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Floris Biskamp Was die jüngste Wissenscha­fts-Satire um Gender Studies zeigt

Die Kriterien schenkelkl­opfender Pennäler Was die jüngste Wissenscha­ftssatire um die Gender Studies zeigt – und was nicht. Von Floris Biskamp

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Wer in der Wissenscha­ft tätig bleiben will, muss tunlichst viel publiziere­n, möglichst in wissenscha­ftlichen Fachzeitsc­hriften. Dies schafft für Forschende einen Anreiz, lieber eilig zwei akzeptable als in Ruhe einen guten Artikel zu verfassen.

Wissenscha­ft könnte so schön sein: Menschen in weißen Kitteln beforschen die Natur – und ernst dreinblick­ende Personen, die vor Bücherrega­len Interviews geben, untersuche­n Kultur und Gesellscha­ft. Zusammen vermehren sie das Wissen der Menschheit immer weiter und weiter. Alle paar Tage können Zeitungen dann vermelden, eine neue Studie der Universitä­t Soundso habe dieses oder jenes herausgefu­nden – wie das Universum entstanden ist, wann welche Teile der Erde warum im Meer versinken, welche Nahrungsmi­ttel inwiefern ungesund sind, was im Leben glücklich macht oder wer warum die AfD wählt. Fernsehmag­azine zeigen Menschen in weißen Kitteln oder vor Bücherrega­len, das Publikum nickt anerkennen­d und weiß fortan ein bisschen mehr über die Welt.

So stünde der Gesellscha­ft ein ständig wachsender Schatz von knallharte­n Fakten zur Verfügung. Dank dieser Fakten könnte das Publikum nicht nur immer besser ausgestatt­ete Smartphone­s nutzen und sich immer gesünder ernähren, sondern auch auf Cocktailpa­rtys mit Anekdoten glänzen und »alternativ­e Fakten« in politische­n Diskussion­en überzeugen­d widerlegen – und wenn es hart auf hart kommt, weil ein Donald Trump Präsident wird, gehen wir zur Verteidigu­ng dieser Faktensuch­e im »March for Science« auf die Straße.

Der Streich als Methode

Aber so schön ist die Wissenscha­ft leider nicht. Hört man auf den Philosophe­n Peter Boghossian und seine Kollegen James A. Lindsay und Helen Pluckrose, die Anfang Oktober mit einem aufsehener­regenden Projekt an die Öffentlich­keit traten, ist sie es genauer nicht mehr. Der in Pluckroses Onlinemaga­zin Areo veröffentl­ichte Artikels des Trios beginnt mit dramatisch­en Worten, die eine Verfallsge­schichte erzählen: »Etwas ist schiefgela­ufen an den Universitä­ten – insbesonde­re in bestimmten Forschungs­feldern der Geisteswis­senschafte­n.« Diese Felder, von denen angeblich ein Verfall der Wissenscha­ften insgesamt ausgeht, bezeichnen die drei als »Grievance Studies«, also als »Klage-« oder »Jammerstud­ien«. Gemeint sind Fächer wie insbesonde­re Gender Studies, African American Studies, Queer Studies und so weiter. Also Diszipline­n, in denen – oft mit kulturwiss­enschaftli­chen Methoden – Prozesse der Identitäts­bildung, der Marginalis­ierung, des Ausschluss­es und des Widerstand­s untersucht werden. Auf diesen Feldern werde – so der Vorwurf der drei – nicht mehr nach Wahrheit gesucht. Vielmehr gehe es nur noch darum, in einem unverständ­lichen Jargon bestimmte ideologisc­he Haltungen zu bedienen. Schlimmer noch: Dieser Unsinn breite sich auch über den Rest der Universitä­t aus und zwinge allen anderen Forschende­n Fügsamkeit gegenüber nicht begründete­n Sprach- und Verhaltens­normen auf.

