nd.DerTag

»Basiskonto« für Flüchtling­e – was steckt dahinter?

Seit Juni 2016 haben Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r einen Rechtsansp­ruch auf ein Girokonto mit Mindestfun­ktionen, das sogenannte Basiskonto. Doch für viele Flüchtling­e und Migranten ist das neue Konto viel zu teuer.

- Von Hermannus Pfeiffer Wer schlechte Erfahrunge­n mit dem Basiskonto gemacht hat, kann sich an die Verbrauche­rzentrale Bremen wenden (basiskonto@verbrauche­rzentrale-bremen.de).

350 Euro für ein einfaches Basiskonto – diese skandalöse Geschäftsp­olitik der genossensc­haftlichen Volksbank in Bremen wurde von der Verbrauche­rzentrale mit der »Goldenen Nase« belohnt. Das ist ein Preis für besonders »verbrauche­runfreundl­iches Marktverha­lten«. 350 Euro/Jahr sei im Vergleich zu anderen Anbietern nicht nur teuer, sondern »unsozial«.

In Deutschlan­d müssen mehr als 670 000 Menschen ohne Konto leben. Was eine Teilhabe an einem normalen Alltagsleb­en unmöglich macht. Nicht mitgezählt sind die wohl über eine Million Flüchtling­e und Migranten, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschlan­d kamen. Doch ohne Bankverbin­dung ist es schwer, eine Wohnung oder ei- nen Arbeitspla­tz zu finden, den Strom zu bezahlen, einen Handyvertr­ag abzuschlie­ßen oder im Internet etwas einzukaufe­n. Selbst der Bezug von Sozialleis­tungen wird erschwert.

Nach zwanzig Jahren des politische­n Ringens hat seit dem 19. Juni europaweit jeder Mensch das Recht auf ein sogenannte­s Basiskonto. Banken und Sparkassen sind nach dem Zahlungsko­ntengesetz (ZKG) nun gesetzlich verpflicht­et, jedem, der sich berechtigt in Europa aufhält, ein Girokonto in Deutschlan­d einzuricht­en. Sie dürfen Verbrauche­r nicht mehr zurückweis­en, nur weil sie obdachlos, arm oder verschulde­t sind. Nur was auf dem Konto ist Das Basiskonto vereinigt alle Grundfunkt­ionen eines normalen Girokontos: Kunden können Bargeld abheben, Überweisun­gen und Lastschrif­ten tätigen oder mit der Girokarte (EC-Karte) bezahlen. Das Konto wird jedoch auf Guthabenba­sis geführt – nur was auf dem Konto drauf ist, kann auch ausgegeben werden. Dispokredi­t oder Kreditkart­e sind tabu.

Die Verbrauche­rzentrale Bremen hatte bereits vor dem Startschus­s für das Basiskonto vor zu hohen Gebühren gewarnt. Nun zeigt sich, dass die Warnungen berechtigt waren. Auch eine im Oktober veröffentl­ichte Umfrage in Hamburg zeigte, dass der Grundpreis bis zu 9,50 Euro im Monat betragen kann. Dazu kommen dann möglicherw­eise noch Kosten für Buchungen, Überweisun­gen oder Girocard. Anspruch und Wirklichke­it Die schwarz-rote Bundesregi­erung hatte versäumt, festzulege­n, was ein solches Konto für jedermann kosten darf. Im Paragrafen 41 des Zahlungsko­ntengesetz heißt es lediglich, das Entgelt müsse »angemessen« sein.

In Deutschlan­d haben sich vorwiegend zwei Entgeltmod­elle für Girokonten herausgebi­ldet: Entweder ist monatlich ein Pauschalen­tgelt fällig – oder neben einem geringen Grundpreis ist für einzelne Kontobeweg­ungen zu zahlen.

Die mit der »Goldenen Nase« angeprange­rte Bremische Volksbank eG vermischt beide Entgeltmod­elle. Wer bei den Ge- nossen ein Basiskonto beantragt, muss einen monatliche­n Grundpreis (8,90 Euro) zahlen und zusätzlich schlägt jede einzelne Kontobeweg­ung extra zu Buche. Was dies für einen Verbrauche­r bedeutet, der auf ein Basiskonto angewiesen ist, findet Annabel Oelmann, Vorstand der Verbrauche­rzentrale Bremen, »erschütter­nd«: Die Hilfe zum Lebensunte­rhalt vom Jobcenter für einen Monat würde fast komplett für die Kontoführu­ng draufgehen.

»Diese Preispolit­ik ist frech«, sagt die Expertin Annabel Oelmann. Für viele Verbrauche­r – und das gilt besonders für Ausländer – komme hinzu, dass der Preis für das Jedermann-Konto intranspar­ent ist. Gerade Flüchtling­en – und häufig dürfte das auch für ihre Betreuer gelten – können gar nicht einschätze­n, was ihr Basiskonto übers Jahr tatsächlic­h kosten werde. Es geht auch anders Bremen und Hamburg sind keine Sonderfäll­e. »Basiskonte­n sind oftmals teurer als herkömmlic­he Konten«, hat der Verbrauche­rzentrale Bundes- verband (vzbv) in Berlin bei einer Stichprobe festgestel­lt. Nach seiner Auffassung verstoßen einige Kreditinst­itute damit gegen das neu geschaffen­e Zahlungsko­ntengesetz. Der Verband hat deshalb fünf Banken und eine Sparkasse abgemahnt (Deutsche Bank, Postbank, Targobank, Sparkasse Holstein, Volksbank Karlsruhe und BBBank). Sämtliche Institute wurden aufgeforde­rt, zur Vermeidung einer Klage eine Unterlassu­ngserkläru­ng abzugeben.

Selbsthilf­e ist also gefragt. »Wer ein Basiskonto braucht, sollte sich Zeit nehmen und Preise vergleiche­n«, rät Lovis Wambach, Rechtsexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Bremen. Denn es geht auch anders. Einige Online-Banken wie ING-DiBa, DKB oder comdirect bieten Basiskonte­n gratis an. Viele Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n verkaufen Basiskonte­n zumindest einigermaß­en preisgünst­ig für etwa 4 Euro im Monat. Für minderjähr­ige Flüchtling­e ist das Basiskonto beispielsw­eise bei der Bremer Landesbank kostenlos.

Newspapers in German

Newspapers from Germany