Kampf dem Huachicoleo
Maßnahmen von Mexikos Regierung gegen Benzinraub schaffen Versorgungsprobleme
In Mexiko herrscht Treibstoffknappheit, weil der Benzinraub gewaltige Ausmaße angenommen hat. Neben Drogenkartellen mischen auch korrupte Politiker bei diesen lukrativen Geschäften mit.
Kilometerlange Schlangen vor Tankstellen, geschlossene Zapfstationen in mehreren Bundesstaaten – in Mexiko ist zum Anfang des neuen Jahres der Treibstoff knapp geworden. Dies hat zu teilweise chaotischen Zuständen, Panikkäufen und Unmut geführt. In Guadalajara im Bundesstaat Jalisco hatten zuletzt nur 40 Prozent der 450 Tankstellen Benzin, in León im Bundesstaat Guanajuato gar nur 22 von 200. In Morelia, Michoacán, wiederum hatten mehr als eine Million Schüler sowie Tausende Angestellte Probleme, in die Schule und an ihre Arbeitsplätze zu kommen. Auch fuhren viele Busse wegen Benzinmangels nicht.
Hintergrund der Probleme ist ein Aktionsplan gegen Benzinraub an Pipelines, den die Regierung des neugewählten linken Präsidenten Andrés Manuel López Obrador am 20. De- zember als eine ihrer ersten Maßnahmen in Gang gesetzt hat. Dieser sieht vor, Benzin zeitweilig statt über Leitungen »sicher« in Fässern und Tankwagen an die Tankstellen zu liefern. »Huachicoleo«, wie Benzinraub in Mexiko genannt wird, hat in den vergangenen Jahren tatsächlich gewaltige Ausmaße angenommen. Allein im vergangenen Jahr gingen dem staatlichen Ölkonzern Petróleos Mexicanos (Pemex) dadurch geschätzte drei Milliarden US-Dollar verloren.
Energieministerin Rocío Nahle räumte jetzt in einem Radiointerview Fehler bei der Umsetzung des Aktionsplans ein: »Möglicherweise hatten wir zum Zeitpunkt der Berechnung nicht ausreichend Logistik« für die Versorgung der Tankstellen mit Kesselwagen. Dies habe zu dem Benzin- und Dieselmangel in verschiedenen Regionen des Landes geführt. Die Ministerin hob indes hervor, dass es Versorgungsprobleme vor allem in Regionen gegeben habe, in denen besonders viele illegale Entnahmen registriert worden waren. In MexikoStadt, Veracruz oder Yucatán hingegen habe es es keine Knappheit gegeben. Experten geben allerdings zu bedenken, dass viele Tankstellenbe- sitzer erpresst worden seien, geklauten Treibstoff zu verkaufen.
Angesichts der chaotischen Zustände in verschiedenen Landesteilen versuchte Präsident López Obrador, die Gemüter zu beruhigen. Es handele sich um eine »vorübergehende Situation, bis wir das Huachicoleo-Problem gelöst haben«, erklärte er. Es gebe ausreichend Benzin im Land.
Der Regierungsplan sieht auch die Überwachung von Raffinerien und Ölanlagen durch die Armee vor. Rund 4000 Soldaten sollen die 58 PemexEinrichtungen schützen. Darüber hinaus laufen Untersuchungen gegen Manager des Ölkonzerns, die in den Benzinraub verwickelt sein sollen. Ende Dezember hatte López Obrador erklärt, dass innerhalb von Pemex ein Netzwerk aufgedeckt worden sei, das Treibstoff abgezweigt und selbst vertrieben habe. Mehrere Beamte wurden bereits festgenommen. Es gehe darum, »ein korruptes System von der Wurzel an auszumerzen«, das eng mit der öffentlichen Verwaltung verwoben sei, so der Präsident.
Auch die mexikanischen Drogenkartelle, die in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsfelder diversifiziert haben, mischen in dem Milliarden- geschäft mit Benzinraub mit. Vor einigen Jahren noch war der organisierte Diebstahl von Treibstoff ein Nebengeschäft und diente den Kartellen lediglich dazu, ihre Lkw- und Flugzeugflotten zu versorgen. Doch als im Januar 2017 der damalige Präsident Enrique Peña Nieto von der über viele Jahrzehnte alles beherrschenden Partei PRI als Teil seiner umstrittenen Energiereform die Benzin- und Gaspreise liberalisierte, wurde der Benzinraub zu einem noch lukrativeren Geschäft und schnellte in die Höhe. Auch lokale und regionale Banden beteiligten sich nun daran – zu Lasten von Pemex.
Den Verweis auf die Drogenkartelle hält der neue Präsident López Obrador allerdings für eine »Vernebelung«, um die Beteiligung der früheren Regierung zu verschleiern. Beim Staatskonzern Pemex, der das gesamte Leitungssystem verwaltet, müsse aufgefallen sein, wenn der Leitungsdruck abfiel, als Brennstoff in parallele Netze umgeleitet wurde, die eigens zu diesem Zweck geschaffen worden sein. »Doch bei Pemex herrschte eine vollständige Komplizenschaft«, so der Präsident. »Und das ist es, was wir korrigieren werden.«