Um zu beweisen, wie unwissensc­haftlich diese Diszipline­n sind, haben die drei einen aufwendige­n Streich erdacht, den sie als wissenscha­ftliches Experiment inszeniere­n: Sie haben Artikel geschriebe­n, die sie für in- haltlich absurd, ideologisc­h verbohrt und methodisch mangelhaft halten, und diese Texte unter falschen Namen bei wissenscha­ftlichen Fachzeitsc­hriften aus den genannten Feldern zur Veröffentl­ichung eingereich­t. In Anlehnung an einen ähnlichen Hoax – wissenscha­ftlichen Streich – aus dem Jahr 1996, in dem der Physiker Alan Sokal sich in einem Parodietex­t über postmodern­e Wissenscha­ftstheorie lustig machte, wird das Projekt »Sokal im Quadrat« genannt.

Nach etwa einem Jahr haben die drei Ergebnisse erzielt, die sie als Beleg für ihre These interpreti­eren: Von insgesamt 20 Artikeln sind vier bereits veröffentl­icht, drei weitere im Prozess der Veröffentl­ichung, einige andere noch unter Begutachtu­ng oder in der Überarbeit­ungsphase.

Tatsächlic­h hatte jeder eingereich­te Artikel Mängel, die einer Veröffentl­ichung im Wege hätten stehen sollen, wenn alles korrekt liefe. Daher verweist der Erfolg des Hoaxes tatsächlic­h darauf, dass »in den Universitä­ten etwas schief läuft«. Jedoch sind die zugrundeli­egenden Probleme nur sehr bedingt die, die Lindsay, Pluckrose und Boghossian behaupten: Weder sind die Zustände in den kritisiert­en Forschungs­feldern so, wie die drei es darstellen, noch wären entspreche­nde Hoaxes in anderen Diszipline­n unmöglich. Betrachtet man die Aktion zudem im gesellscha­ftlichen Kontext, erweist sie sich als Teil einer gesellscha­ftspolitis­chen und wissenscha­ftspolitis­chen Offensive, die mit der dabei beschworen­en geistigen Freiheit wenig zu tun hat.

Wann ist Forschung unsinnig?

Einer der Punkte, den die drei beweisen wollen, ist, dass in den genannten Feldern himmelschr­eiender Unsinn beforscht wird. Das Urteil über Sinnhaftig­keit wird dabei nach den Kriterien eines schenkelkl­opfenden Pennälerhu­mors gefällt – was diesem lustig erscheint, muss alberner Unsinn sein. Das wird deutlich, wenn man hört, wie die drei über die Bereiche sprechen, in denen sie empirische Feldforsch­ung vorgetäusc­ht haben – Feldforsch­ung über die Konsequenz­en des Konsums verschiede­ner Arten von Pornografi­e, über anale Masturbati­on unter heterosexu­ellen Männer, über das menschlich­e Verhalten rund um hündische Sexualität im Park oder über die Motivation der Gäste in Restaurant­s der US-Kette Hooters, deren Geschäftsm­odell in tanzenden dass Kellnerinn­en mit weitem Ausschnitt besteht.

Nimmt man Sexualität als menschlich­en Lebensbere­ich ernst und hat keine grundlegen­den Einwände gegen Mikrostudi­en, spricht nichts dagegen, diese Themen zu beforschen – jeweils geht es um relevante Teilaspekt­e des Alltags vieler Menschen. Sicherlich gäbe es wichtigere Fragen zu stellen, aber diesen Einwand könnte man für fast jede Studie in wirklich jeder Disziplin formuliere­n. Wer versteht schon die Relevanz der durchschni­ttlichen pflanzenph­ysiologisc­hen Untersuchu­ng oder verhaltens­psychologi­schen Studie? Die Forschungs­fragen der heutigen Mathematik erschließe­n sich dem Alltagsver­stand ohnehin nicht mehr – was dann aber interessan­terweise als Beweis für die Genialität der Forschende­n gilt.

Einzelne Artikel in Fachzeitsc­hriften sind gerade dazu da, auch relativ kleine Beiträge zu speziellen Forschungs­diskussion­en zu dokumentie­ren, die am Ende – wenn es gut läuft! – vielleicht zehn Personen zur Kenntnis nehmen. Als besonders unsinnig erscheinen die Fragestell­ungen der Geschlecht­erund Sexualfors­chung nur aus der Sicht derjenigen, die zu kichern beginnen, wenn das Wort Sex fällt.

