Landtag schließt Höcke von Gedenken aus
Revisionistische Rede des AfD-Manns hat Konsequenzen / Bundestag erinnert an »Euthanasie«-Opfer
Überlebenden des Naziterrors ist im Thüringer Landtag die Anwesenheit des AfD-Politikers Björn Höcke erspart worden. Björn Höcke ist von einer Gedenkveranstaltung des Thüringer Landtags ausgeschlossen worden. Er habe dem AfD-Fraktionschef gesagt, »dass seine Anwesenheit als Provokation empfunden würde«, so Landtagspräsident Christian Carius (CDU) am Freitag zu Beginn der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus. Ministerpräsident Bodo Ramelow dankte Carius für seine Entscheidung. »Heute ist Klarheit gefragt«, sagte der LINKE-Politiker.
Das Landesparlament hatte auch Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald eingeladen, in das die Nazis von 1937 bis 1945 rund 250 000 Menschen verschleppt hatten. Zehntausende überlebten das Martyrium nicht. Obwohl er zur Kranzniederlegung in der Gedenkstätte ausgeladen worden war, erschien Höcke am Nachmittag in Buchenwald. Vor Ort wurde ihm Hausverbot erteilt. Der rechte Politiker musste wieder umkehren.
Höcke hatte kürzlich bei einer Veranstaltung der »Jungen Alternative« in Dresden behauptet, dass die Alliierten die Deutschen im Zweiten Weltkrieg »mit Stumpf und Stiel vernichten« wollten. Noch immer sei der Gemütszustand der Deutschen der »eines total besiegten Volkes«. In diesem Zusammenhang hatte Höcke das Berliner Holocaustmahnmal als »Denkmal der Schande in dem Herz der Hauptstadt« bezeichnet. Die deutsche Geschichte solle in den Schulen nicht mehr »mies und lächerlich« gemacht werden. Diese Äußerungen waren auch bei Holocaust-Überlebenden auf Entsetzen gestoßen.
Der Bundestag gedachte ebenfalls anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee der Opfer, unter denen etwa sechs Millionen Juden waren. Im Zentrum der Veranstaltung standen in diesem Jahr die »Euthanasie«-Opfer. Erstmals sprach ein Mensch mit geistiger Behinderung im Bundestag. Sebastian Urbanski, ein 38-jähriger Schauspieler mit Downsyndrom, las aus einem Brief von Ernst Putzki vor, der aus einer Tötungsanstalt an seine Mutter geschrieben hatte. Putzki war eines von rund 300 000 Opfern des sogenannten Eutha- nasie-Programms, mit dem kranke, behinderte und hilflose Menschen getötet wurden.
Bundestagspräsident Norbert Lammert erinnerte daran, dass nur ein kleiner Teil der Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern, die am Mord an Kranken und Behinderten beteiligt waren, vor Gericht gestellt wurde. »Viele Verfahren endeten wegen Verjährung oder dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten mit Freisprüchen«, erklärte der CDU-Politiker. Lammert bezeichnete die Milde der Justiz als »skandalös«.
Etwa zur gleichen Zeit rief Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) bei einer Veranstaltung am Berliner Sinti- und Roma-Mahnmal dazu auf, die 70 000 in Deutschland und zwölf Millionen in ganz Europa lebenden Sinti und Roma als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft wahrzunehmen. Die Nazis hatten etwa 500 000 Mitglieder dieser Minderheit ermordet.
»Die Milde der Justiz wirkt auch heute schlicht und einfach skandalös.« Norbert Lammert, Bundestagspräsident