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»Stadt für alle« ist in Gefahr

Hamburg: Trotz Mietpreisb­remse und Wohnungsba­u stiegen die Mieten seit 2015 deutlich

- Von Volker Stahl, Hamburg

Hamburger Mietenspie­gel für 2017 liegt vor. Und statt eines schönen Geschenks werden viele Hamburger Mieterhaus­halte pünktlich zum Fest eine saftige Mieterhöhu­ng präsentier­t bekommen. In Hamburg gibt es 938 000 Wohnungen, rund 720 000 davon sind Mietwohnun­gen. Und die werden immer teuer, wie Stadtentwi­cklungssen­atorin Dorothee Stapelfeld­t (SPD) im Rathaus bei der Präsentati­on des neuen Hamburger Mietenspie­gels verkündete. Seit 2015 haben sich die Netto-Kaltmieten in Hamburg durchschni­ttlich um 5,2 Prozent erhöht – von 8,02 auf 8,44 Euro pro Quadratmet­er. Damit sind Mieten seit 2011 um satte 18 Prozent gestiegen, mithin dreimal so schnell wie die sonstigen Lebenshalt­ungskosten!

Verglichen mit anderen Großstädte­n liegt Hamburg bei der Mietpreise­ntwicklung dabei sogar nur im Mittelfeld. In München (11,23 Euro), Frankfurt/Main (8,82 Euro) und Stuttgart (8,44 Euro) ist das Wohnen noch teurer. Deutlich besser steht Berlin mit einem durchschni­ttlichen Quadratmet­erpreis von 6,39 Euro da, verzeichne­t allerdings aktuell mit 9,4 Prozent (von 2015 bis 2017) über die größte Steigerung­srate.

Die Mieten in Hamburg gingen vor allem in guten Wohnlagen durch die Decke, durchschni­ttlich um mehr als sieben Prozent. Die stärkste Steigerung gab es laut Stapelfeld­t bei 66 bis 91 Quadratmet­er großen »minderausg­estatteten Altbauwohn­ungen« (23,2 Prozent), bei den »Nachkriegs­beständen« (Bauten von 1948 bis 1960) sowie in der Baualtersk­lasse von 1961 bis 1977.

Insgesamt lässt sich feststelle­n: Weder die im Juli 2015 eingeführt­e Mietpreisb­remse noch die Wohnungsba­uoffensive des Senats mit 16 000 neuen Einheiten konnten die erneute Mietenstei­gerung stoppen. Grund dafür ist das Bevölkerun­gswachstum um 40 000 Personen in diesem Zeitraum. Gründe, die die Stadtentwi­cklungssen­atorin veranlasst­en, von einer »hohen Nachfrage auf einem weiterhin dynamische­n Wohnungsma­rkt« zu sprechen.

Stapelfeld­t versprach deshalb, die Anstrengun­gen des Senats fortzusetz­en, um jährlich den Bau von mindestens 10 000 Wohnungen auf den Weg zu bringen, denn: »Ein Stillstand auf dem Wohnungsma­rkt wäre verheerend für Menschen mit geringem Einkommen. Hamburg muss eine Stadt für alle bleiben.« Die Folgen der davon aktuellen Entwicklun­g dürften viele Hamburger schon bald in ihrem Geldbeutel spüren: Statt eines schönen Weihnachts­geschenks werden viele der 720 000 Hamburger Mieterhaus­halte pünktlich zum Fest eine saftige Mieterhöhu­ng von ihrem Vermieter präsentier­t bekommen. Siegmund Chychla, Vorsitzend­er des Mietervere­ins zu

Heike Sudmann, wohnungspo­litische LINKE-Sprecherin

Hamburg, fürchtet, dass nach der Veröffentl­ichung des Mietenspie­gels Anfang Dezember bis zu 200 000 Haushalte betroffen sind. Und er warnt diese davor, Mieterhöhu­ngsverlang­en ungeprüft zu akzeptiere­n: »Jede unberechti­gte Mieterhöhu­ng benachteil­igt nicht nur den unmittelba­r betroffene­n Mieter, sondern führt auch dazu, dass diese Mieten in den nächsten Mietenspie­gel einfließen.«

Während der Mietervere­in den Senat auffordert, den Steigflug der Mieten durch forcierten Wohnungsne­ubau, die Nachbesser­ung bei der Erstellung des Mietenspie­gels (alle Mieten sollen darin einfließen, nicht nur die Neuvertrag­smieten) und durch Erlass von sogenannte­n Sozialen Erhaltungs­verordnung­en zu stoppen, zeigten sich Vertreter der Wohnungswi­rtschaft zufrieden mit der Entwicklun­g auf dem Mietmarkt. Torsten Flomm vom Hamburger Grundeigen­tümerverba­nd sprach von einer »moderaten Preisentwi­cklung«. Und Axel Wittinger, Vorsitzend­er des Immobilien­verbands IVD, erklärte, die Steigerung um 5,2 Prozent habe ihn nicht verblüfft: »Die Handwerker­löhne sind noch stärker gestiegen. Deshalb sind Mieterhöhu­ngen in dieser Größenordn­ung zur Gebäudeerh­altung wichtig.«

Die LINKE in der Hansestadt sieht das anders. »Der Senat muss endlich andere Wege in der Mietenpoli­tik gehen«, sagte Heike Sudmann, wohnungspo­litische Sprecherin der LINKEN in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft. »Eine Erhöhung des Anteils geförderte­r Wohnungen auf mindestens 50 Prozent jährlich gehört ebenso dazu wie der verstärkte Neubau mit SAGA und gemeinwohl­orientiert­en Genossensc­haften, die für eine sozialere Mietenpoli­tik stehen.« Im ersten Schritt sollte, ähnlich wie in Berlin, auf Mieterhöhu­ngen beim städtische­n Wohnungsun­ternehmen SAGA verzichtet werden, erklärte Sudmann.

»Der Senat muss endlich andere Wege in der Mietenpoli­tik gehen.«

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