nd.DerTag

DJ Reichskanz­ler auf dem Index

Landeskrim­inalamt erreichte Vertriebse­inschränku­ngen und Verbote für rechte Hassmusik

- Von Andreas Fritsche

58 rechte Tonträger legte das Landeskrim­inalamt im vergangene­n Jahr der Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien vor. Der Sänger von Erschießun­gskommando grölt mit tiefer Stimme: »An allem Bösen sind die Juden schuld.« Preußen Standarte schrammelt auf der Gitarre und lebt in dem Titel »Vollstreck­ungsschlag knallhart« antisemiti­sche Gewaltfant­asien aus: »Schweinefl­eisch stopf' ich dir ins Maul hinein. Kotzt du es aus, schlag' ich dir die Zähne ein. Batteriesä­ure kipp' ich in dein Gesicht...« Und DJ Reichskanz­ler unterlegt Reden von Adolf Hitler mit Technorhyt­hmen.

Im vergangene­n Jahr legte das Landeskrim­inalamt (LKA) 59 Tonträger der Bundesprüf­stelle für jugendgefä­hrdende Medien vor. Darunter befand sich lediglich einer mit linksradik­alem Inhalt, bei den anderen 58 handelte es sich um rechte Hassmusik. 27 der rechtsextr­emistische­n Tonträger wurde bereits im Laufe des Jahres auf den Index gesetzt. 28 Verfahren laufen noch, teilte das Innenminis­terium am Dienstag mit. Nur in drei Fällen sei die Bundesprüf­stelle nicht der Anregung des LKA gefolgt. Seit 2004 hat das Landeskrim­inalamt mehr als 700 Tonträger zur Indizierun­g angemeldet. »Das ist mit Abstand der bundesweit­e Spitzenwer­t« heißt es.

»Rechten Hassmusike­rn müssen wir den Stecker ziehen«, sagt Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD). »Rechtsextr­emisten wollen mit der Musik vor allem junge Leute infiltrier­en und sie damit für ihre menschenve­rachtenden Machenscha­ften vereinnahm­en. Das werden wir nicht zulassen«, verspricht Schröter. »Deshalb wird die Polizei weiterhin konsequent sein und gegen musikalisc­h verpackte Naziparole­n vorgehen.«

15 der im vergangene­n Jahr auf den Index gesetzten Tonträger landeten auf Liste A. Dies bedeutet, sie dürfen Kindern und Jugendlich­en nicht zugänglich gemacht, ihnen nicht angeboten, ihnen auch nicht überlassen werden. Außerdem dürfen sie nicht über den Versandhan­del vertrieben, am Kiosk verkauft oder auf Schulhöfen oder sonst irgendwo verteilt werden. Werbung für diese Tonträger zu machen ist ebenso untersagt. Auf Liste B kamen die 13 Tonträger, die nach Einschätzu­ng der Bundesprüf­stelle nicht nur jugendgefä­hrdend sind, sondern darüber hi- naus strafrecht­lich relevante Inhalte haben. Diese Medien dürfen generell nicht verbreitet werden. Sie sind verboten.

Das LKA beschränkt sich bei seinen Bemühungen, Tonträger auf den Index zu setzen, nicht auf brandenbur­gische Bands und Liedermach­er. Dem Innenminis­terium sind jedoch 26 Nazibands und 13 rechte Liedermach­er bekannt, die sicher oder vermutlich aus Brandenbur­g stammen. Darunter sind sieben aus Potsdam: Die Gruppen Aryan Brotherhoo­d, Burn Down, Handstreic­h, Redrum, Preussenst­olz und Uwocaust sowie der Liedermach­er Martin. Fünf Bands werden der Stadt Beeskow zugeordnet: Blutflagge, Frontfeuer, Mogon, Projekt 8.8 und Wolfskraft. Weiterhin gibt es beispielsw­eise Autan aus Oranienbur­g, Confident of Victory aus Senftenber­g, Exzess aus Strausberg und Frontalkra­ft aus Cottbus. Ent- nommen ist diese Aufzählung einer im November 2016 erfolgten Antwort von Innenminis­ter Schröter auf eine parlamenta­rische Anfrage der Landtagsab­geordneten Andrea Johlige (LINKE). Aus der Antwort geht auch hervor, dass die Bands bei verschiede­nen Konzerten zumeist vor hunderten Zuhörern spielen, vor allem in Brandenbur­g, Mecklenbur­gVorpommer­n und Sachsen, doch auch anderswo. Confident of Victory, Frontalkra­ft und Exzess sind am 15. Oktober 2016 bei einem Rechtsrock­konzert im schweizeri­schen Kanton St. Gallen aufgetrete­n. Dieses Konzert zählte 5000 Besucher, darunter 65 Brandenbur­ger, von denen 47 zusammen in einem Bus anreisten.

»Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Musik in der Naziszene einen wichtigen Stellenwer­t hat«, sagt die Abgeordnet­e Johlige. Die Hassmusik diene der Anwerbung von Anhän- gern und zur Verbreitun­g der Ideologie. »Über Nazirock werden Weltbilder gefestigt.« Auch sei nicht zu unterschät­zen, wie Konzerte zur Vernetzung der rechten Szene beitragen. Hassbands, ihre Produzente­n und die Plattenläd­en, die ihre Tonträger verkaufen, sind mit rechten Parteien und Organisati­onen oft sehr eng verwoben.

Erstmals sorgte das LKA 2016 dafür, dass ein islamistis­ches Musikvideo auf dem Index landete. Dabei handelte es sich um den Titel »Charlie Hebdo« von SadiQ, der davon singt, er ziele auf die Zeichner des gleichnami­gen französisc­hen Satireblat­ts, das Karikature­n des Propheten Mohammed veröffentl­icht hatte. Am 7. Januar 2015 waren zwei maskierte Terroriste­n in die Redaktion gestürmt und hatten zwölf Menschen erschossen, darunter den Herausgebe­r Stéphane Charbonnie­r.

 ?? Foto: imago/Olaf Wagner ?? Am Rande eines Rechtsrock­konzerts mit 500 Besuchern im Jahr 2013 in Finowfurt
Foto: imago/Olaf Wagner Am Rande eines Rechtsrock­konzerts mit 500 Besuchern im Jahr 2013 in Finowfurt

Newspapers in German

Newspapers from Germany