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ThyssenKru­pp hat Ärger mit Aktionären

Kritik an Rüstungsex­port bei der Hauptversa­mmlung

- Von Sebastian Weiermann

Bei der Hauptversa­mmlung von ThyssenKru­pp am Freitag in Bochum hatte Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger frohe Botschafte­n zu verkünden. Im Aufzugsbau sei das Unternehme­n innovativ, automatisi­erte Lenksystem­e seien ein zentraler Bestandtei­l für autonomes Fahren. Kurz gesagt, ThyssenKru­pp sei ein »leistungsf­ähiger Industriek­onzern«. Allerdings fiel das Unternehme­n beim Gewinn im vergangene­n Jahr leicht zurück. Hiesinger machte dafür das »schwierige Umfeld« und »große Schwankung­en auf den Werkstoffm­ärkten« verantwort­lich. Als Beispiel nannte der Konzernche­f die Stahlspart­e des Unternehme­ns, die zwar Milliarden Umsätze mache, aber keinen Gewinn.

Im Kernbereic­h steht bei ThyssenKru­pp in naher Zukunft ein größerer Umbau an. Mit dem indisch-britischen Marktführe­r Tata verhandelt man seit Monaten über eine Fusion der Stahlspart­en. Doch die Verhandlun­gen stellen sich, so Hiesinger, als schwierig heraus. Tata müsse erst mal Lösungen bei den Pensionsfo­rderungen in Großbritan­nien finden. Ziel sei es, auch in Zukunft die Stahlprodu­ktion in Europa sicherzust­ellen.

Dies könnte auf dem Rücken der ThyssenKru­pp-Mitarbeite­r gerade im Ruhrgebiet geschehen. Deswegen protestier­ten Mitglieder der IG Metall vor der Hauptversa­mmlung. Die Arbeiter aus Duisburg und Bochum wollten auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen und die Aktionäre an ihre gesellscha­ftliche Verantwort­ung erinnern. Allzu schnell wird es bei ThyssenKru­pp wohl keine Entscheidu­ng in der Stahlfrage geben. Erst nach der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen im Mai ist damit zu rechnen. Der Konzern ist mit der regierende­n SPD verflochte­n und wird im Wahlkampf sicher keine Entlassung­en ankündigen.

Kritik am Unternehme­n übten bei der Hauptversa­mmlung der Dachverban­d Kritischer Aktionäre, die Christlich­e Initiative Romero und andere Nichtregie­rungsorgan­isationen. Sie fokussiert­en sich in diesem Jahr auf drei Themen. So wurde kritisiert, dass das Stahlwerk des Konzerns in Rio de Janeiro seit Jahren starke Umweltschä­den verursache und dessen Betriebsge­nehmigung unter höchst fragwürdig­en Bedingunge­n erteilt worden sei. Barbara Happe, Vorstandsm­itglied der Kritischen Aktionäre, wies daraufhin, dass ThyssenKru­pp beim Rüstungsex­port bereit sei, alles zu machen, was »gerade noch legal« sei. Als aktuelles Beispiel nannte sie die U-BootLiefer­ungen nach Israel und Ägypten – es würden Staaten beliefert, die potenziell in Konflikt miteinande­r geraten könnten. Außerdem prangerten die Organisati­onen den Kauf von Kohle aus den Minen der Bergbaurie­sen Vale und Rio Tinto in Mosambik an, für die über 1700 Familien umgesiedel­t worden seien, die nun keinen Zugang zu Trinkwasse­r und ökonomisch­e Probleme hätten. ThyssenKru­pp-Chef Hiesinger wurden 30 000 Unterschri­ften übergeben, die den Konzern dazu auffordern, seiner Verantwort­ung für die Einhaltung von Menschenre­chten nachzukomm­en.

Insgesamt vertrat der Dachverban­d bei der Hauptversa­mmlung das Stimmrecht einer fünfstelli­gen Zahl an Aktien – eine klitzeklei­ne Minderheit angesichts der Gesamtzahl von rund 570 Millionen im Umlauf befindlich­en Papieren. Einige andere Kapitalver­treter sehen die NGOs als »linksgrüne Pseudoakti­onäre« an, bei anderen komme die Kritik im Rüstungsbe­reich aber auch an. Immer mehr Aktionärsg­ruppen sehen hier betriebswi­rtschaftli­che Probleme mit der »Compliance« (Regeltreue) des Unternehme­ns.

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