Vorsicht: Subversive Elemente
Die KP in den USA ist winzig. Dennoch ist derzeit wieder ein Erstarken des Antikommunismus zu beobachten
Noch vor kurzer Zeit haben Millionen Amerikaner den Sozialisten Bernie Sanders unterstützt. Nun wird wieder die Angst vor der roten Gefahr geschürt.
Kommunisten dürfen in US-Bundesstaaten wie Kalifornien nicht im öffentlichen Dienst arbeiten. Politiker der Demokratischen Partei haben versucht, dieses Verbot zu kippen – vergeblich. Die USA erleben ein Comeback des Antikommunismus, der Kommunisten auch dort am Werk sieht, wo sich bürgerliche Freiheitsrechte äußern. Wenn man dafür einmal US-Präsident Donald Trump nicht persönlich die Schuld geben muss – ohne ihn und die lebhaften wie verdrängten Russlandkontakte seines Zirkels gäbe es die neue Welle der »Roten Angst« (Red Scare) beziehungsweise der Roten Gefahr wohl kaum.
Die amerikanische Autorin Julia Carrie Wong machte im »Guardian« soeben diese Beobachtung: »Gebannt davon, wie Russland den täglichen Nachrichtenkreislauf antreibt, kochen die Gefühle des Kalten Krieges wieder hoch – und dies trotz der Tatsache, dass unser einstmaliger Feind heute entschieden kapitalistisch ist. Die Woge bedeutet eine Umkehr zu dem, was wir vor Jahresfrist erlebten, als erstaunlich viele Amerikaner die Präsidentschaftskandidatur eines selbsterklärten Sozialisten begrüßten. Und sie erinnert daran, wie tief in der amerikanischen Psyche das antikommunistische Misstrauen wurzelt.«
Gewiss sind die aktuellen Fälle nicht so gravierend wie in den Groß- perioden roten Fieberwahns, als – im ersten Fall – die Angst vor kommunistischer Ansteckung vor allem von der Oktoberrevolution 1917 herrührte und im zweiten Fall – zu Beginn des Kalten Krieges in den frühen 1950er Jahren – von der im Weltkrieg siegreichen Sowjetunion entfacht und von Kommunistenjäger Senator Joseph McCarthy in den Zustand der Dauerhysterie gehoben wurde.
Aber es gibt neue Beispiele, eines der jüngsten aus Kalifornien. Im dortigen Repräsentantenhaus trat der republikanische Abgeordnete Travis Allen ans Mikro und erteilte »dem Kommunismus« eine Abfuhr. »Subversiven Elementen und bekennenden Kommunisten heute zu gestatten, für den Staat Kalifornien zu arbeiten«, schäumte er, »ist eine Beleidigung der Kalifornier, die die Regierung bezahlen.« Anlass für Allens Auftritt: Er wies einen Entwurf zurück, mit dem die Bestimmung getilgt werden sollte, dass Mitglieder der kommunistischen Partei kein Amt im öffentlichen Dienst im Bundesstaat einnehmen dürfen.
Nach diesem Widerstand gab der Initiator des Entwurfs, der Demokrat Rob Bonta, bekannt, dass er die Vorlage nicht weiter verfolgen werde. »Ich bin als Commie beschimpft worden. Man hat mich aufgefordert, nach China zu gehen, und ich habe Todesdrohungen erhalten«, erklärte er dem »Guardian«. Ihm sei unbegreiflich, wie sich sein Kollege die Flagge überstülpe, um ein Gesetz zu erhalten, »das eklatant den ersten Verfassungszu- satz der USA und sein Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt«.