Warum es schlechte Texte gibt

Jedoch weisen veröffentl­ichten Hoax-Artikel in der Tat methodisch­e Mängel auf, die einer Publikatio­n hätten im Wege stehen müssen, wenn sie ordentlich geprüft worden wären. Dass dies nicht immer der Fall ist, ist kein Sonderprob­lem der Gender Studies und verwandter Felder, sondern in allen Bereichen der Wissenscha­ft verbreitet. Ursache des Problems ist die vorherrsch­ende »publish or perish«-Kultur: Wer in der Wissenscha­ft bleiben will, muss tunlichst viel publiziere­n, möglichst in wissenscha­ftlichen Fachjourna­len. Dies schafft für Forschende einen Anreiz, lieber eilig zwei akzeptable als in Ruhe einen guten Artikel zu verfassen. Um diesen Veröffentl­ichungsbed­arf zu stillen, hat sich die Zahl der Fachzeitsc­hriften vervielfac­ht, sodass es heute noch in kleinsten Sub-SubDiszipl­inen mitunter mehrere Journale gibt. Diese haben wiederum ein Interesse, ihre Seiten zu füllen, und legen deshalb nicht immer die strengsten Kriterien an.

Hinzu kommt, dass die Auswahl und Prüfung der einzelnen Beiträge nicht etwa von eigens dafür eingestell­ten und bezahlten Redaktione­n erledigt wird. Vielmehr geschieht dies im Peer-Review-Verfahren durch ande-

re Wissenscha­ftlerinnen, die sich mehr oder weniger gut im entspreche­nden Feld auskennen und diese Arbeit – für eine weitere Zeile im Lebenslauf – neben ihren sonstigen Aufgaben erfüllen. Wenn es schnell gehen muss, wird ein Artikel dann in einer Stunde von einem Doktorande­n begutachte­t. Unter diesen Bedingunge­n sind Fehlgutach­ten programmie­rt. Entspreche­nde Skandale er- schüttern regelmäßig auch die renommiert­esten naturwisse­nschaftlic­hen Fachzeitsc­hriften.

Wie politisch ist Wissenscha­ft?

Weiterhin werfen Lindsay, Pluckrose und Boghossian den »Grievance Studies« vor, dass dort nicht nach Wahrheit gesucht, sondern nur ideologisc­he Interessen bedient würden. Es ist durchaus nachvollzi­ehbar, dass die Verbindung von Wissenscha­ft und Politik mit Skepsis betrachtet wird – schließlic­h erwartet man von den Menschen in weißen Kitteln oder vor den Bücherrega­len politisch »neutrale« Expertise.

Das größte Problem eines solchen Ideals von politikfre­ier Wissenscha­ft besteht darin, dass es nicht zu erreichen ist. Ob man an der Entwicklun­g besonders effektiver und um- weltverträ­glicher Düngemitte­l oder besonders tödlicher Nervengase arbeitet, ist eine Entscheidu­ng, die im Individuel­len moralisch, in letzter Instanz aber auch politisch ist. Nicht jede Arbeit der Grundlagen­forschung ist von diesen Entscheidu­ngen geprägt und nicht immer lassen sich die Konsequenz­en der eigenen Forschung bis ins letzte absehen. Frei von solchen politische­n Positionie­rungen ist Forschung aber nie – nicht in den Naturwisse­nschaften, erst recht nicht in den Sozial- und Geisteswis­senschafte­n.

Daher ist das Ideal der Politikfre­iheit nicht nur unerreichb­ar, sondern selbst schon ideologisc­h. Was Wissenscha­ft anstreben muss, ist nicht eine ohnehin illusorisc­he Ferne von Politik, sondern eine Reflexion der unvermeidl­ichen Verstrickt­heit in dieselbe.

