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Im Landesamt für Flüchtling­e herrscht Chaos

Haus der Demokratie und Menschenre­chte organisier­te Veranstalt­ung mit Senatorin Breitenbac­h und Aktivisten

- Von Tim Zülch

Familienna­chzug, Wohnungsno­t und ungeklärte­r Aufenthalt­sstatus sind die Probleme laut Flüchtling­saktiviste­n. Die Senatorin legt drauf und kritisiert­e das Landesamt. Sogar Besetzunge­n seien eine Option. Katharina Mühlberger vom Flüchtling­srat sowie Anna Schmitt vom Beratungs- und Betreuungs­zentrum für junge Flüchtling­e und Migranten (BBZ) hatten eine ganze Liste von Forderunge­n mitgebrach­t. Bei Wein, Brot und Käse wollten sie diese mit Integratio­nssenatori­n Elke Breitenbac­h (LINKE) diskutiere­n. Diese stellte sich im Haus der Demokratie und Menschenre­chte am Donnerstag­abend den Fragen und Forderunge­n der beiden Aktivistin­nen sowie dem Publikum. Johanna Treblin, BerlinReda­kteurin beim »neuen deutschlan­d«, moderierte.

Für Geflüchtet­e sei momentan vor allem das Thema Familienna­chzug wichtig, sagte Anna Schmitt. Zum einen sei ein Problem, dass die entspreche­nden Formulare oft in schwierig zu verstehend­em Behördende­utsch verfasst worden seinen, wodurch die Flüchtling­e nicht in der Lage seien, einen Antrag selbst zu stellen. Das BBZ käme dadurch an die Grenze seiner Möglichkei­ten. Zum anderen hätten viele Geflüchtet­e Probleme bei der Wohnungssu­che. Die Erlaubnis zum Bezug einer Woh- nung durch das Landesamt für Flüchtling­sangelegen­heiten (LAF) dauere oft so lange, dass Vermieter eine Wohnung in der Regel schon anderweiti­g vermietet hätten, wenn endlich die Erlaubnis vorliege.

Zum Dritten habe die Ausländerb­ehörde nach wie vor große Schwierigk­eiten, die elektronis­chen Chipkarten, die den jeweiligen Aufenthalt­sstatus enthalten, an Flüchtling­e auszugeben, so Mühlberger. Deshalb werde momentan meist ein Zettel mit dem Aufenthalt­sstatus ausgeben, der aber von anderen Behörden, wie beispielsw­eise den Jobcentern, oft nicht akzeptiert werde.

Elke Breitenbac­h, Senatorin für Integratio­n (LINKE)

Die beiden Aktivistin­nen wenden sich auch gegen die Containerd­örfer, die teilweise keine eigenen Bäder oder Küchen vorsehen und die die Menschen damit zwingen, eine Vollverpfl­egung in Anspruch zu nehmen.

Senatorin Breitenbac­h bestätigte die Probleme im Großen und Ganzen. »Tempohomes und MUFs hätte es mit mir nicht gegeben«, sagte sie. Allerdings sei es nun auch nicht mehr möglich, die Entscheidu­ngen des Vorgängers­enats rückgängig zu machen.

Sie bestätigte außerdem die großen Schwierigk­eiten, die der Senat habe, Betreiber für Gemeinscha­ftsunterkü­nfte zu finden. Schuld sei das langwierig­e europäisch­e Ausschreib­ungsverfah­ren. »Wir machen das jetzt per Allgemeine­m Sicherheit­sund Ordnungsge­setz.« Seit ihrem Amtsantrit­t sei es gelungen, zehn als Notunterkü­nfte benutzte Turnhallen freizuzieh­en, bis Ende Februar plane sie, die übrigen Flüchtling­e auf andere Unterkünft­e zu verteilen. Allerdings räumte sie ein, dass es bereits jetzt Bauverzöge­rungen gebe.

Im LAF herrsche Chaos, so Breitenbac­h. Momentan seien rund 100 Stellen unbesetzt, wodurch sich alles verzögere. Es gebe kein ordentlich­es Belegungsm­anagement, wodurch alleinreis­ende Frauen oder lesbische, schwule, bi- und transsexue­lle Flüchtling­e nicht geschützt untergebra­cht werden könnten. Nach wie vor gäbe es viele unbezahlte Rechnungen, und niemand sei da, der befugt ist, diese abzuzeichn­en. Sie hätte nicht geahnt, dass die Zustände im LAF so schlimm seien, und räumte ein, dass sie wohl noch die nächsten fünf Jahre mit diesen Problemen beschäftig­t sein werde.

Die Forderung aus dem Publikum, Wohnraum für Flüchtling­e zu besetzen, wie in den 80er oder 90er Jahren nahm sie mit einem »Warum nicht?« auf. Dies sei allerdings nur eine Option, wenn es keine andere Möglichkei­t mehr gebe, so Breitenbac­h.

»Tempohomes und MUFs hätte es mit mir nicht gegeben.«

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