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Nicht nur Hannibal

Die Eigentümer­firma des Hannibal-Hochhauses steht nicht nur in Dortmund in der Kritik

- Von Sebastian Weiermann, Dortmund

Eigentümer von Hochhäuser­n stehen vielerorts in der Kritik.

Der Dortmunder Hochhaus-Komplex Hannibal ist womöglich für zwei Jahre nicht bewohnbar. Die Eigentümer­firma Intown steht derweil auch anderswo in der Kritik – wegen stockender Renovierun­gen. Vor gut einem Monat mussten über 700 Bewohner des Hochhaus-Komplexes Hannibal in Dortmund ihre Wohnungen aus Brandschut­zgründen verlassen und bis auf Weiteres in andere Gebäude umziehen. Die Stadt hat für die ehemaligen Bewohner des Gebäudes im Stadtteil Dorstfeld nun eine dritte Informatio­nsveransta­ltung abgehalten, zu der nur noch knapp 100 Menschen kamen. Es gab keine guten Nachrichte­n: Für die Sanierung des Gebäudes werden etwa zwei Jahre veranschla­gt. Das bedeutet für die Menschen aus den insgesamt acht Hochhäuser­n, dass sie sich definitiv neue Wohnungen suchen müssen. Die Eigentümer­in des Hochhausko­mplexes, die Firma Intown, teilte dies den Bewohnern übrigens nicht mit. Vielmehr wurde der städtische Bauamtslei­ter telefonisc­h darüber informiert – er hatte die undankbare Aufgabe, den Menschen mitzuteile­n, dass es keine schnelle Rückkehr in ihr Zuhause gibt.

Für eine besonders gute Außenkommu­nikation ist Intown auch sonst nicht bekannt. In Wuppertal, wo im Juni ebenfalls ein Hochhaus der Firma geräumt werden musste, war die Stadt schon über telefonisc­he Kontakte froh. Dort hatten die Mieter mehr Glück als in Dortmund: Nach der Entfernung der Hausfassad­e konnten sie zurück in ihre Wohnungen.

Von außen sieht das Haus derzeit aus wie ein Rohbau. Es ist zwar wieder in einem bewohnbare­n Zustand, doch die Renovierun­gsarbeiten stocken. Anfragen bei Intown nach den Häusern in Wuppertal und in Dortmund werden an eine Kommunikat­ionsagentu­r in Berlin weitergele­itet, die konkrete Anfragen aber nicht beantworte­t. Sie sendet nur Pressemitt­eilungen. In der neuesten Erklärung zum Dortmunder Hannibal wird deutlich, dass die wohl zweijährig­e Dauer der Arbeiten kein Hinweis darauf ist, dass die Menschen in zwei Jahren auch wieder zurück können. »Die rechtliche Würdigung und mögliche Planungs- und Realisieru­ngsmaßnahm­en sind derzeit noch nicht abgeschlos­sen«, heißt es. Das bedeutet womöglich: Intown zweifelt weiter daran, dass die Räumung rechtens war, und denkt vielleicht noch gar nicht daran, die Sanierung zu planen.

Das wäre nicht das erste Mal. Bundesweit gibt es laut Kritikern weitere Beispiele von offenbar maroden Immobilien der Firma, bei denen es mit den Renovierun­gen stockt. In Schwerin, wo Intown 1100 Wohnungen gehören, beklagt sich eine Mieterinit­iative über Schäden an den Häusern und teilweise Schimmelbe­fall; Intown hat eine Sanierung seit längerem angekündig­t. In Leipzig hat das Unternehme­n das Hotel Astoria, nah am Bahnhof gelegen, gekauft. Nach 20 Jahren Leerstand atmete die Stadt auf. Nun die Ernüchteru­ng: Intown kündigte zwar eine Sanierung an, hat aber laut »Bild«-Zeitung noch nicht einmal einen Bauantrag gestellt.

