Protest gegen Trumps Jerusalem-Pläne
Saudi-Arabien und Ägypten warnen vor einer Eskalation nach der Entscheidung
US-Präsident Donald Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen. Die arabische Welt ist in Aufruhr, Israel bereitet sich auf neue Gewaltausbrüche vor. Kaum jemand kommt im Nahen Osten an der Meldung vorbei: Am Mittwoch versammelten sich überall Menschenmengen, um die für den Abend angekündigte Rede von US-Präsident Donald Trump anzusehen. In Ost-Jerusalem, im Gazastreifen und im Westjordanland verbrannten Palästinenser israelische und amerikanische Flaggen.
Denn Trump will Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin verlegen. Praktisch hat das vorerst keine Auswirkungen: USDiplomaten gehen davon aus, dass es bis zu sechs Jahre dauern würde, bis die mehr als 1000 Mitar- beiter ihre Arbeit in Jerusalem aufnehmen könnten. Ein Gebäude, das die Anforderungen des US-Außenministeriums erfüllt, müsste erst gebaut werden. Zudem ist es nicht garantiert, dass ein Nachfolger Trumps an dieser Entscheidung festhalten würde, sollte der Friedensprozess nicht voranschreiten.
Danach sieht es momentan aus: Selbst die engen Partner der USA in der Region, allen voran SaudiArabien und Ägypten, bezeichneten den Schritt am Mittwoch als »Affront« und warnten vor einer »gefährlichen Eskalation« in den besetzten Gebieten. Dort sitzt der Frust der Menschen tief: Seit der Wahl Trumps geht der israelische Siedlungsbau so schnell voran wie seit Unterzeichnung der Osloer Verträge 1993 und 1995 nicht mehr. Gleichzeitig spielt die Palästina-Frage in der arabischen Welt eine zunehmend untergeordnete Rolle. Stattdessen hat sich Israels Regierung so weit an Saudi-Arabien angenähert, dass sich saudische und israelische Offizielle nun offen treffen, Charterflüge mit muslimischen Pilgern direkt von Tel Aviv nach Saudi-Arabien gehen.
Während Politiker der israelischen rechts-religiösen Koalition am Mittwoch die Jerusalem-Ankündigung bejubelten, waren Polizei, Geheimdienste und Außenministerium entsetzt. Denn auch in Saudi-Arabien gab es öffentliche Proteste, in den dortigen Medien wurde die Frage gestellt, ob nun eine Annäherung an Israel weiterhin möglich ist. Die Kooperation, von der man sich in Israel vor allem in Bezug auf das iranische Atomprogramm und den Konflikt in Jemen viel verspricht, drohe nun zu scheitern.
Israels Polizeichef Roni Alscheich kritisierte, eine solche Ankündigung kurz vor dem 30. Jahrestag der Gründung der Hamas zu verkündigen. Die Organisation, die drei Kriege gegen Israel führte und zuletzt dazu gezwungen war, den Großteil der Kontrolle über den Gazastreifen an die palästinensische Regierung in Ramallah abzugeben, wettert schon seit Tagen gegen Israels Regierung und gegen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der eine »Marionette Trumps« sei. Jahya Sinwar, Hamas-Chef in Gaza, drohte damit, die Gaza-Vereinbarung zu kündigen, sollte Abbas »den Widerstand gegen die Besatzung Jerusalems behindern«.
Die Palästina-Frage spielt in der arabischen Welt eine zunehmend untergeordnete Rolle.
Aus Chaos folgt bekanntlich eine neue Ordnung. Aus der Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trumps, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, könnte die Gelegenheit erwachsen, vielleicht doch Bewegung in den bis zum Zerreißen angespannten Status quo zu bringen. Ob das sich abzeichnende Chaos und die Gewalt zu einer Friedensordnung führen, ist allerdings zu bezweifeln.
Eine neue Ordnung zeichnet sich derweil sehr wohl ab. Wo die USA ihre Diplomaten ausdünnen, Bündnispartner brüskieren, auf den alleinigen kurzfristigen Gewinn zielen, da macht sich ein Vakuum breit, das andere nur allzu gern füllen. In Israel meistert Premier Benjamin Netanjahu den Spagat, Trump für die eigenen Zwecke einzusetzen und gleichzeitig die Beziehungen zu Russland auszubauen. Denn Netanjahu weiß, dass Trump kein Konzept für den Nachbarn Syrien hat – anders als Putin.
Gedemütigt müssen sich die EU und die europäischen Verbündeten der USA fühlen. Erst die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran, nun Jerusalem – die Konsequenzen treffen Europa allein aus der geografischen Nähe viel mehr als die USA. Europa ist gut beraten, sich von den USA zu emanzipieren. Mit seiner Politik sorgt Trump überall auf der Welt für Chaos. Die Ordnungsmacht USA tritt ab, was folgt, ist ungewiss.