Bontas Versuch, Kaliforniens Gesetzgebung ins 21. Jahrhundert zu holen, war nicht der erste gescheiterte Anlauf. Im Jahr 2008 hatte es einen ähnlichen Vorstoß gegeben. Damals war der Entwurf sogar von der Parlamentsmehrheit angenommen, zuletzt aber mit dem Veto von Gouverneur Arnold Schwarzenegger gekippt worden. In seiner Begründung
befand der »Terminator«-Darsteller: »Ich sehe keinen Anlass, ein Gesetz zu ändern, das unsere Verpflichtung beschreibt, dafür zu sorgen, dass öffentliche Mittel nicht für den Sturz der US- beziehungsweise einer bundesstaatlichen Regierung oder aber für kommunistische Umtriebe eingesetzt werden.«
Auch Gesetzgeber in anderen Bundesstaaten teilen das Schicksal Bontas. Der Demokraten-Abgeordnete Joe Fitzgibbon aus dem nordwestlichen Bundesstaat Washington hat in den letzten fünf Jahren drei Mal versucht, ein Gesetz abzuschaffen, das Kommunisten die Beschäftigung im öffentlichen Dienst verbietet und sogar die Teilnahme an Wahlen untersagt. Bisher ergebnislos, seine Anläufe scheiterten regelmäßig an den Republikanern.
Fitzgibbons nennt die Regelung »ein Schandmal für den Staat Washington«. Er will weiter kämpfen und fragt: »Jetzt, da die Republikaner eine andere Meinung zu Russland haben, könnten sie vielleicht etwas nachdenklicher werden. Ich hoffe, sie sind nicht länger dafür, Menschen wegen ihrer politischen Ansichten zu diskriminieren. Vielleicht können sie darüber ja sogar mal mit ihren russischen Freunden reden.«
Eigentlich ist es Mitgliedern der KP der USA in jedem Bundesstaat gestattet, Regierungsfunktionen auszuüben. Jedenfalls sind entsprechende Gesetze im 20. Jahrhundert verabschiedet worden. Das Oberste Gericht hat sie später jedoch als verfassungsfeindlich erklärt und damit de facto wieder aufgehoben.
Auch bei der Einbürgerung von Einwanderern, namentlich seit Trumps fremdenfeindlichen Tiraden im Wahlkampf wie im Weißen Haus, greift die »Rote Angst« wieder verstärkt. Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei im Herkunftsland kann bis heute ein ernstes Hindernis für die Erlangung der USStaatsbürgerschaft sein. Einwande- rer, die US-Bürger werden wollen, haben dabei stets die Beweislast auf ihrer Seite: dafür, dass sie »eine gefestigte Beziehung zur Verfassung« besitzen oder dafür, dass sie »eine wohlwollende Haltung gegenüber der guten Ordnung der Vereinigten Staaten« haben. Wen das irritiert, fragt der auf Einwanderungsthemen spezialisierte Anwalt Gary Chodorow: »Did you think the Cold War was over?« (Haben Sie geglaubt, dass der Kalte Krieg vorbei ist?)
Diese Frage drängte sich besonders oft in den Präsidentschaftsjahren Barack Obamas auf. Man erinnere sich zum Beispiel daran, wie die jetzt von Donald Trump zum Abschuss freigegebene Gesundheitsreform (»Obamacare«) seinerzeit von Republikanern wiederholt wechselweise als »faschistisch« oder »kommunistisch« geschmäht wurde. Der erste schwarze Präsident selbst wurde wieder und wieder als »Faschist«, »Stalinist« oder »Kommunist« tituliert.
Die KP der USA ist nach einigen der jüngsten Beispiele antikommunistischer Hysterie um eine Reaktion gebeten worden. Rossana Cambron, Führungsmitglied der Partei, die – in einem Land mit gegenwärtig rund 326 Millionen Einwohnern – zwischen 2500 und 5000 Mitglieder haben soll, sagte, das Scheitern jüngster Vorstöße gegen Berufsverbote sei »sehr enttäuschend«. »Wir lassen uns davon aber nicht entmutigen, denn wir haben jetzt alle Hände voll zu tun, gegen Trump zu kämpfen.«
»Subversiven Elementen und bekennenden Kommunisten zu gestatten, für den Staat Kalifornien zu arbeiten, ist eine Beleidigung der Kalifornier, die die Regierung bezahlen.« Travis Allen, Republikaner