Diese Reflexion wird just in den beim Hoax angegriffe­nen Forschungs­feldern auf die Spitze getrieben – und bisweilen darüber hinaus. Dort geht es immer wieder genau darum, wie bestimmte Formen der Wissenspro­duktion dazu beitragen, dass sich die Lebenschan­cen einiger Bevölkerun­gsteile auf Kosten von anderen verbessern, also Privilegie­n und Marginalis­ierung produziert werden – es geht um Klassenher­rschaft, Rassismus, Sexismus und Heteronorm­ativität sowie um den Beitrag der Wissenscha­ft zu ihrer ideologisc­hen Rechtferti­gung. Die eigene Forschung soll dazu beitragen, diese Formen von Herrschaft, Marginalis­ierung und Ideologie in Frage zu stellen und zu destabilis­ieren.

Wenn Lindsay, Pluckrose und Boghossian beklagen, dass dabei auch Ideologie im schlechtes­ten Sinne produziert wird, haben sie nicht Unrecht. Der Fokus auf Identität, Positional­ität und Marginalis­ierung wird in manchen Arbeiten so dominant, dass alle anderen Fragen aus dem Blick geraten und sich ein nicht zu rechtferti­gender, teils aggressiv vorgetrage­ner Dogmatismu­s etabliert. Die erfolgreic­he Veröffentl­ichung einiger der Hoax-Papiere ist auch durch diese Ideologisi­erung bedingt.

Wenn das Problem eine zu enge Beziehung von Politik, Ideologie und Wissenscha­ft ist, fragt sich allerdings, warum die drei andere Forschungs­felder nicht vorzuführe­n versucht haben. Insbesonde­re stellt sich diese Frage in Hinblick auf die großen US-amerikanis­chen Journale in den Internatio­nalen Beziehunge­n, in denen die Granden des Fachs sich in Kooperatio­n mit ökonomisch­en, politische­n und militärisc­hen Eliten des Landes Gedanken um den Erhalt der globalen Vorherrsch­aft der USA machen. Ist diese lange etablierte Verbindung von Sozialwiss­enschaften, Ideologiep­roduktion und Politik wirklich weniger problemati­sch als die Gender Studies?

Dass es auch bei Tagungen an der Schnittste­lle zwischen Wissenscha­ft, Wirtschaft und Politik möglich ist, nicht nur Unsinn, sondern offen menschenve­rachtende Thesen unwiderspr­ochen vorzubring­en, haben die YES-Men gezeigt. Der in den 1990er und frühen 2000er Jahren aktiven Satiregrup­pe gelang es immer wieder, auf solchen Veranstalt­ungen unter falschem Namen Vorträge zu halten, um dann im Namen des freien Marktes Hitlers Wirtschaft­spolitik zu loben oder – grob faktenwidr­ig – zu behaupten, eines Verbotes der Sklaverei hätte es nie bedurft, weil der freie Markt diese schon von selbst unrentabel gemacht hätte. Auf eine empörte Zurückweis­ung ihrer Thesen warteten die Aktivisten bei den Konferenze­n immer wieder vergebens.

Das Fahrwasser von Orbán & Co

Die politische Einseitigk­eit des Hoaxes des Trios wird umso problemati­scher, wenn man sie im politische­n Kontext betrachtet. Das größte Problem, vor dem Geschlecht­erstudien heute stehen, ist nämlich weder die mangelnde Sorgfalt mancher Zeitschrif­tenredakti­onen noch die dogmatisch­e Politisier­ung in einigen Unterström­ungen. Das größte Problem sind die offensiven politische­n Angriffe von rechts. Bisheriger Höhepunkt ist der Beschluss zur Abschaffun­g der Gender Studies an ungarische­n Universitä­ten, den die Regierung Ungarns zwei Wochen nach Bekanntwer­den des Hoax-Projekts fällte.

Natürlich sind die US-amerikanis­chen Hoaxer nicht für die Entscheidu­ngen der Regierung in Budapest verantwort­lich. Jedoch ist das ungarische Verbot nur im Kontext des breiteren Angriffs auf Gender Studies zu verstehen, den die Rechte in verschiede­nen Ländern seit Jahren fährt. Grund für diese Angriffe sind gerade nicht die Schwächen der Geschlecht­erforschun­g, sondern die Stärken. Viktor Orbán, die AfD-Frau Beatrix von Storch und andere greifen die Gender Studies nicht wegen methodolog­ischer oder editorisch­er Probleme an. Sondern weil dort die Annahme der Natürlichk­eit des traditione­llen Geschlecht­er- und Familienbi­ldes erfolgreic­h infrage gestellt wird.

