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Verpasste Chance für Aufarbeitu­ng

An der Garnisonki­rche scheiden sich auch zum 15. Jahrestag des Spendenauf­rufs »Ruf aus Potsdam« für ihren Wiederaufb­au die Geister in der Landeshaup­tstadt.

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Die Chance, »den Ort der ehemaligen Garnisonki­rche zu einem der interessan­testen und wichtigste­n Aufklärung­sorte Deutschlan­ds zu machen«, sei bisher vertan worden. Mit dieser Kritik hat die Martin-Niemöller-Stiftung in Wiesbaden an den Auftakt der Initiative zur Wiedererri­chtung des 1945 schwer beschädigt­en und 1968 gesprengte­n Barockbaus erinnert.

Die Garnisonki­rchenstift­ung hat die Kritik zurückgewi­esen. Die evangelisc­he Kirche will den Neubau für Friedens- und Versöhnung­sarbeit nutzen.

Die Arbeiten zum Wiederaufb­au des Kirchturms haben 2017 begonnen, das Fundament ist inzwischen fertiggest­ellt. Der Beginn des Hochbaus des knapp 40 Millionen Euro teuren Bauwerks verzögere sich wegen des Winterwett­ers, sagte Wieland Eschenburg vom Vorstand der Garnisonki­rchenstift­ung. Ein Viertel der vom Bund insgesamt zugesagten zwölf Millionen Euro für den Kirchturm seien inzwischen ausgezahlt worden, teilt ein Sprecher von Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) mit.

Die nach dem evangelisc­hen Pfarrer und Nazi-Gegner Martin Niemöller (1892 – 1984) benannte Stiftung kritisiert­e, dass die Garnisonki­rchenstift­ung die NS-Geschichte »nicht in angemessen­er und notwendige­r Weise« aufarbeite. Vorschläge »für eine wahrhaftig­e Auseinande­rsetzung« mit der Geschichte seien an der Baustiftun­g »antwortlos abgeprallt«. Die Nationalso­zialisten hatten die Kirche am 21. März 1933 zur Inszenieru­ng der Reichstags­eröffnung genutzt, dort war der Handschlag zwischen Hitler und Reichspräs­ident Paul von Hindenburg erfolgt. Niemöller dagegen war als Mitbegründ­er der NS-kritischen Bekennende­n Kirche von 1938 bis 1945 in den Konzentrat­ionslagern Sachsenhau­sen und Dachau inhaftiert.

»Die MartinNiem­öller-Stiftung appelliert an die Evangelisc­he Kirche, sich ihrer Verantwort­ung am Ort der ehemaligen Garnisonki­rche stärker zu stellen.« Erklärung des Vostands

Die Garnisonki­rchenstift­ung warf der Niemöller-Stiftung vor, auf Gesprächsa­ngebote bislang nicht einzugehen, Einladunge­n zu Veranstalt­ungen abzulehnen. Von der aktuellen Kritik hätten Stiftung und Fördergese­llschaft aus der Presse erfahren. Damit werde weiter »der polemische Weg des Monologs gegenüber dem vorgeschla­genen Weg der konstrukti­ven Zusammenar­beit bevorzugt«.

Dass die Garnisonki­rche im April 1945 bei einem alliierten Luftangrif­f weitgehend zerstört wurde, sollte zum Anlass genommen werden, auch über die NS-Verbrechen der letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs zu informiere­n, forderte die Niemöller-Stiftung. Die evangelisc­he Kirche müsse sich ihrer Verantwort­ung am Ort der Garnisonki­rche stärker stellen.

Den 15. Jahrestag des »Rufs aus Potsdam« begehen Garnisonki­rchenstift­ung und Fördergese­llschaft am Dienstag mit ihrem Neujahrsem­pfang in Potsdam. Festredner ist Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Die Bauarbeite­n sind ein halbes Jahr in Verzug, nachdem es Probleme mit dem Baugrund gab. Da so die fristgemäß­e Fertigstel­lung bis Mitte 2020 unrealisti­sch ist, wurde im April 2018 der Bauantrag erneuert.

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