Ein Denkmal in Serie
U-Bahnlinie durch Berlin-Hellersdorf erhält Denkmalschutz
Plattenbaubahnhöfe der Berliner U5 wurden unter Schutz gestellt.
Eine halbe U-Bahnlinie wurde in der ehemaligen DDR neugebaut. Nun hält das Berliner Landesdenkmalamt die aus vielen Gleichteilen gebauten Bahnhöfe für schützenswert. »Dit hammse nur gemacht, weilse keene Aufzüge einbauen wollen«, mosert die Seniorin am Berliner U-Bahnhof Kaulsdorf Nord. Sie schleppt sich mit ihrem Rollator die schier endlose Rampe vom Bahnsteig zum Ausgang hinauf. Die Senatskulturverwaltung hat angekündigt, diesen und acht weitere Bahnhöfe der U5 unter Denkmalschutz stellen zu wollen. Von Tierpark bis Hönow ist die ehemalige U-Bahnlinie E der Hauptstadt der DDR bald ein Baudenkmal.
»Die Bahnhöfe haben verkehrsgeschichtliche Bedeutung als Teil der einzigen zu DDR-Zeiten gebauten U-Bahnstrecke«, heißt es in der Begründung des Landesdenkmalamts. »Im Vergleich mit den zeitgenössischen U-Bahnbauten in WestBerlin bringen die Bahnhöfe die wirtschaftlichen, bautechnischen und ideologischen Bedingungen in der DDR zum Ausdruck«, heißt es weiter.
Ein Zeugnis des »doppelten Berlins« der Zeit des Kalten Kriegs sei die Strecke, sagt Architekturhistoriker Ralf Liptau und freut sich über die Unterschutzstellung. Er kämpft mit der Initiative Kerberos Berlin seit Jahren für den Erhalt der einzigartig vielfältigen Nachkriegsarchitektur im Untergrund der Hauptstadt.
Es gibt Erfolge. Im März wurden am westlichen Rand der Stadt, in Spandau, sieben Bahnhöfe der U7 unter Schutz gestellt. Sie sind opulent und sehr zeitgeistig gestaltet. Errichtet wurden sie in den 1970ern und 1980ern – scheinbar ohne groß aufs Geld schauen zu müssen. Gestalterisch durchaus am Rande neureicher Geschmacklosigkeit. »Es ist konsequent, dass die Bahnhöfe aus der gleichen Zeit im Osten unter Schutz gestellt werden«, sagt Liptau.
Am Elsterwerdaer Platz, ebenfalls an der U5, zuckt der ältere Herr nur mit den Schultern, als er erfährt, dass der oberirdische, wellblechbedachte und im Stil der Zeit geflieste Zweckbau nun Schutz genießt. »Den Palast der Republik hätten sie nicht abreißen dürfen. Aber das hier?«
Am ehesten findet noch der Bahnhof Tierpark die Gnade der Nutzer. Der einzige zu DDR-Zeiten fertiggebaute U-Bahnhof, der tatsächlich unter der Erde liegt, wurde bereits 1973, pünktlich zu den Weltfestspielen der Jugend, eröffnet. Mit seinem über dem Bahnsteig schwebenden Abfertigerhäuschen erinnert der großzügige Bau an die Weltraumbegeisterung jener Epoche, aber dezent. »Er entstand zu der Zeit, als es im Westteil der Stadt im Untergrund sehr poppig wurde«, erklärt Liptau. »Er nimmt einerseits Bezug auf die Bahnhöfe des Architekten Alfred Grenander, die vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, aber auch auf die Bahnhöfe der 1960er Jahre«, das findet der Architekturhistoriker interessant. Auch die städtebauliche Eingliederung hält er für bemerkenswert: »Der Aufgang geht nahtlos zu den Kassenhäuschen des Tierparks über.«
Die restliche Strecke bis Hönow wurde in zwei Etappen eröffnet. Ab 1988 ging es zwei Stationen weiter bis zum Elsterwerdaer Platz. Der große Rest bis Hönow folgte 1989. Bis auf einen bahnhofslosen Tunnel komplett oberirdisch. Die im Bau be- findliche Großsiedlung Hellersdorf für 200 000 Einwohner sollte so erschlossen werden. Nachdem im Oktober 1984 der Grundsatzbeschluss für den Bau gefasst wurde, erfolgte die Realisierung in Rekordzeit. Bahnsteige, Dächer, Empfangsgebäude und Treppen wurden so weit wie möglich standardisiert. Wie bei den Plattenbauten kamen Gleichteile zum Einsatz, wo es ging. Diese Gleichförmigkeit ist nicht jedermanns Sache.
»Ideologische Überzeugungen oder ästhetische Vorlieben müssen bei der Denkmalbegründung soweit es geht ausgeklammert bleiben«, erklärt das Landesdenkmalamt. Die Variation der aus wenigen gleichartigen Elementen bestehenden Bahnhöfe anhand eines »ausgeklügelten Farbkonzepts« ist für das Amt Grund genug für eine Unterschutzstellung.
Ganz wesentlich sei bei der Strecke die städtebauliche Einbindung, sagt Liptau. »Die Planung ist aus einem Guss.« Das an den Bahnhof Kaulsdorf-Nord angeschlossene Einkaufs- und Dienstleistungszentrum sei dabei herausragend. »Damals wurde Stadtentwicklung als allumfassendes Konzept gedacht. Heute wird irgendetwas hingebaut«, so Liptau. Es gebe aber noch mehr zu entdecken. »Die Gestaltung mit Fliesen ist weder poppig noch platt, sondern ganz subtil.« Auch die Rampen an allen Bahnhöfen hätten Vorbildcharakter bei der Barrierefreiheit. »Der Denkmalschutz verhindert keineswegs einen Lifteinbau«, sagt Markus Falkner, Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe. Wegen der Rampen hält man diesen allerdings nicht für vordringlich.
Ralf Liptau hat nun ein weiteres Ziel: Schutz für die Bahnhöfe der 1960er Jahre.
»Ideologische Überzeugungen oder ästhetische Vorlieben müssen bei der Denkmalbegründung soweit es geht ausgeklammert bleiben.« Landesdenkmalamt Berlin