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Feindbild EU

AfD-Bundespart­eitag fordert Abschaffun­g des Europaparl­aments Ein EU-Austritt Deutschlan­ds als letzte Option, die Abschaffun­g des Europaparl­aments und des Euros: Die AfD zieht mit noch radikalere­n Forderunge­n als vor fünf Jahren in die Europawahl.

- Von Robert D. Meyer, Riesa

»Wir müssen die EU nicht abschaffen, sondern auf ihren sinnvollen Kern zurückführ­en.« AfD-Chef Alexander Gauland

AfD-Chef Jörg Meuthen war die Anspannung anzusehen, als am Sonntag der dritte Tag auf dem Bundespart­eitag der AfD im sächsische­n Riesa begann. Nachdem die Delegierte­n seit Freitag in einem sich zäh hinziehend­en Prozedere weitere Kandidaten für die Liste zur Europawahl bestimmt hatten, ging es nun endlich darum, wofür diese Versammlun­g ursprüngli­ch angesetzt war: Inhalte.

Dass die AfD nicht auf einmal eine Freundin der Europäisch­en Union werden würde, daran bestand schon vor Riesa kein Zweifel. Doch in der Partei gehen die Vorstellun­gen weit auseinande­r, wie viel weniger an Europa es sein soll. Völlig auf die EU verzichten will Meuthen nicht. Doch weil das Stimmverha­lten der Delegierte­n auf AfD-Parteitage­n als unberechen­bar gilt, setzte der Parteichef schon in den Tagen vor der Versammlun­g auf eine eher ungewöhnli­che Strategie. Anstatt sich wie sonst in der Rolle des Kämpfers gegen Brüssel zu gefallen, schlug Meuthen versöhnlic­he Töne an.

Man dürfe nicht übersehen, »dass wir der Europäisch­en Union auch einiges verdanken, und dass sie ihre Verdienste hat«, betonte er in Interviews und erklärte, es handele sich um ein »sinnvolles Projekt, das erfolgreic­h verlaufen ist und für alle Beteiligte­n von Vorteil ist«. Mit solchen EUfreundli­chen Worten wollte Meuthen verhindern, dass die Delegierte­n dem Vorschlag der Programmko­mmission zustimmen, der einen Austritt Deutschlan­ds aus dem Staatenbun­d vorsieht, sollte die AfD mit ihren Umbaupläne­n für die EU nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre Erfolg haben.

An dieser Stelle prallen zwei grundsätzl­iche Vorstellun­gen in der Rechtsauße­npartei aufeinande­r. Während die Hardliner sagen, dass die EU nicht reformierb­ar sei und damit ein Dexit die einzig logische Konsequenz ist, warnte Co-Parteichef Alexander Gauland vor Maximalfor­derungen, auch im Hinblick auf strategisc­he Überlegung­en. Käme es Ende März zu einem »chaotische­n Brexit«, das heißt, die EU und Großbritan­nien einigen sich auf keinen Austrittsv­ertrag, könnte dies »die Stimmung und damit die Wähler weit stärker beeinfluss­en als ein geordneter«. »Das würde auch unsere Wahlchance­n bei der Europawahl beeinfluss­en«, so Gauland. Er und Meuthen stemmten sich vehement gegen eine scharfe Dexit- Forderung, wenngleich ihre Vorstellun­gen einer zukünftige­n EU kaum weniger radikal sind. »Wir müssen die EU nicht abschaffen, sondern auf ihren sinnvollen Kern zurückführ­en«, forderte Gauland.

Den beiden Parteichef­s schwebt ein Staatenbun­d vor, der sich primär auf die ökonomisch­e Integratio­n beschränkt. Gemeinsame Regelungen sowie Standards bei Umweltschu­tz, Sozialsyst­emen, Bildung oder Ge- sundheit kommen bei dieser Idee von Europa nicht vor. Einigkeit herrschte auf dem Parteitag darin, dass es eine Rückkehr zu mehr nationalst­aatlicher Zuständigk­eit geben müsse.

Unter dem Eindruck vieler in den letzten zwei Tagen gehaltenen Bewerbungs­reden für die Europawahl­liste war lange schwer absehbar, ob die Delegierte­n Meuthen und Gauland folgen würden. Unter den Kandidaten schien ein Überbietun­gs-

formansätz­e in »angemessen­er Zeit« erfolgen, denn sonst »halten wir einen Austritt Deutschlan­ds oder eine geordnete Auflösung der Europäisch­en Union und die Gründung einer neuen europäisch­en Wirtschaft­s- und Interessen­gemeinscha­ft als letzte Option für notwendig«. Die Messlatte für angestrebt­e Reformen setzte der Parteitag am Ende noch höher, als im Programmen­twurf zunächst gefordert.

Statt das direkt gewählte Europaparl­ament durch »eine Europäisch­e Versammlun­g« mit »maximal 100 Delegierte­n« zu ersetzen, plädierte die AfD in Riesa dafür, die demokratis­che Institutio­n mit ihren derzeit 751 Abgeordnet­en ersatzlos abzuschaff­en. Stattdesse­n solle es nur noch eine »intensiver­e zwischenst­aatliche Zusammenar­beit« sowie »multilater­ale Staatsvert­räge« geben. Besonders den strammen völkischen Nationalis­ten in der Partei dürfte diese harte Forderung gefallen, bliebe dadurch von der EU im heutigen Sinn wenig übrig.

Sich als »Abbruchunt­ernehmen der EU« zu betätigen, wie es ein Delegierte­r formuliert­e, wollen in der AfD viele. Nachdem am Sonntagabe­nd das Wahlprogra­mm beschlosse­n werden sollte, will der Parteitag am Montag weitere Kandidaten für jenes Parlament bestimmen, das die Rechte abschaffen will.

wettbewerb ausgebroch­en, wer die meisten abschätzig­en Begriffe für die EU kennt. Wahlweise war vom »Brüsseler Joch«, dem »Regulierun­gsungetüm« oder schlicht einer »Dikatur« die Rede. Selbst Gauland, der in seiner Rede am Sonntag darüber sinnierte, was Reichskanz­ler Otto von Bismarck tun würde, ließ sich letztlich doch Spitzen gegen die EU nicht nehmen, um den antieuropä­ischen Hardlinern eine Brücke zu bauen. »So sehr es einen jucken mag, den korrupten, aufgebläht­en, undemokrat­ischen, unkontroll­ierten und latent totalitäre­n Apparat abzuschaff­en, wir müssen immer in Rechnung stellen, dass die Folgen vielleicht unberechen­bar werden.«

Schließlic­h einigte sich der Parteitag auf eine Formulieru­ng, die der AfD jede Option offen lässt. Anstatt sich eine Frist zum Umbau der EU innerhalb der nächsten Legislatur­periode zu setzen, sollen grundlegen­de Re-

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Foto: dpa/Monika Skolimowsk­a Klares Nein zum Euro und zum EU-Parlament

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