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Hallo, Echo!

Bernd Zeller findet, dass bei Preisrückg­aben genau zu bedenken ist: wohin und an wen?

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Unser heutiger Bericht befasst sich mit einem Recyclingp­roblem. Immer mehr Echo-Preise werden zurückgege­ben – da stellt sich die Frage, wie sie fachgerech­t zu entsorgen sind. Grundsätzl­ich zuständig ist die Stelle, die sie ausgegeben hat, also der Verband der Musikindus­trie.

Zeitgemäß wäre es gewiss, die Trophäen nicht in ihre Bestandtei­le zu zerlegen, sondern im Ganzen für einen guten Zweck zu versteiger­n. Die Erlöse könnten in Musikproje­kte mit Jugendlich­en fließen, in denen sie lernen, ohne Gewalt cool zu sein. Allerdings ist unter unseren Jugendlich­en das Anspruchsd­enken so weit verbreitet, dass sie davon ausgehen, ihnen stünden dann auch hohe Verkaufsza­hlen zu. Der Echo ist nämlich vorrangig eine Ehrung, die für Verkäufe verliehen wird. Dies ist für Künstler wichtiger, als es zunächst scheint. Wer mit künstleris­cher Arbeit Erfolg hat, kann es häufig selbst kaum glauben, dann ist dieser Preis eine Bestätigun­g, dass das alles wirklich wahr ist und kein Traum. Träumen kann man zwar auch vom Erfolg, aber in dem Traum würde solch ein Echo nicht vorkommen.

Eine Weitergabe der Auszeichnu­ngen sollte daher den Charakter einer Ehrung behalten. Eine schöne Anerkennun­g wäre die Übereignun­g aller zurückgege­benen Echo-Trophäen an den, der für uns zum Eurovision Song Contest fährt. Der hätte es verdient, dafür eine Auszeichnu­ng zu bekommen. Er geht in den Wettbewerb mit dem unbedingte­n Vorsatz, den letzten Platz zu verteidige­n und allen anderen Mitbewerbe­rn den Vortritt zu lassen. Wieder ein schönes Zeichen deutscher Gegenwart, das wir an die europäisch­en Nachbarn aussenden und an die Welt, soweit sie sich dafür interessie­rt. Der deutsche Teilnehmer hat seinen Song im Voraussche­id vorgetrage­n, dann wird er ihn noch einmal in der Wertungsse­ndung zu Gehör bringen, wobei im Schnelldur­chlauf davon noch ein Ausschnitt als Entscheidu­ngshilfe für die abstimmend­en Zuschauer laufen wird. Wenn er zurückkomm­t, wird es in den Redaktione­n schon nicht mehr für relevant befunden, ihn ein emotionale­s Statement geben zu lassen. Den Echo als Anerkennun­gsprämie hätte er sich also wirklich verdient.

Allerdings müsste ihm, wie künftig allen Preisträge­rn, die Zusage abverlangt werden, den Echo nicht zurückzuge­ben. Schon aus Gründen der Fairness, denn es würde ein Wettlauf darum drohen, wer die meisten Echo-Preise zurückgibt. Unser ESC-Kandidat könnte nur von Helene Fischer überboten werden.

Überhaupt ist festzuhalt­en und den Künstlern anzulasten, dass sie nur die Dinger zurückgege­ben haben, nicht aber Umsätze, für die sie mit ihnen prämiert wurden. Aber solche Aktionen würden die Sache nur unnötig verkompliz­ieren. Erst einmal ist die Frage zu klären, ob eine Echo-Rückgabe überhaupt nötig ist bei Preisträge­rn, die in ganz anderen Kategorien gewonnen haben als dem, wegen dem es zum Eklat kam. Es wäre durchaus vertretbar, wenn Klassik- oder Schlagerin­terpreten den Standpunkt einnähmen, es sei allein ein Problem des Rap und nur andere Rapper seien gehalten, sich zu distanzier­en. Sollte aber die Angelegenh­eit nicht auf Rap beschränkt bleiben, dann sind alle Gewinner von allen Preisen gefragt, ihre Trophäen zurückzuge­ben.

Nicht betroffen sein dürften DFBPokale und andere Sportausze­ichnungen, auch Gewinner von Quizshows können die Gewinne behalten, aber Träger von Kulturprei­sen aller Art können sich nicht heraushalt­en mit der Begründung, dass sie nicht singen. Dies tun im eigentlich­en Sinne Rapper auch nicht, und Anstoß erregt hat der Text. Wer immer den Preis der Buchmesse oder einen lokalen Lyrikpreis erhalten hat, sollte beginnen, sich davon zu lösen. Finanziell­e Probleme sind damit nicht verbunden; die Preisgelde­r dürfte inzwischen ausgegeben worden sein. Die Urkunde zurückzuge­ben, ist ganz einfach – sie kann nach Abtrennung der Mappe der blauen Tonne überantwor­tet werden.

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Foto: privat Bernd Zeller ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena.

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