Keine Zeit für Großdemonstrationen
Was müssen Friedensaktive 2017 anders machen? Ein Vorschlag aus der Bewegung
2016 war für Friedensfreunde kein gutes Jahr. Ein Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft erklärt, welche Schlüsse die Bewegung aus den vergangenen Monaten ziehen sollte. Das vergangene Jahr war aus friedenspolitischer Sicht katastrophal: Das Säbelrasseln zwischen Ost und West verschärfte sich, ebenso der komplizierte Krieg in Syrien, und die Bundeswehr fuhr eine Werbekampagne, der allein quantitativ kaum beizukommen ist. Dennoch gab es Erfolge, an die im neuen Jahr angeknüpft werden sollte.
Auch 2017 gilt es, die weitestgehend kritische Meinung der Bevölkerung zu Militäreinsätzen im Ausland aufrecht zu erhalten. Laufende Kampagnen wie die gegen Atomwaffen und den Atomwaffen-Standort Büchel in Rheinland-Pfalz sowie die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« und die Kampagne »Macht Frieden. Zivile Lösungen für Syrien« müssen fortgeführt werden. Gerade im Bundestags-Wahljahr dürften sich interessante Möglichkeiten bieten, diese friedenspolitischen Themen auf die öffentliche Agenda zu setzen und die Parteien damit – etwa bei den Programmparteitagen – zu konfrontieren.
Auch die Proteste gegen den G20Gipfel im Juli in Hamburg werden eine Möglichkeit bieten, den Menschen friedenspolitische Themen ins Bewusstsein zu rücken – auch, wenn wohl andere linke Themen bei den geplanten Demonstrationen überwiegen werden. Christliche Kreise wiederum sind durch das »Reformationsjubiläum 2017« zu erreichen. An politischen Anknüpfungspunkten für die Friedensbewegung mangelt es in 2017 also keinesfalls. Nicht über junge Menschen reden, Aktionen mit Spaß anbieten Auch mögliche Themengebiete für die Friedensbewegung werden 2017 nicht weniger: Zwar spielt der deutsche Afghanistan-Einsatz eine immer geringere Rolle, der Einsatz im nordafrikanischen Mali könnte in diesem Jahr aber eskalieren und somit ein neues Themenfeld werden. Zudem wird der »Cyberwar« sicherheitspolitisch immer wichtiger – dem sollte auch die Friedensbewegung Rechnung tragen, Positionen finden und Aktionsformen entwickeln.
Denn gerade mit solch aktuellen Themen lassen sich auch junge Leute mobilisieren: Der alternden Bewegung muss aktuell begegnet werden. Nicht nur inhaltlich, sondern auch durch moderne Aktionsformen. Momentan ist nicht die Zeit für Großdemonstrationen, sondern eine für kleine, aufsehenerregende Aktionen. Werden diese noch modern inszeniert und über Medien verbreitet, die junge Menschen nutzen, werden sie auch aktiv werden. Die Bewegung sollte weniger über junge Menschen reden, sondern vielmehr Aktionen und Themen anbieten, die Spaß (!) machen. Auch traditionelle Friedenstermine wie die Ostermärsche müssen kreativ »aufgepeppt« werden, um junge Menschen zu erreichen.
Menschen gewinnt man außerdem durch Erfolge: Friedensgruppen sollten darauf achten, auch Themen zu bearbeiten, bei denen tatsächlich politische Erfolge erzielt werden können. Strategisch kluges Handeln kann dabei entscheidend sein. Strategisch gegen BundeswehrWerbung Im vergangenen Jahr hat die Zahl der 17-Jährigen in der Bundeswehr mit 1576 einen neuen Höchststand erreicht (2011 waren es noch 689) – das sind etwa 10 Prozent der jährlichen neuen Rekrutinnen und Rekruten. Nach der 2014 erfolgten Aufforderung des »UN Ausschuss für die Rechte des Kindes« an das Verteidigungsministerium, die gezielte Werbung von Kindern und Jugendlichen sowie die Ausbildung von Minderjährigen an der Waffe einzustellen, hat die »Kinderkommission« des Bundestags diese Aufforderung 2016 unterstrichen. Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr stehen in dieser Frage enorm unter Druck. 2017 könnte daher durchaus das Jahr sein, in dem die Verantwortlichen die Praxis, 17-Jährige an der Waffe auszubilden, beenden – wenn von Friedensaktivistinnen und -aktivisten so- wie Kinderrechtlerinnen und Kinderrechtlern weiter Druck ausgeübt wird. Die aktuelle Unterschriften-Kampgane »unter18nie« ist hier ein Anfang.
