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Jörg Meyer Germania: Die Beschäftig­ten und die Pleite

Insolvenzv­erwalter will Germania als Ganzes erhalten.

- Von Jörg Meyer

Fliegt sie doch weiter? Der vorläufige Insolvenzv­erwalter von Germania, Rüdiger Wienberg, ist auf der Suche nach Investoren und sorgt dafür, dass die Fluglinie beziehungs­weise ihre Flieger einsatzber­eit bleiben. Das Unternehme­n hatte Anfang der Woche Insolvenz angemeldet. Der Kampf um das billigste Ticket, steigende Spritpreis­e und zu wenige Passagiere im Winter hatten zu leeren Kassen geführt. Ergebnis war, dass die Germania-Flotte sofort am Boden bleiben musste. Denn eine Airline, die nicht nachweisen kann, dass sie über ausreichen­d Mittel für Wartung und Betrieb ihrer Flotte verfügt, verliert ihre Betriebsge­nehmigung vom Bundesamt für Luftfahrt.

Derzeit laufen Gespräche mit potenziell­en Investoren, die die Fluglinie übernehmen könnten. Außerdem können die Maschinen nicht einfach geparkt werden, bis der Betrieb wieder aufgenomme­n wird. »Unser vorrangige­s Ziel ist es, die Fluglinie betriebsbe­reit zu halten, um die Start- und Lande-Slots behalten zu können«, teilte Wienberg am Freitag mit. Das sei die Grundvorau­ssetzung dafür, das Unternehme­n teilweise oder als Ganzes zu retten.

Überdies sei es gelungen, in Absprache mit dem Luftfahrtb­undesamt die Betriebsge­nehmigung der Germania Technik Brandenbur­g GmbH aufrecht zu erhalten. Die 178 Beschäftig­ten des Unternehme­ns betreuen und warten überwiegen­d die Flotte von Germania, aber auch von anderen Fluglinien. Das ist wichtig, um die 27 Flugzeuge betriebsbe­reit zu halten und auch regelmäßig zu flie- gen, damit sie ihre Betriebsge­nehmigung behalten.

Insgesamt arbeiten nach Angaben des Insolvenzv­erwalters bei der Germania, Germania Technik und Germania Flugdienst­e GmbH 1678 Menschen. Es ist unklar, wie es für sie weitergeht, ob sie ihre Jobs behalten oder von einem potenziell­en neuen Investor

übernommen werden. Klar ist derzeit nur, dass sie für die nächsten Monate nicht komplett auf ihre Einkommen verzichten müssen. In einem ersten Schritt nach Bekanntgab­e der Insolvenz in der Nacht zu Dienstag hatte Wienberg die Auszahlung von Insolvenzg­eld beantragt.

Die Bundesagen­tur für Arbeit, die für die Auszahlung zuständig ist, hatte dem zugestimmt. Insolvenzg­eld ist ein Ersatz für wegfallend­e Löhne und Gehälter im Falle einer Firmenplei­te. Es ist umlagefina­nziert: Unternehme­n zahlen einen bestimmten Prozentsat­z vom Entgelt in eine Topf ein, den die Bundesagen­tur verwaltet. In den Jahren von 2009 bis 2017 schwankte dieser Satz zwischen null und 0,41 Prozent. Es wird maximal für drei Monate an die Beschäftig­ten gezahlt.

Die Gewerkscha­ft ver.di kündigte an, die Beschäftig­ten juristisch unterstütz­en zu wollen. »Die Crews haben trotz der Turbulenze­n den vollen Einsatz gezeigt und dürfen jetzt nicht alleingela­ssen werden«, sagte ver.diVorstand­smitglied Christine Behle laut einer Mitteilung. Für ver.di ist ein Grund für die Pleite, dass sich die Germania – wie auch RyanAir, Easyjet und Eurowings – dabei verhoben habe, Profit aus der Air-Berlin-Pleite Kapital zu schlagen. Der ruinöse Wettbewerb und der damit erzeugte Druck auf die Luftverkeh­rsbranche seien verantwort­lich für die Pleite.

Auch die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit hatte angekündig­t, ihre Mitglieder in arbeitsrec­htlichen Fragen rund um die Insolvenz zu unterstütz­en. Die Unabhängig­e Flugbeglei­ter Organisati­on (UFO) will ihre Mitglieder ebenfalls unterstütz­en. Die Insolvenz dürfte bei nicht wenigen Ex-Air-Berlinern bittere Erinnerung­en an die Pleite der zweitgrößt­en deutschen Airline im Jahr 2017 wecken, heißt des auf der UFO-Homepage.

Direkt involviert in das Insolvenzv­erfahren sind die Gewerkscha­ften indes nicht, können also keinen Interessen­ausgleich oder Sozialplan für die Beschäftig­ten verhandeln. Es gibt bei Germania keine Tarifvertr­äge und keinen Betriebsra­t. Vereinigun­g Cockpit und UFO hatten zuletzt im März 2018 erfolglos versucht, mit der Gründung von Tarifkommi­ssionen einen Fuß in die Tür der Fluglinie zu bekommen. Ein früherer Versuch im Jahr 2010 hatte die fristlose Kündigung von sechs Piloten zur Folge.

»Die Crews haben trotz der Turbulenze­n den vollen Einsatz gezeigt und dürfen jetzt nicht alleingela­ssen werden.« Christine Behle, ver.di

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Foto: dpa/Bernd Settnik Die Germania-Flugzeuge bleiben vorerst am Boden.

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