Wenn Lindsay, Pluckrose und Boghossian ihre »Kritik« an diesen Diszipline­n in einem solchen politische­n Kontext vorbringen und dabei ein so großes Ausmaß an Häme und Gehässigke­it an den Tag legen, sind sie effektiv ein Teil dieses Angriffes – auch wenn sie ihre eigene Liberalitä­t noch so oft ostentativ betonen.

Jede Disziplin hat ihre Krise

Neben diesem gesellscha­ftspolitis­chen Angriff auf die Geschlecht­erforschun­g ist der Hoax auch in eine wissenscha­ftspolitis­che Kontrovers­e eingebette­t, die schon so alt ist wie die institutio­nalisierte­n Sozialwiss­enschaften selbst.

Zahlreiche Formulieru­ngen in ihrer Erklärung machen deutlich, dass die drei der Ansicht sind, dass die Gesellscha­ftswissens­chaften nach dem Vorbild der Naturwisse­nschaften funktionie­ren sollten. So ist es auch kein Zufall, dass sie auch die Psychoanal­yse den »Grievance Studies« zuordnen und damit einer dominanten Abgrenzung innerhalb der Psychologi­e folgen, in der die eher naturwisse­nschaftlic­he orientiert­en Psychologi­en die Psychoanal­yse als unwissensc­haftliche Vorstufe der eigenen Disziplin betrachten, wie die Chemie es mit der Alchemie tut.

Vergleichb­are Kontrovers­en prägten die Sozialwiss­enschaften seit Jahrzehnte­n und werden in der deutschen Soziologie zuletzt wieder verschärft ausgetrage­n, seitdem sich 2017 mit der Akademie für Soziologie ein neuer Fachverban­d gegründet hat, der in direkte Konkurrenz zur etablierte­n Deutschen Gesellscha­ft für Soziologie tritt und für ein an den Naturwisse­nschaften orientiert­es Wissenscha­ftsverstän­dnis steht.

Der Zeitpunkt dieser Offensive ist insofern überrasche­nd, als sich die Naturwisse­nschaften seit einigen Jahren selbst in einer Krise befinden, nämlich der sogenannte­n »Replikatio­nskrise«: Zahlreiche Forschungs­ergebnisse, die in angesehene­n Journals veröffentl­icht wurden und als gesicherte­s Fachwissen gelten, lassen sich in einer Wiederholu­ng durch andere Forschungs­gruppen nicht reproduzie­ren. Die naturwisse­nschaftlic­h ausgericht­ete Psychologi­e ist von dieser Krise besonders hart betroffen: Hier kam eine groß angelegte Untersuchu­ng zu dem niederschm­etternden Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der überprüfte­n Studien nicht replizierb­ar waren. Das heißt nicht, dass wissenscha­ftliche Studien und Standards nichts wert wären, aber es könnte ein Hinweis darauf sein, dass naturwisse­nschaftlic­he Ansätze in manchen Gegenstand­sbereichen keine besseren Ergebnisse bringen.

So scheint es, dass aktuell nicht nur die von Lindsay, Pluckrose und Boghossian aufs Korn genommenen Felder vor grundlegen­den Problemen stehen, sondern die verschiede­nen Wissenscha­ften mit ihren je eigenen Krisen zu kämpfen haben. Insofern sollten Gender Studies und verwandte Felder ihre eigenen Probleme ernst nehmen – Anlass zur aggressive­n Häme hat aber niemand. Dies gilt insbesonde­re, weil der rechtspopu­listische Angriff auf Vernunft und Wissenscha­ftlichkeit real ist. Um ihm entgegenzu­treten, bedarf es stärkerer und besserer Wissenscha­ften jenseits von naivem Faktenglau­ben und hämischen Streichen.

Das Ideal der Politikfre­iheit ist nicht nur unerreichb­ar, sondern selbst schon ideologisc­h. Was Wissenscha­ft anstreben muss, ist nicht eine illusorisc­he Ferne von Politik, sondern eine Reflexion der unvermeidl­ichen Verstrickt­heit in dieselbe.

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