Eng mit diesem Thema verknüpft ist auch der seit einigen Jahren von der Armee praktizierte »Tag der Bundeswehr«, der am 10. Juni 2017 an sechszehn Standorten stattfinden soll. Im vergangenen Jahr gab es bereits koordinierte Proteste. Fotos von Kindern an Waffen sorgten bundesweit für Schlagzeilen. Auch in diesem Jahr soll der »Tag der Bundeswehr« auch ein bundesweiter »Aktionstag gegen das Militär« werden.
Weiterhin wird die »Mach, was wirklich zählt«-Werbekampagne der Bundeswehr, mit der die Armee neuen Nachwuchs sucht und sein Image in der Bevölkerung verbessern will, 2017 ein Thema sein. Nirgends werden die Menschen in diesem Land so direkt mit dem Militär konfrontiert wie bei dieser PR-Kampagne. Der großangelegten Werbeoffensive ist mit Aktionen allerdings nur schwer beizukommen. Auch Proteste bei den politisch Verantwortlichen scheinen aussichtslos.
Einen Ansatzpunkt gibt es allerdings: Die »Mach, was wirklich zählt«Kampagne wird von der PR-Agentur »Castenow« mit Sitz am Düsseldorfer Medienhafen betrieben. Da Werbeagenturen sehr auf ein gutes Image bedacht sind – sie haben ja vorwiegend »zivile« Kundinnen und Kunden –, sind sie anfällig für Proteste. So ließe sich »Castenow« womöglich dazu bewegen, den Bundeswehr-Auftrag zu beenden. Das wäre auch ein Zeichen an andere Werbeagenturen, die mit dem Gedanken spielen, ArmeeAufträge zu übernehmen. Dies ist aber nur ein Beispiel, wie strategisches Handeln für die Friedensbewegung aussehen kann. Konsequent gegen alle Kriegsakteure In jedem Fall gilt es für die Bewegung, sich klar für Frieden zu positionieren: Nicht nur die Bundeswehr und die NATO müssen im Fokus der Kritik stehen, auch Russland ist militärisch sehr aktiv. Wer gegen Krieg ist, muss all seine gewaltsam tätigen Akteure klar benennen und politisch gegen ihr Tun aktiv werden – ansonsten verliert die Friedensbewegung (weiter) an Glaubwürdigkeit.
Bereits in den vergangenen Jahren hat diese enorm gelitten, da sich Teile der Bewegung für nationalistische Kreise öffneten. Die dadurch erhofften »Massen« blieben aus – der Schaden ist dafür groß. Es muss in der Öffentlichkeit wieder klar werden, dass Nationalismus und Patriotismus jedem Frieden entgegenstehen. Zudem müssen Aktivistinnen und Aktivisten mehr Quellenkritik betreiben: Sicherheitspolitik ist ein höchst umstrittenes Themenfeld, weshalb immer viele »Nebelkerzen geworfen« werden. So gibt es in Teilen der Friedensbewegung einen Hang zu platten Verschwörungstheorien. Dem gilt es durch wissenschaftlich fundierte Informationsarbeit in die Bewegung und aus ihr heraus entgegenzuwirken.
In den vergangenen Jahren hat die Friedensbewegung enorm gelitten, da sich Teile der Bewegung für nationalistische Kreise öffneten. Die dadurch erhofften »Massen« blieben aus – der Schaden ist dafür groß.
2017 anpacken Die Friedensbewegung ist heterogen – das ist der Grund für viele Debatten und doch ein großer Vorteil. Es gibt viele engagierte Leute, die Expertinnen und Experten auf den verschiedensten Themenfeldern sind. Die hier vorgeschlagenen Themen sind daher nur eine enge Auswahl. 2017 hat die Bewegung die Chance, viel in die richtige politische Richtung zu bewegen – packen wir es an! Michael Schulze von Glaßer ist stellvertretender politischer Geschäftsführer der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen«, die in diesem Jahr ihr 125-Jähriges Bestehen feiert.