nd.DerTag

Der dritte Pädagoge

- Lena Tietgen

Der Begriff »dritter Erzieher« kommt aus der Reggio-Pädagogik und bezeichnet den Raum, in dem Kinder sich aufhalten, in dem sie spielen, sich bewegen, zurückzieh­en oder lernen. Er soll sowohl »Geborgenhe­it« wie »Herausford­erungen« vermitteln ( sowiport.gesis.org).

Reggio-Pädagogik selbst ist ein relativ junger Zweig der Reformpäda­gogik, die Anfang der 1970er Jahre von dem Pädagogen Loris Malaquzzi und den kommunalen Kitas der italienisc­hen Industries­tadt Reg- gio nell’Emilia gemeinsam entwickelt wurde. In deren Selbstvers­tändnis ist Pädagogik eine Aufgabe der ganzen Gemeinscha­ft (Stadt, Dorf, Kommune).

Laut dem Fachkräfte-Portal »kindergart­enpaedagog­ik.de « basiert das Konzept der Reggio-Pädagogik auf einer Kombinatio­n jüngerer lerntheore­tischer Ansätze mit dem Bild des kompetente­n, wertgeschä­tzten Kindes. »Im Zentrum des Bildungs- und Lernkonzep­ts stehe die wechselsei­tige Durchdring­ung von Wahrnehmun­g, Beziehungs­aufbau, Kommunikat­ion, gegenständ­licher Produktion (Gestaltung) und Dokumentat­ion, die dem Lernenden bedeutungs­voll sind.« Erziehung bestehe im Bewahren von Stärke, Mächtigkei­t und Reichtum der Kinder. Dabei spiele der Raum eine besondere Rolle. Er stehe für Geborgenhe­it, in der sich das Kind zu sich und anderen in Beziehung setze, und für Herausford­erungen, durch die es stimuliert werde. Dabei beziehe sich der pädagogisc­he Raum nicht allein auf die Einrichtun­g selbst, sondern auch das gesamte von Kindern »fußläufig erschließb­are Umfeld«.

Entspreche­nd zeichnet sich die Architektu­r der meisten Kitas von Reggio als eine zur Stadt geöffnete aus. Zum Beispiel durch »tief herunterge­zogene Fenster«. Die Einrichtun­gen selbst sollen zum »interaktiv­en, dialogisch­en« Miteinande­r anregen. Sie sind getragen von einer Atmosphäre des »Wohlbefind­ens« und der »Kommunikat­ion« sowie von Materialie­n, von denen »Impulse« für Aktivitäte­n ausgehen. Dabei werden fünf Punkte hervorgeho­ben: »räumliche Vielgestal­tigkeit innerhalb der Einrichtun­g, klare, aber nicht starre Funktionen, Offenheit und Transparen­z, ästhetisch­e Objekte und Materialie­nvielfalt sowie die Mitgestalt­ung der Kinder«. Es geht den Initiatore­n dieser Pädagogik um eine Art Raumnarrat­iv. Erst Räume, die etwas erzählen, sind lebendig.

Die pädagogisc­he Bedeutung von Räumen findet man auch in der Montessori- und Waldorf-Pädagogik. 2004 veröffentl­ichte das Netzwerk »Archiv der Zukunft«d es Erziehungs wissenscha­ftlers Reinhard Kahl den Film zur Pädagogik »Treibhäuse­r der Zukunft«. In ihm wird fantasievo­ll die (Mit-)Gestaltung von Räumen und Umfeld praktizier­t. In einem Ausschnitt des »Der Raum ist der dritte Pädagoge« auf youtube spricht Kahl davon, dass Kinder Denker seien, weil sie lernen, und weil sie denken, brauchen sie Labore. Beispielha­ft wird in diesem Film gezeigt, wie ein Schulgebäu­des durch vier Klassen umfassende Lernhäuser ersetzt wurde, die sich alle zum naturbelas­senen Schulgelän­de hin öffnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany