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»Show« bleibt ohne Ergebnis

Feuertod von Ouy Jalloh: Experiment unausgewer­tet

- Von Hendrik Lasch

Am Samstag jährt sich der Tod Oury Jallohs zum zwölften Mal. Initiative­n rufen zur Gedenkdemo­nstration in Dessau auf und kritisiere­n Fehler bei der Aufklärung. Wie viel sind »einige«? Einige Wochen werde die Auswertung dauern, sagte der Brandexper­te Kurt Zollinger nach einem Brandversu­ch, der im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft Dessau die Umstände des Feuertodes von Oury Jalloh klären sollte. Das war im August 2016. Seither sind immerhin 20 Wochen vergangen; die Ergebnisse des Experiment­s in einem alten Fabrikgebä­ude im sächsische­n Schmiedebe­rg kennt die Öffentlich­keit aber weiterhin nicht. Die Zusammenst­ellung und Auswertung der Zahlen und Messwerte habe »dann doch mehr Zeit in Anspruch genommen«, sagte Olaf Braun, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, auf Anfrage des »nd«; der Abschlussb­ericht Zollingers stehe daher noch aus. In der »Mitteldeut­schen Zeitung« hatte Braun unlängst die Hoffnung geäußert, das Papier könne im Januar vorliegen. Offenbar ist auch das nicht sicher. Am Dienstag sagte er, man werde das Ergebnis »zu gegebener Zeit« veröffentl­ichen.

Sicher ist also: Vor dem zwölften Jahrestag von Jallohs Tod an diesem Samstag gibt es keine neuen Erkenntnis­se zu dessen genauen Umständen. Der Asylbewerb­er aus Sierra Leone war in den Mittagsstu­nden des 7. Januar 2005 in Gewahrsams­zelle 5 des Polizeirev­iers Dessau, an Händen und Füßen gefesselt, auf seiner Matratze verbrannt. In den Morgenstun­den war er festgesetz­t worden, weil er in alkoholisi­ertem Zustand Frauen belästigt haben soll. In Prozessen gegen zunächst zwei, später noch einen Polizeibea­mten ging die Anklage davon aus, dass Jalloh selbst das Feuer gelegt und die Matratze mit einem Feuerzeug angezündet haben soll, wohl, um Aufmerksam­keit zu erzeugen.

Die »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« hielt diese These von Anfang an für falsch. »Oury Jalloh: Das war Mord!«, lautet denn auch erneut das Motto einer Demonstrat­ion, zu der wie in den vergangene­n Jahren nach Dessau eingeladen wird (Samstag 14 Uhr, Hauptbahnh­of). In einem Aufruf ist die Rede von der »unbewiesen­en These von der Selbstverb­rennung«; Jallohs Tod wird in eine Reihe mit anderen »rassistisc­hen Morden« gestellt. Den harten Vorwurf stützt die Initiative auf wissenscha­ftliche Expertise: Der von ihr beauftragt­e irische Sachverstä­ndige Maksim Smirnou war im Jahr 2013 zum Schluss gekommen, dass bei dem Feuer in der Zelle Brandbesch­leuniger eingesetzt worden sein muss und Jalloh das Feuer nicht selbst entfacht haben konnte. Eine Anwältin, die Familienan­gehörige vertrat, hatte vor Gericht formuliert, der Brand sei »von dritter Hand« gelegt worden.

Ob das tatsächlic­h so war, dazu kann der Versuch vom August in Schmiedebe­rg, unabhängig davon, wann die Auswertung vorliegt, wohl ohnehin keine Aufklärung bringen. Braun hatte beteuert, man starte »noch einmal bei Null« und gehe »ergebnisof­fen« heran. Die Frage, wie das Feuer entstand, spielte aber keine Rolle. Im Experiment wurde eine Matratze, die nicht dem Original aus der Dessauer Zelle entsprach, in Brand gesetzt. Man wolle »zeitliche Abläufe« nachvollzi­ehen sowie Temperatur­en und Schadstoff­e messen, hieß es; bei Bedarf sollten weitere Versuche folgen. Die Gedenkinit­iative hatte angesichts der eklatanten Mängel von einer »ganz, ganz schlechten Show« gesprochen und auch kritisiert, dass der Brandversu­ch als »medienöffe­ntliches Spektakel« durchgefüh­rt wurde. Seither herrscht öffentlich nur noch eines: Stille.

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