Niemand möchte Stürze sehen
Das Eiskunstlaufpaar Sawtschenko/Massot scheut das Risiko und wird dafür mit EM-Silber belohnt
Manchmal ist weniger mehr: Ohne den dreifachen Wurfaxel brillieren die Oberstdorfer Eiskunstläufer Aljona Sawtschenko und Bruno Massot in ihrer Kür. Das reicht am Ende für EM-Silber. Für Alexander König war die Leistung der lange verletzten Aljona Sawtschenko schlicht »übermenschlich«. »Nach dieser langen Strecke mit der schweren Knöchelverletzung landet Aljona jeden Wurf auf einem Fuß, Wahnsinn!«, sagte er. Der Trainer von Sawtschenko und Bruno Massot war hin und weg nach der Silbermedaille seines Duos bei der Eiskunstlauf-EM in Ostrava. »Für diese Situation war unser Lauf Gold wert«, betonte die fünfmalige Weltmeisterin und war selbst gerührt von der eigenen Kür: »Wenn alle Elemente da sind, ist es ein kleines Kunstwerk.«
Acht Wochen Pause nach dem Innenbandriss beim dreifachen Wurfaxel im Grand Prix, beide Partner grippekrank im neuen Jahr und zuletzt nur zwei Wochen Vorbereitung auf den ersten Saisonhöhepunkt – die Medaille schien fast aussichtslos. »Es hat richtig Spaß gemacht, da stimmte alles. Das sind Kämpfer«, schwärmte nun Elke Treitz, Vizepräsidentin der Deutschen Eislauf-Union (DEU), kurz vor Mitternacht in der Ostravar Arena. Sawtschenko bedankte sich überschwänglich, und bei ihrer Mentorin flossen Tränen.
Treitz hat einen nicht ganz unerheblichen Anteil an diesem Erfolg. Trotz des Handicaps wollte Sawtschenko den dreifachen Wurfaxel zeigen, Treitz fuhr extra nach Oberstdorf und überzeugte die viermalige Europameisterin davon, keine neuen Risiken einzugehen. Die Verletzungsgefahr sei zu hoch. Sawtschenko hörte ausnahmsweise auf den Rat und landete einen astreinen Doppelaxel.
Den romantischen Titel »Lighthouse« von Patrick Watson interpretierten Sawtschenko und Massot zudem mit einer Leichtigkeit, die die 10 000 Zuschauer in der ausverkauften Halle von den Sitzen riss. Es zahlte sich aus, die Choreographie zusammen mit dem Eistänzer John Kerr in Florida zu erarbeiten. »Das ist Kunst«, fasste es König zusammen. Vom Preisgericht gab es sogar dreimal die Höchstnote zehn für die Interpretation.
Auch Sawtschenkos ehemaliger Partner Robin Szolkowy zollte der besten Kür des Abends Respekt: »Es ist schön, so ein gutes Paar ohne die Topschwierigkeiten zu sehen. Man wartet nicht ständig auf Stürze.« Der Ex-Weltmeister heimste mit den neuen Europameistern Jewgenia Tarasowa und Wladimir Morosow seinen ersten großen Erfolg als Trainer ein. Die jungen Russen liefen technisch perfekt, nur der Ausdruck blieb blass. Wäre Sawtschenko im Kurzprogramm nicht gestürzt, wäre auch der Kampf um Gold knapp geworden.
»Wir sind wieder da«, betonte Massot. »Nun tun wir alles, um zu gewinnen.« Der Franzose strahlte zwei Tage vor seinem 28. Geburtstag. Die Entscheidung, mit der als überehrgeizig geltenden gebürtigen Ukrainerin zusammenzuarbeiten und dafür jetzt für Deutschland zu starten, hat er nie bereut. Keine Paarläuferin kann in der Interpretation der Musik mit ihr mithalten. Und auch der anfangs ein wenig hölzern wirkende Massot ist an ihrer Seite gewachsen.
Zwei Wochen werden beide jetzt bei lukrativen Shows in der Schweiz ihren Erfolg genießen, dann wird wieder hart auf die Weltmeister- schaften Ende März in Helsinki hingearbeitet. »Da werden wir wohl den dreifachen Wurfaxel zeigen«, kündigte König an. Vorher steht für Massot aber noch ein anderer Pflichttermin an: Am 18. März muss er in Sonthofen zum Deutschtest. Besteht er ihn, steht der Einbürgerung für das große Ziel Olympiagold 2018 in Südkorea nichts mehr im Wege.