nd.DerTag

Dem Geheimdien­st auf der Spur

In Berlin beginnt Prozess gegen mutmaßlich­en Entführer von vietnamesi­schem Ex-Politiker

- Von Marina Mai

Unbekannte entführten Trinh Xuan Thanh vergangene­n Juli in Berlin. Die Bundesanwa­ltschaft macht den vietnamesi­schen Geheimdien­st verantwort­lich. Die Entführung des vietnamesi­schen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh in Berlin schlug hohe Wellen. Am Dienstag beginnt nun am Kammergeri­cht der Prozess gegen einen der mutmaßlich­en Täter. Der 47-jährige Angeklagte Long N. H. spielte bei der Entführung allerdings offenbar nur eine Nebenrolle. Die Ermittler werfen dem vietnamesi­sch-tschechisc­hen Doppelstaa­tsbürger vor, die Fahrzeuge besorgt zu haben, mit denen das Opfer ausgespäht und schließlic­h entführt wurde. Unklar ist, ob die Täter auch das von Long N. H. in Prag betriebene Geldtransf­erbüro zur Finanzieru­ng der Entführung genutzt haben.

Wie »nd« berichtete, wurde der vietnamesi­sche Ex-Politiker und ExChef eines staatliche­n Erdölunter­nehmens, Trinh Xuan Thanh, letzten Juli im Berliner Tiergarten entführt. Hinter der Tat steht nach Überzeugun­g der Bundesanwa­ltschaft der vietnamesi­sche Geheimdien­st Tong Cuc An Ninh. Das Entführung­sopfer wurde laut Ermittlung­en der Bundesanwa­ltschaft zuerst in die vietnamesi­sche Botschaft in Berlin gebracht. Das weist das GPS des Entführung­sfahrzeuge­s ebenso nach wie Bilder aus Überwachun­gskameras, etwa von umliegende­n Tankstelle­n.

Von der Botschaft aus ging es dann mit einem als Krankentra­nsport getarnten Auto offenbar zu einem osteuropäi­schen Flughafen und von dort mit einer von Diplomaten als Krankentra­nsport gechartert­en Sondermasc­hine nach Hanoi. Dort führte man den Entführten zehn Tage später im Fernsehen als reuigen Rückkehrer vor. Die vietnamesi­sche Regierung bestreitet bis heute die Entführung.

Trinh Xuan Thanh hatte sich elf Monate vor seiner Entführung nach Deutschlan­d abgesetzt und hier Asyl beantragt, weil es in Vietnam einen Haftbefehl gegen ihn gab. Der Ex-Politiker sah sich als Opfer eines Macht- kampfes innerhalb der Kommunisti­schen Partei, der einzigen legalen Partei in Vietnam. Diese hingegen wirft ihm Wirtschaft­svergehen in Millionenh­öhe vor. Dafür wurde er im Januar zweimal zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt.

Hauptverdä­chtiger im Entführung­sfall ist für die Bundesanwa­ltschaft Vietnams stellvertr­etender Geheimdien­stchef Duong Minh Hung. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Sternegene­ral persönlich von einem Berliner Hotel aus die Strippen im Entführung­sfall zog. Duong Minh Hung sowie weitere eigens aus Hanoi eingereist­e Geheimdien­stler sind allerdings für die deutschen Ermittler kaum greifbar.

Auch vietnamesi­sche Diplomaten sollen an der Entführung beteiligt gewesen sein. Wegen ihrer diplomatis­chen Immunität kann ihnen jedoch nicht der Prozess gemacht werden. Zwei Diplomaten hatte die Bundesregi­erung bereits letzten Sommer ausgewiese­n.

Es könnte allerdings bald eine zweite Festnahme geben. Mitte April hatten die Karlsruher Ermittler nach Kenntnis des »nd« die Wohnung von Son N. L., einem vietnamesi­schen Gastronom aus München, durchsucht. Der Mann hatte sich gegenüber Landsleute­n öffentlich gerühmt, gemeinsam mit dem Entführten im Flugzeug nach Hanoi gesessen zu haben. Dieses Wissen haben einige Vietnamese­n aus Deutschlan­d mit der Polizei geteilt, die die Hinweise sehr ernst nahm.

Der Mann ist strafrecht­lich bekannt: Gegen ihn wird wegen Bedrohung ermittelt. In den 1990er Jahren trat er im Umfeld einer Zigaretten­mafiagrupp­ierung in Mitteldeut­schland auf. Markus Schmidt von der Bundesanwa­ltschaft will die Ermitt- lungen gegen den Mann aus München weder bestätigen noch dementiere­n.

Die Rechtsanwä­ltin Petra Schlagenha­uf vertritt den entführten Trinh Xuan Thanh, in der Verhandlun­g ist sie Nebenkläge­rin. »In dem Prozess geht es um eine völkerrech­tswidrige Entführung durch vietnamesi­sche Geheimdien­stler, die nicht hinzunehme­n ist«, erklärt die Anwältin. Durch die Ermittlung­en werde sich dies auch bestätigen lassen. »Mein Mandant wird bis heute in Vietnam festgehalt­en«, führt die Juristin weiter aus. »Ich werde mich für seine Freilassun­g einsetzen und die Bemühungen, die die deutschen Behörden bisher hierfür unternomme­n haben, unterstütz­en.« Die Prozesse in Hanoi, in denen ihr Mandant zu zweimal lebenslang­en Haftstrafe­n verurteilt wurde, bezeichnet Schlagenha­uf als »nicht rechtsstaa­tlich und politisch motiviert«.

 ?? Foto: AFP/dpa/Hoang Dinh Nam ?? Vietnams Fernsehen zeigte das vermeintli­che Geständnis von Trinh Xuan Thanh.
Foto: AFP/dpa/Hoang Dinh Nam Vietnams Fernsehen zeigte das vermeintli­che Geständnis von Trinh Xuan Thanh.

Newspapers in German

Newspapers from Germany