Fliegen wird immer sicherer
... doch die Risiken – wie zunehmender Arbeitsdruck für die Besatzungen – bleiben
2016 trübten erneut spektakuläre Unfälle die weltweite Sicherheitsbilanz in der Zivilluftfahrt. Dennoch gilt das Jahr als eines der sichersten der Branchengeschichte. Immer weiter, immer billiger: Der Trend in der zivilen Weltluftfahrt ist unverkennbar. 3,7 Milliarden Passagiere bescherten Airlines rund um den Globus 2016 einen Milliardenumsatz – und die Branche boomt weiter. Sie sichert nach Schätzungen des Industrieversicherers AGCS 58 Millionen Arbeitsplätze weltweit. Mit zunehmend leistungsstärkeren und automatisierten Maschinen stehen auch extreme Langstrecken auf den Flugplänen der Airlines, die früher noch als undenkbar galten. Die internationale Zivilluftfahrtorganisation IATA sagte für 2034 ein Aufkommen von sieben Milliarden Flugpassagieren voraus.
Dennoch nimmt die Zahl der tödlichen Unfälle nach Erkenntnissen des Hamburger Flugunfallbüros JACDEC (Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre) und des in den Niederlanden ansässigen Aviation Safety Network (ASN) kontinuierlich ab. 2016 gilt unter Experten sogar als eines der sichersten der Luftfahrtgeschichte. In Europa oder den USA gilt die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls beim Fahrradfahren weit höher als beim Fliegen. Die Modernisierung der weltweiten Luftflotten und eine zunehmende Automatisierung im Cockpit bringen es mit sich, dass die meisten Luftfahrtunfälle heute nicht so sehr auf technisches als auf menschliches Versagen zurückzuführen sind.
Wird der Mensch also zunehmend zur Schwachstelle in der Fliegerei? JACDEC-Mitbegründer Jan-Arwed Richter begründet in seiner Analyse für das Luftfahrtmagazin »Aero International« (Februarheft) die gute Sicherheitsbilanz 2016 teilweise mit der verbesserten Ausbildung der Besatzungen. Doch auch er muss zugeben, dass zunehmender Arbeitsdruck mehr als früher die Cockpitbesatzungen belastet .» Viele Piloten sind übermüdet, das ist schone in Thema .«
In der Tat schlagen auch Pilotenvertreter Alarm. Die britische Zeitung »Daily Mail« zitierte Robert Hunter, Flugs ich er heitschefd er britischen Verkehrs piloten ge werks chaftBalpa: »Ich würde schätzen, dass jeden Tag irgendwo auf der Welt ein Pilot in einem britisch zugelassenen Flugzeug unfreiwillig einnickt – wenn es nicht sogar noch häufiger vorkommt.«
Die Debatten beflügeln auch Spekulationen um die Zukunft des vollautomatischen, autonomen Fliegens ohne Cockpitbesatzung – ähnlich, wie es auf Schiene oder Straße schon heute angedacht wird. Technisch gilt es durchaus als machbar, Jets ohne Besatzung auf den Weg von A nach B zu schicken. Doch die psychologischen Hürden bei den Passagieren dürften so schnell nicht zu meistern sein. Richter meint: »Das autonome Fliegen kommt – aber es dürften wohl noch mehrere Flugzeug generationen dazwischenliegen .« Auch andere Experten schätzen, dass es wohl noch mehrere Jahre dauern dürfte, bis Flugzeuge ohne Piloten Passagiere durch die Lüfte befördern werden.
Immer komplexer werdende Flugzeugsysteme stellen heute schon neue Herausforderungen dar wegen der Sicherheit der großen Datenmengen, die ein modernes Verkehrsflugzeug generiert. Sie könnten Missbrauch Tür und Tor öffnen. Die Allianztochter Global Corporate & Speciality (AGCS), die seit über 100 Jahren Luftfahrtrisiken absichert, warnt seit Längerem vor Cyberattacken auf Flugzeugsysteme. Zwar wurde noch kein Fall eines solchen Angriffs bekannt. Doch Allianzsprecherin Bettina Sattler bestätigt: »Solche Angriffe gelten bei allem, was vernetzt ist, als das größte Risiko.« Es werde auch in der Luftfahrt weiter an Bedeutung gewinnen.
In ihren regelmäßigen Berichten zur Sicherheit in der Weltluftfahrt weist der Versicherer auch auf die Risiken durch das zunehmende Vordringen von Drohnen in den unteren Luftraum hin. Das Thema beschäftigt seit Jahren die Sicherheitsdebatten. Allerdings gab es bisher zwar diverse Hinweise auf gefährliche Annäherungen an Verkehrsflugzeuge – eine befürchtete Kollision mit schwer wiegenden Konsequenzen wurde allerdings noch nicht bekannt.