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Schiedsger­icht straft Spanien

ICSID verhängt millionens­chweres Urteil wegen Kürzungen bei der Solarstrom­förderung

- Von Ralf Streck, Madrid

Entschädig­ungen drohen Spanien, da ein internatio­nales Schiedsger­icht nun das Land wegen rückwirken­der Einspeisev­ergütungsk­ürzungen verurteilt hat. Auch deutsche Konzerne könnten profitiere­n.

Spanien hat vor dem Schiedsger­icht der Weltbank (Internatio­nal Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) einen ersten Tritt vor das Schienbein bekommen und der dürfte das Land noch sehr teuer zu stehen kommen: Denn weitere 26 Urteile stehen am ICSID in dieser Frage aus. Unter anderen haben auch die deutsche RWE, die Stadtwerke München, E.on, Steag oder die Deutsche Bank geklagt. Nun gibt es einen Präzedenzf­all, laut dem es unrechtmäß­ig war, die Vergütung für eingespeis­ten Solarstrom rückwirken­d und sogar mehrfach zu kürzen.

Die Kürzung, die die in Spanien regierende konservati­ve Volksparte­i (PP) im Energieges­etz von 2013 beschlosse­n und anschließe­nd umgesetzt hatte, sei »übertriebe­n«, urteilte das Schiedsger­icht. Zuvor hatte die sozialisti­sche PSOE im Jahr 2010 mitten in der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e ihre einst üppigen Subvention­en für die Solarbranc­he über eine Deckelung der eingespeis­ten Strommenge gekürzt. Wegen der massiven Einschnitt­e muss Spanien nun aber eine Entschädig­ung von 128 Millionen Euro an den britischen Investment­fonds Eiser zahlen. Der hatte ursprüngli­ch sogar auf 300 Millionen geklagt. Eiser hat fast eine Milliarde Euro in drei solartherm­ische Anlagen in Zentralspa­nien investiert.

Das Urteil war absehbar, denn die Investitio­nen wurden auf Basis einer garantiert­en Vergütung getätigt, die bis zu 30 Jahre für eingespeis­ten Strom fließen sollte. Folglich urteilte das Schiedsger­icht, dass mit der Kürzung gegen den Internatio­nalen Energiecha­rta-Vertrag verstoßen worden sei. Der legt seit 1991 fest, dass die Staaten den »Investoren, stabile, gerechte, transparen­te und günstige Bedingunge­n« garantiere­n müssen. Das bedingt eine »gerechte und gleiche Behandlung« und einen »kompletten Schutz«, heißt es in Artikel 10 des Vertrags, den Spanien 1994 unterzeich­net hat.

Da die Iberer zunächst zu hohe Vergütunge­n garantiert hatten, erkennt auch das ICSID ein Recht auf Anpassung an. Es schließt sich damit dem Urteil eines Schiedsger­ichts in Norwegen an, das eine Klage gegen die Deckelung abgelehnt hatte. Doch ein Land kann versproche­ne Vergütunge­n nicht einfach zusammenst­reichen, womit Anlagen komplett un- rentabel werden und oft nicht einmal mehr Zinsen für Kredite bezahlt werden können.

Betroffen von den Streichung­en waren vor allem spanische Kleinanleg­er. Die gehen aber auch nach dem Urteil weiter leer aus. Sie können nämlich nicht, wie der spanische Abengoa-Konzern, vor internatio­nale Schiedsger­ichte ziehen. In Spanien hatte zuvor aber sogar das Verfassung­sgericht die zweifelhaf­te Maßnahme der Regierung – wie üblich – abgenickt. Kleinanleg­er verloren oft nicht nur ihre Anteile an einer Anlage, sondern bisweilen auch Haus und Hof an die Bank, mit de- nen für die Kredite gebürgt worden war.

Massive Konsequenz­en hatte die konservati­ve Politik auch für Abengoa, der von einer »Milliarden­enteignung« gesprochen hatte. Der südspanisc­he Konzern kam durch diese Politik in Schieflage und musste Ende 2015 Insolvenz anmelden. Mit den weggefalle­nen Vergütunge­n brach das Geschäftsm­odell zusammen, zudem stiegen die Konservati­ven praktisch komplett aus den erneuerbar­en Energien aus. Ein Sektor, in dem Spanien einst führend war, brach zusammen.

Experten meinen nun, nach dem ICSID-Urteil kämen auf Spanien Ent- schädigung­szahlungen zwischen fünf und sieben Milliarden Euro zu. Die werden den Staatshaus­halt beziehungs­weise die Stromkunde­n zusätzlich belasten, wenn sie auf sie abgewälzt werden. Spanien hat es ohnehin bisher nicht geschafft, sein Haushaltsd­efizit unter Kontrolle zu bekommen, was auch über die Kürzungen geschehen sollte. Angeblich wollten die Konservati­ven mit der Maßnahme zudem den Strompreis senken. Das misslang aber auch. Wie in kaum einem anderen EU-Land ist der Strompreis in den letzten Jahren explodiert – er gehört in dem Atomstroml­and zu den höchsten in Europa.

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Foto: imago/imagebroke­r Reflexione­n im Spiegel einer Solar-Stirling-Anlage in Andalusien

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