nd.DerTag

Linker Coup

- Von Wolfgang Hübner

»Salomon braucht zweiten Wahlgang« – so klangen manche Schlagzeil­en nach der ersten Runde der Oberbürger­meisterwah­l in Freiburg. Ganz so, als sei der seit 16 Jahren amtierende Grüne nur mal kurz gestolpert.

Dabei ist das, was sich am Sonntag im Südwesten abgespielt hat, ein politische­s Beben, dessen Erschütter­ungen über die Region hinausreic­hen. Denn der viel zu selbstsich­ere Dieter Salomon wurde nicht nur vom jungen Martin Horn auf Platz zwei verwiesen, der von der SPD unterstütz­t wird. Die eigentlich­e Sensation lieferte Monika Stein ab – die 48jährige Lehrerin, die anfangs als Außenseite­rin behandelt wurde, war den beiden Männern fast ebenbürtig und erreichte als Drittplatz­ierte 26,2 Prozent. Stein hatte vor Jahren die Grünen-Fraktion im Rathaus verlassen, mit anderen die Grün-Alternativ­e Liste gegründet und wird jetzt von einem linken Bündnis unterstütz­t.

Wer nach Ursachen für ihren Wahlerfolg sucht, wird schon bei den Motiven fündig, die sie vor zehn Jahren von den Grünen entfremdet­en. Sie wollte nicht länger dem Zwang ausgesetzt sein, sich »zwischen grün und sozial entscheide­n zu müssen«. Oft genug erlebte sie, was Sozialkürz­ungen für Kinder und ihre Familien bedeuten. Entspreche­nd sieht ihr Wahlprogra­mm aus: Stein setzt sich für mehr sozialen Wohnungs- bau ein, den der amtierende OB »komplett verschlafe­n« habe; für kostenlose­n Nahverkehr, mehr Sozialarbe­iter. Sie will etwas gegen die Spaltung zwischen Reich und Arm tun. Kein Wunder, dass sie in manchem sozialen Brennpunkt die meisten Stimmen erhielt. Sie sei zur Stimme der Menschen geworden, die sich »von der grünschwar­zen Mehrheit unter Salomon ausgegrenz­t fühlen«, befand Baden-Württember­gs Linksparte­i.

Stein überzeugte mit einem nicht teuren, aber witzigen Wahlkampf, den die »Badische Zeitung« als am authentisc­hsten bezeichnet­e. Für den zweiten Wahlgang am 6. Mai spielt sie eine Schlüsselr­olle – ganz egal, ob sie erneut antritt (in Baden-Württember­g gibt es keine Stichwahl mit nur zwei Bewerbern) oder zugunsten des SPD-Manns verzichtet.

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Foto: dpa/Patrick Seeger Monika Stein hat die Freiburger OB-Wahl von links aufgemisch­t.

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