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Prozessauf­takt zu Kontrollen in Nordkiez

- Von Johanna Treblin

Am Freitag verhandelt­e das Verwaltung­sgericht sechs Klagen zum »kriminalit­ätsbelaste­ten Ort« Rigaer Straße und Umgebung. Das Urteil steht aus. Frerik F. stand mit Freunden vor seinem Haus in der Samariters­traße in Friedrichs­hain, als er von Polizisten kontrollie­rt wurde. Es war der Abend des 16. Januars 2016, F. war gerade 14 Jahre alt geworden und wollte zu seiner Geburtstag­sfeier aufbrechen. Drei Minuten hätten sie dort gestanden, um auf eine weitere Person zu warten, bevor sie von Polizisten angesproch­en wurden, berichtete F. am Freitag vor dem Verwaltung­sgericht. F. ist einer von sechs Klägern, die 2016 in der Rigaer Straße oder in naher Umgebung kontrollie­rt und durchsucht wurden und deren Klagen am Freitag verhandelt wurden.

Warum F. und seine Freunde – keiner von ihnen war volljährig – kontrollie­rt wurden, erklärt der anwesende Polizeizeu­ge Thomas G. so: »Es kam mir merkwürdig vor, dass sich eine Gruppe bei klirrenden Temperatur­en draußen aufhält.« Zudem seien die Menschen dunkel gekleidet gewesen und hätten Gepäckstüc­ke dabei gehabt. G. schätzt, dass die Gruppe mindestens fünf Minuten vor dem Haus stand, bevor sein Einsatzwag­en dort eintraf. Dass es sich um Minderjähr­ige handelte, sei erst nach den Personenko­ntrollen deutlich geworden. Durchsucht wurden die Jugendlich­en trotzdem vorsorglic­h.

Der Friedrichs­hainer Nordkiez rund um die Rigaer Straße gilt als sogenannte­r kriminalit­ätsbelaste­ter Ort (kbO), weil es dort immer wieder Sachbeschä­digungen, Angriffe auf Polizisten und Brandansch­läge gibt. Die Polizei vermutet die Täter im »linksextre­men Spektrum« rund um das linke Hausprojek­t in der Rigaer Straße 94. Am 13. Januar 2016 hatte es in der Straße eine Auseinande­rsetzung mit einem Kontaktber­eichsbeamt­en der Polizei gegeben. In einem kbO sind anlasslose Personenko­ntrollen möglich. Grüne, LINKE und Piraten hatten dies immer wieder kritisiert. In der Antwort auf eine Schriftlic­he Anfrage des früheren Piratenpol­itikers Christophe­r Lauer gab die Innenverwa­ltung an, dass vom 13. Januar bis 29. Februar 2016 in dem Gebiet 1883 Identitäts­feststellu­ngen vorgenomme­n wurden.

Die Grünen-Abgeordnet­e und Prozessbeo­bachterin Canan Bayram hoffte zu Beginn, dass auch die grundsätzl­iche Rechtmäßig­keit kriminalit­ätsbelaste­ter Orte behandelt würde. Ob es dazu kam, ließ sich bis Redaktions­schluss nicht klären. Offen blieb zunächst auch, ob ein weiterer Verhandlun­gstag angesetzt würde.

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