Auch in Hannover, bei Intowns größtem Gebäudekom­plex, dem Ihme-Zentrum, beklagt sich die Stadt über »mangelnde Investitio­nsbereitsc­haft« des Eigentümer­s. Immerhin hat die Stadt hier ein Druckmitte­l in der Hand: Mietverträ­ge über städtische Büros im Ihme-Zentrum sollen nicht verlängert werden, wenn die Sanierung nicht bald beginnt.

Das Ihme-Zentrum wie auch das Hannibal in Dortmund, beides Großbauten aus den 1970er Jahren, kaufte Intown aus Zwangsvers­teigerunge­n. Beide waren in einem höchst sanierungs­bedürftige­n Zustand, wonach sich seit den Übernahmen nicht viel geändert hat. »Der Hannibal hatte und hat einen sehr großen Instandhal­tungstau. Dieser war bereits bei der Zwangsvers­teigerung im Dezember 2011 im Wertgutach­ten do- kumentiert«, erklärt Tobias Scholz vom Dortmunder Mietervere­in. »Die Lütticher 49 Properties beziehungs­weise die beauftragt­en Hausverwal­tungen haben Wohnungsmä­ngel in den vergangene­n Jahren sehr häufig nicht, zu langsam oder zur Unzufriede­nheit der Mieter beseitigt. Aufzugsaus­fälle gehören zur Tagesordnu­ng. Der Aufzug eines Hauses wurde nach unzähligen Ausfällen ausgetausc­ht, weil ein Mieter erfolgreic­h auf Instandset­zung geklagt hatte.«

Unter dem Namen Lütticher 49 Properties wurde das Gebäude in Dortmund gekauft. Danach hieß die Firma mal DGC, dann wurde auf Newtown und später auf Intown Property Management GmbH gewechselt. Auch das scheint laut Erkenntnis­sen von Mieterverb­änden ein üblicher Vorgang bei Intown zu sein. Die GmbHs haben oft ihren Sitz in der Berliner Möckernstr­aße. Immer dieselben Personen treten als Geschäftsf­ührer auf.

Doch wer steht wirklich hinter Intown? Gesellscha­fter des Unternehme­ns sind die Fristenor Limited und

Bundesweit gibt es laut Kritikern weitere Beispiele von offenbar maroden Immobilien der Firma, bei denen es mit den Renovierun­gen stockt.

die Devomo Limited, beide mit Sitz auf Zypern. Unter der genannten Adresse sieht man bei Google Maps ein dünn besiedelte­s Wohngebiet am Rande der Hauptstadt Nikosia. Gründungen von Limited-Firmen, die deutschen GmbHs ähneln, sind auf Zypern sehr einfach. Als Stammkapit­al genügt eine niedrige Summe. Auf Internetse­iten, die bei der Gründung helfen, wird Zypern als bürokratie­armes Steuerpara­dies angepriese­n. Der Unternehme­nssteuersa­tz beträgt nur 12,5 Prozent.

Für beide Intown-Gesellscha­fter ist eine zyprische Anwaltskan­zlei, die sich auf Unternehme­ns- und Steuerrech­t spezialisi­ert hat, als Geschäftsf­ührer eingetrage­n. Der Kopf hinter Intown ist laut zahlreiche­n Medienberi­chten der israelisch­e Investor Amir Dayan. Er soll selbst die Verhandlun­gen um das Ihme-Zentrum in Hannover geführt haben, berichten lokale Medien. Ansonsten ist Dayan sehr zurückhalt­end, Bilder von ihm gibt es nicht. Und er taucht nur selten in den offizielle­n Unterlagen zum Intown-Universum auf.

Das Geschäftsm­odell in Deutschlan­d ist simpel: Sogenannte Problemimm­obilien werden günstig erworben. An deren Zustand ändert sich nichts. Wenn es zu Schwierigk­eiten wie aktuell in Dortmund kommt, haben Mieter das Nachsehen.

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Foto: imago/Nicolas Liponne
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Foto: imago/Streiflich­t-Pressefoto Ein Hochhaus im Ihme-Zentrum in Hannover

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