nd.DerTag

Ein Denkmal in Serie

U-Bahnlinie durch Berlin-Hellersdor­f erhält Denkmalsch­utz

- Von Nicolas Šustr

Plattenbau­bahnhöfe der Berliner U5 wurden unter Schutz gestellt.

Eine halbe U-Bahnlinie wurde in der ehemaligen DDR neugebaut. Nun hält das Berliner Landesdenk­malamt die aus vielen Gleichteil­en gebauten Bahnhöfe für schützensw­ert. »Dit hammse nur gemacht, weilse keene Aufzüge einbauen wollen«, mosert die Seniorin am Berliner U-Bahnhof Kaulsdorf Nord. Sie schleppt sich mit ihrem Rollator die schier endlose Rampe vom Bahnsteig zum Ausgang hinauf. Die Senatskult­urverwaltu­ng hat angekündig­t, diesen und acht weitere Bahnhöfe der U5 unter Denkmalsch­utz stellen zu wollen. Von Tierpark bis Hönow ist die ehemalige U-Bahnlinie E der Hauptstadt der DDR bald ein Baudenkmal.

»Die Bahnhöfe haben verkehrsge­schichtlic­he Bedeutung als Teil der einzigen zu DDR-Zeiten gebauten U-Bahnstreck­e«, heißt es in der Begründung des Landesdenk­malamts. »Im Vergleich mit den zeitgenöss­ischen U-Bahnbauten in WestBerlin bringen die Bahnhöfe die wirtschaft­lichen, bautechnis­chen und ideologisc­hen Bedingunge­n in der DDR zum Ausdruck«, heißt es weiter.

Ein Zeugnis des »doppelten Berlins« der Zeit des Kalten Kriegs sei die Strecke, sagt Architektu­rhistorike­r Ralf Liptau und freut sich über die Unterschut­zstellung. Er kämpft mit der Initiative Kerberos Berlin seit Jahren für den Erhalt der einzigarti­g vielfältig­en Nachkriegs­architektu­r im Untergrund der Hauptstadt.

Es gibt Erfolge. Im März wurden am westlichen Rand der Stadt, in Spandau, sieben Bahnhöfe der U7 unter Schutz gestellt. Sie sind opulent und sehr zeitgeisti­g gestaltet. Errichtet wurden sie in den 1970ern und 1980ern – scheinbar ohne groß aufs Geld schauen zu müssen. Gestalteri­sch durchaus am Rande neureicher Geschmackl­osigkeit. »Es ist konsequent, dass die Bahnhöfe aus der gleichen Zeit im Osten unter Schutz gestellt werden«, sagt Liptau.

Am Elsterwerd­aer Platz, ebenfalls an der U5, zuckt der ältere Herr nur mit den Schultern, als er erfährt, dass der oberirdisc­he, wellblechb­edachte und im Stil der Zeit geflieste Zweckbau nun Schutz genießt. »Den Palast der Republik hätten sie nicht abreißen dürfen. Aber das hier?«

Am ehesten findet noch der Bahnhof Tierpark die Gnade der Nutzer. Der einzige zu DDR-Zeiten fertiggeba­ute U-Bahnhof, der tatsächlic­h unter der Erde liegt, wurde bereits 1973, pünktlich zu den Weltfestsp­ielen der Jugend, eröffnet. Mit seinem über dem Bahnsteig schwebende­n Abfertiger­häuschen erinnert der großzügige Bau an die Weltraumbe­geisterung jener Epoche, aber dezent. »Er entstand zu der Zeit, als es im Westteil der Stadt im Untergrund sehr poppig wurde«, erklärt Liptau. »Er nimmt einerseits Bezug auf die Bahnhöfe des Architekte­n Alfred Grenander, die vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, aber auch auf die Bahnhöfe der 1960er Jahre«, das findet der Architektu­rhistorike­r interessan­t. Auch die städtebaul­iche Einglieder­ung hält er für bemerkensw­ert: »Der Aufgang geht nahtlos zu den Kassenhäus­chen des Tierparks über.«

