nicht nur jugendgefährdend sind, sondern darüber hi- naus strafrechtlich relevante Inhalte haben. Diese Medien dürfen generell nicht verbreitet werden. Sie sind verboten.
Das LKA beschränkt sich bei seinen Bemühungen, Tonträger auf den Index zu setzen, nicht auf brandenburgische Bands und Liedermacher. Dem Innenministerium sind jedoch 26 Nazibands und 13 rechte Liedermacher bekannt, die sicher oder vermutlich aus Brandenburg stammen. Darunter sind sieben aus Potsdam: Die Gruppen Aryan Brotherhood, Burn Down, Handstreich, Redrum, Preussenstolz und Uwocaust sowie der Liedermacher Martin. Fünf Bands werden der Stadt Beeskow zugeordnet: Blutflagge, Frontfeuer, Mogon, Projekt 8.8 und Wolfskraft. Weiterhin gibt es beispielsweise Autan aus Oranienburg, Confident of Victory aus Senftenberg, Exzess aus Strausberg und Frontalkraft aus Cottbus. Ent- nommen ist diese Aufzählung einer im November 2016 erfolgten Antwort von Innenminister Schröter auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Andrea Johlige (LINKE). Aus der Antwort geht auch hervor, dass die Bands bei verschiedenen Konzerten zumeist vor hunderten Zuhörern spielen, vor allem in Brandenburg, MecklenburgVorpommern und Sachsen, doch auch anderswo. Confident of Victory, Frontalkraft und Exzess sind am 15. Oktober 2016 bei einem Rechtsrockkonzert im schweizerischen Kanton St. Gallen aufgetreten. Dieses Konzert zählte 5000 Besucher, darunter 65 Brandenburger, von denen 47 zusammen in einem Bus anreisten.
»Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Musik in der Naziszene einen wichtigen Stellenwert hat«, sagt die Abgeordnete Johlige. Die Hassmusik diene der Anwerbung von Anhän- gern und zur Verbreitung der Ideologie. »Über Nazirock werden Weltbilder gefestigt.« Auch sei nicht zu unterschätzen, wie Konzerte zur Vernetzung der rechten Szene beitragen. Hassbands, ihre Produzenten und die Plattenläden, die ihre Tonträger verkaufen, sind mit rechten Parteien und Organisationen oft sehr eng verwoben.
Erstmals sorgte das LKA 2016 dafür, dass ein islamistisches Musikvideo auf dem Index landete. Dabei handelte es sich um den Titel »Charlie Hebdo« von SadiQ, der davon singt, er ziele auf die Zeichner des gleichnamigen französischen Satireblatts, das Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht hatte. Am 7. Januar 2015 waren zwei maskierte Terroristen in die Redaktion gestürmt und hatten zwölf Menschen erschossen, darunter den Herausgeber Stéphane Charbonnier.