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»Ich hatte mir nichts vorzuwerfe­n«

Nordrhein-Westfalen: Duisburgs Ex-Oberbürger­meister sagt im Loveparade-Prozess aus

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Die Sprachlosi­gkeit von Duisburgs früherem Stadtoberh­aupt Sauerland nach dem Loveparade-Unglück sorgte bei vielen Bürgern für Enttäuschu­ng. Er selbst sagt, dass er die Techno-Parade nie gewollt habe.

Düsseldorf. Sein Umgang mit der Loveparade-Katastroph­e von Duisburg kostete ihn das Amt: Der frühere Oberbürger­meister von Duisburg, Adolf Sauerland, soll am Freitag im Loveparade-Prozess zum ersten Mal als Zeuge aussagen. Am 2. Mai will das Landgerich­t Duisburg dann die Vernehmung des 62-Jährigen fortsetzen.

Der CDU-Politiker war als OB nach der tödlichen Massenpani­k 2010 stark in die Kritik geraten, weil er nicht die politische Verantwort­ung für das Unglück übernehmen wollte. Im Februar 2012 stimmten die Duisburger in einem Bürgerbege­hren mit großer Mehrheit für seine Abwahl. Der Lokalpolit­iker, der seit 2004 Oberbürger­meister war, zog sich anschließe­nd aus der Öffentlich­keit weitgehend zurück.

Erst 2016 äußerte er sich erstmals öffentlich zum Loveparade-Unglück – und räumte Fehler ein. Nach der Katastroph­e 2010 habe er sich bemüht, keine juristisch­en Fehler zu machen, und dabei »das Mitgefühl für die Angehörige­n« vergessen, sagte Sauerland dem »Zeit-Magazin« und dem WDR-Fernsehen in einem Interview. »Wahrschein­lich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen.«

Auch juristisch fühlte sich Sauerland nicht verantwort­lich, zumal ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten das ebenso sah. »Man suchte jemanden, den man zur Verantwort­ung ziehen konnte, dem man die Schuld zuweisen konnte, hinter dem man sich verstecken konnte, und das war ich«, sagte Sauerland in dem Interview. »Zurückzutr­eten, das wäre für mich eine Flucht gewesen. Sollte wirklich etwas juristisch falsch gelau- fen sein, zum Beispiel bei der Genehmigun­g, dann kann man politische Verantwort­ung verlangen. Aber ich hatte mir nichts vorzuwerfe­n.«

Der CDU-Mann und ehemalige Berufsschu­llehrer war 2004 in der lange SPD-geprägten Industries­tadt überrasche­nd an die Macht gekommen. Er brachte auch nach Meinung von Kritikern frischen Wind in die Stadt und Fortschrit­te beim Strukturwa­ndel – etwa bei der Entwicklun­g des Duisburger Innenhafen­s. In den schwersten Stunden als Stadtoberh­aupt nach der Loveparade mit 21 Toten versag- te er nach allgemeine­r Einschätzu­ng aber. Dafür wählten die Bürger ihn mit einer unerwartet klaren Mehrheit ab.

Er sei aus deren Sicht derjenige gewesen, der die Loveparade gewollt habe und der für die 21 Toten verantwort­lich sei, sagte Sauerland im Interview, betonte aber: »Ich selbst wollte so eine Veranstalt­ung nie in Duisburg haben! Und das wussten alle, der ganze Rat.« Sauerland arbeitete nach seiner Abwahl im Reisebüro seiner Frau. Eine Anfrage dazu, ob er dies auch gegenwärti­g noch tue, blieb zunächst unbeantwor­tet.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg gab es am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstalt­ungsgeländ­e ein so großes Gedränge, dass 21 Menschen erdrückt und mindestens 652 verletzt wurden. Der Prozess vor dem Landgerich­t Duisburg gegen sechs Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und vier Beschäftig­te des Veranstalt­ers Lopavent hatte im Dezember begonnen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen unter anderem fahrlässig­e Tötung vor. Aus Platzgründ­en findet der Prozess in einer Kongressha­lle in Düsseldorf statt.

Auch die Termine für die Aussage des Inhabers der Loveparade-Veranstalt­erin Lopavent stehen jetzt fest. Der Fitness-Unternehme­r Rainer Schaller soll ab dem 22. Mai befragt werden.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Der Tunnel, an dessen Ausgang 21 Menschen starben.

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