Warten auf eine Entschuldigung
Initiativen aus Namibia kritisieren die Haltung der Bundesregierung zum Völkermord an den Ovaherero und Nama
Am Mittwoch findet eine Übergabe von 25 Schädeln getöteter Herero und Nama statt. Nicht alle Opferverbände wurden zu dem Festakt in Berlin eingeladen. Für Ida Hoffmann wird es ein emotionaler Moment sein, wenn am Mittwoch im Französischen Dom zu Berlin einer Delegation aus Namibia die sterblichen Überreste von Ovaherero und Nama überreicht werden. Es sind Schädel, Gebeine sowie eine Kopfhaut von Getöteten aus der deutschen Kolonialzeit. Die Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Opfervereinigung »Nama Genocide Technical Committee« in Namibia wies darauf hin, dass »die Frauen ihren toten Männern, ihren Brüdern und Söhnen das Fleisch von den Knochen schneiden mussten«, damit sie zur »Rasseforschung« nach Deutschland gebracht werden konnten. Sie erzählte von den Gräueln, die 110 Jahre zurückliegen und bis zu 100 000 Ovalherero und Nama das Leben kosteten. Sie hungerten in Konzentrationslagern, wurden dort misshandelt und getötet.
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) empfing am Montag eine Delegation aus Namibia, zu der auch Ida Hoffmann gehörte. »Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen«, sagte er an die Bundesregierung gerichtet. Der Senator appellierte daran, den Nachfahren früherer Opfer entgegenzukommen.
»Wir warten noch immer auf eine offizielle Entschuldigung«, sagte Esther Utjiua Muinjangue, Vorsitzende der »Ovaheroro Genocide Foundation«. Sie erinnerte daran, dass der frühere Kanzler Konrad Adenauer jüdische Organisationen um Entschuldigung bat und dass Willy Brandts Kniefall in Warschau in die Geschichte einging. Dirk Behrendt bemängelte indes, dass der Völkermord unter dem General Lothar von Trotha im südwestlichen Afrika bislang nicht im kollektiven Gedächtnis der Deutschen angekommen sei. Bezeichnend dafür ist, dass der Festakt am Mittwoch am Berliner Genarmenmarkt zwar per Livestream nach Namibia übertragen wird, in Deutschland aber keine große Bedeutung hat und auf der Staatssekretärsebene abgehandelt wird.
Doch die Anstrengung im Auswärtigen Amt ist sichtbar, es besser zu machen als vor sieben Jahren, als erstmals sterbliche Überreste zurückgegeben wurden. Aus Namibia war damals dafür eigens eine 73köpfige Delegation angereist, darunter ein Minister, Bischöfe sowie hochrangige Stammesführer der Ovaherero und Nama, doch von der Berliner Politik wurden sie weitgehend ignoriert. Die Übergabe fand in weißen Pappkartons in der Charité
statt. Es gab keinen Empfang, keine Gedenkfeier, lediglich eine abgelesene Erklärung der Staatssekretärin Cornelia Pieper (FDP). Sie wurde letztlich ausgebuht. Der Tag endete in einem Fiasko.
Diesmal soll es würdiger zugehen. Ein Gedenkgottesdienst ist geplant, der von der Evangelischen Kirche und dem namibischen Kirchenrat ausgerichtet wird. Das Auswärtige Amt ist anwesend und die namibische Botschaft.
Doch erneut wird es Proteste geben. So kündigte die Initiative »Völkermord verjährt nicht!« eine Mahnwache vor dem Französischen Dom an, weil Menschen wie Ida Hoffmann oder Esther Utjiua Muinjangue und andere bedeutende Vertreter der Ovaherero und Nama nicht eingeladen wurden. Für Christian Kopp von der Initiative trägt es nicht zur Versöhnung bei, wenn »wenn die engagiertesten Menschen der Zivilbevölkerung von der Übergabe ausgeschlossen werden«. Beide Stämme sind in Namibia eine Minderheit. Das Land hat rund 2,5 Millionen Einwohner, sieben Prozent der Bevölkerung gehören den Ovaherero an, fünf Prozent den Nama.
Für Spannungen sorgt zudem, dass ein hochrangiger Vertreter der Ovaherero, der Paramount Chief Vekuii Rukoro, vor einem New Yorker Bezirksgericht die Bundesregierung zu Reparationszahlungen verklagt hat. Derzeit prüft das amerikanische Gericht, ob es die Klage annehmen wird. Nach Ansicht des Auswärtigen Amts verstößt sie gegen den Grundsatz der Staatenimmunität, die es nämlich verbietet, ein Land vor den Gerichten eines anderen Landes zu verklagen. Auch Vikuii Rukoro wird am Mittwoch am Gendarmenmarkt anwesend sein, wenngleich auch er nicht der offiziellen Delegation angehört.
Für die Bundesregierung bemüht sich der CDU-Politiker Ruprecht Polenz um einen Dialog mit Vertretern aus Namibia. Seiner Meinung nach handle es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine »politischmoralische Frage«, folglich könne es nicht um Entschädigungen gehen. Polenz billigte aber zu, dass die Bundesregierung sich »substanziell und langfristig« engagieren wolle – auch über die bislang zugesagte Entwicklungshilfe in Höhe von 130 Millionen Euro für die Jahre 2017 und 2018 hinaus.
Im Gespräch ist eine deutsch-namibische Zukunftsstiftung, die eine gemeinsame Erinnerungskultur fördern soll. Über zwölf Jahre könnte sich die Bundesregierung daran mit 280 Millionen Euro beteiligen, heißt es unbestätigten Angaben zufolge. Doch mit der Klage vor dem New Yorker Gericht ziehen sich die Verhandlungen hin.
Für die Opferverbände wie die »Ovaherero Genocie Foundation« und »Nama Genocide Technical Committee« ist eine Entwicklungshilfe jedoch kein Ausgleich zu einer Entschädigung und einer offiziellen Entschuldigung. Darauf warten die Ovaherero und Nama seit über hundert Jahren.
»Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen.« Dirk Behrendt (Grüne), über den Völkermord an den Ovaherero und Nama