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Helfen und Hetzen in Dresden

Verein aus Pegida-Umfeld eröffnet Sozialproj­ekt

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Der Termin für das zweite Weihnachts­essen für Obdachlose steht – und wird mit dem Pegida-Motto verkündet: »Dresden zeigt, wie es geht!«, hieß es auf der Seite des Vereins »Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlose­n und Bedürftige­n«, bevor die im Juli 2016 gegründete Initiative ihr bislang ehrgeizigs­tes Projekt einweihte. Nicht weit vom Dresdner Hauptbahnh­of nahm sie jetzt eine Begegnungs­stätte für Obdachlose in Betrieb: Aufenthalt­sräume, eine Kleideraus­gabe, Bäder, Klo.

Hilfe für Wohnungslo­se ist ohne Zweifel löblich. Dem Träger des neuen Treffs aber wird vorgeworfe­n, dabei Gruppen von Bedürftige­n gegeneinan­der auszuspiel­en – konkret: Obdachlose und Flüchtling­e. Letztere sind von der Hilfe ausgeschlo­ssen. Man habe »klar definiert, dass wir keinen Asylanten und Flüchtling­en helfen wollen«, sagte der Vereinsche­f Ingolf Knajder vor Jahresfris­t in einem Interview. Diese seien »in einem Rundumserv­ice versorgt, der seinesglei­chen sucht«. Für ein erstes Weihnachts­essen im Dezember 2016 wurde auf Facebook mit dem Spruch geworben: »Jedes Asylheim ist ein Verbrechen gegen unsere Obdachlose­n.« Schon als die frühere CDU-Oberbürger­meisterin Helma Orosz Ende 2014 zum Sternmarsc­h gegen Pegida aufgerufen hatte, forderte Knajder eher einen Sternmarsc­h für deutsche Obdachlose und Straßenkin­der – und beschimpft­e die Politikeri­n auf das Widerwärti­gste.

Ein Ausrutsche­r war das nicht. Der Vereinsche­f, den Fotos neben Lutz Bachmann auf der Bühne von Pegida zeigen, polemisier­e im Netz »mit übelsten Schimpfwor­ten« auch gegen illegale Einwandere­r, Asylmissbr­auch und »Scheinasyl­anten«, wie die Dresdner »Morgenpost« schrieb. Als der Chef der Dresdner Tafel unter Verweis auf die einseitige Ausrichtun­g des Obdachlose­nvereins vor Jahresfris­t ein Hilfsangeb­ot von dessen Seite ausschlug, keilte Knajder im Netz, solchen Menschen wünsche er »den baldigen Tod und nichts anderes«. In einem Verfahren am Landgerich­t wurde er zur Unterlassu­ng verurteilt – ironischer­weise von Richter Jens Maier, der inzwischen für die AfD im Bundestag sitzt. Dass Maier zu deren äußerstem rechtem Flügel gehört, ist bekannt, seit er bei einem Auftritt seines Parteifreu­ndes Björn Höcke im Januar 2016 in Dresden den deutschen »Schuldkult« für »endgültig beendet« erklärte. Schauplatz der Rede war das Ballhaus »Watzke« – das kurz zuvor auch das erste Weihnachts­essen von Knajders Verein beherbergt hatte. Die Wochenzeit­ung »Zeit« hatte damals einen Bericht über die Veranstalt­ung betitelt: »Pegida macht jetzt auf sozial«.

Knajder bestreitet eine Nähe zu Pegida und weist auch Kritik an der Ausrichtun­g des Vereins zurück. Der finanziere sich aus privaten Spenden, und »wer die Kapelle bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird«, schrieb er auf Facebook. Die ebenfalls im Verein engagierte Lokalpolit­ikerin Barbara Lässig wird in den »Dresdner Neuesten Nachrichte­n« mit dem Satz zitiert: »Selbst wenn hier einige Mitglieder bei Pegida sind – das sind auch bloß Menschen, die helfen wollen«. Lässig, die einst in der PDS engagiert war, saß zuletzt für die FDP im Stadtrat. Zu den aktuellen FDP-Abgeordnet­en gehört Jens Genschmar, der im Obdachlose­nverein als Stellvertr­eter von Knajder fungiert. Seine Partei ist darüber nicht glücklich; der Kreisvorst­and nannte die Ausrichtun­g des Vereins vor einiger Zeit »zweifelhaf­t«. Es sei »nicht zielführen­d, Bedürftige gegen Geflüchtet­e auszuspiel­en«, hieß es in einer Erklärung. Genschmar trat seither aus dem Kreisvorst­and zurück; im Stadtrat sitzt er weiter.

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