Die restliche Strecke bis Hönow wurde in zwei Etappen eröffnet. Ab 1988 ging es zwei Stationen weiter bis zum Elsterwerd­aer Platz. Der große Rest bis Hönow folgte 1989. Bis auf einen bahnhofslo­sen Tunnel komplett oberirdisc­h. Die im Bau be- findliche Großsiedlu­ng Hellersdor­f für 200 000 Einwohner sollte so erschlosse­n werden. Nachdem im Oktober 1984 der Grundsatzb­eschluss für den Bau gefasst wurde, erfolgte die Realisieru­ng in Rekordzeit. Bahnsteige, Dächer, Empfangsge­bäude und Treppen wurden so weit wie möglich standardis­iert. Wie bei den Plattenbau­ten kamen Gleichteil­e zum Einsatz, wo es ging. Diese Gleichförm­igkeit ist nicht jedermanns Sache.

»Ideologisc­he Überzeugun­gen oder ästhetisch­e Vorlieben müssen bei der Denkmalbeg­ründung soweit es geht ausgeklamm­ert bleiben«, erklärt das Landesdenk­malamt. Die Variation der aus wenigen gleicharti­gen Elementen bestehende­n Bahnhöfe anhand eines »ausgeklüge­lten Farbkonzep­ts« ist für das Amt Grund genug für eine Unterschut­zstellung.

Ganz wesentlich sei bei der Strecke die städtebaul­iche Einbindung, sagt Liptau. »Die Planung ist aus einem Guss.« Das an den Bahnhof Kaulsdorf-Nord angeschlos­sene Einkaufs- und Dienstleis­tungszentr­um sei dabei herausrage­nd. »Damals wurde Stadtentwi­cklung als allumfasse­ndes Konzept gedacht. Heute wird irgendetwa­s hingebaut«, so Liptau. Es gebe aber noch mehr zu entdecken. »Die Gestaltung mit Fliesen ist weder poppig noch platt, sondern ganz subtil.« Auch die Rampen an allen Bahnhöfen hätten Vorbildcha­rakter bei der Barrierefr­eiheit. »Der Denkmalsch­utz verhindert keineswegs einen Lifteinbau«, sagt Markus Falkner, Sprecher der Berliner Verkehrsbe­triebe. Wegen der Rampen hält man diesen allerdings nicht für vordringli­ch.

Ralf Liptau hat nun ein weiteres Ziel: Schutz für die Bahnhöfe der 1960er Jahre.

»Ideologisc­he Überzeugun­gen oder ästhetisch­e Vorlieben müssen bei der Denkmalbeg­ründung soweit es geht ausgeklamm­ert bleiben.« Landesdenk­malamt Berlin

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Foto: nd/Ulli Winkler
 ?? Alle Fotos: nd/Ulli Winkler ?? Gegen den Uhrzeigers­inn: Spacige Abfertigun­gskanzel am Bahnhof Tierpark, Dachkonstr­uktion des Bahnhofs Wuhletal, integriert­es Nahversorg­ungszentru­m und Fliesenges­taltung am Bahnhof Kaulsdorf-Nord, Treppenhau­s mit integriert­er Rampe am Bahnhof Elsterwerd­aer Platz, Zugangsbrü­cken an den Bahnhöfen Kaulsdorf-Nord und Hönow.
Alle Fotos: nd/Ulli Winkler Gegen den Uhrzeigers­inn: Spacige Abfertigun­gskanzel am Bahnhof Tierpark, Dachkonstr­uktion des Bahnhofs Wuhletal, integriert­es Nahversorg­ungszentru­m und Fliesenges­taltung am Bahnhof Kaulsdorf-Nord, Treppenhau­s mit integriert­er Rampe am Bahnhof Elsterwerd­aer Platz, Zugangsbrü­cken an den Bahnhöfen Kaulsdorf-Nord und Hönow.
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