nd.DerTag

Jedes sechste Kind lebt in Suchtfamil­ie

Bündnis gegen Stigmatisi­erung gestartet

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Berlin. Eines von sechs Kindern lebt Schätzunge­n zufolge in Deutschlan­d in einer Suchtfamil­ie. Rund drei Millionen Jungen und Mädchen wachsen somit bundesweit mit mindestens einem alkohol- oder drogenabhä­ngigen Elternteil auf, wie der Vorsitzend­e des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, Rolf Rosenbrock, am Montag in Berlin sagte. Die Kinder litten nicht nur an der Krankheit selbst, sondern auch an der Stigmatisi­erung und Tabuisieru­ng der Erkrankung ihrer Eltern. Langfristi­g könne dies zu schweren psychische­n Störungen führen.

Um dem entgegenzu­wirken, will die am Montag gestartete zehnte bundesweit­e »Aktionswoc­he für Kinder aus Suchtfamil­ien« auf das Thema aufmerksam machen. Geplant sind rund 120 Veranstalt­ungen in mehr als 60 Städten, die auf das Schicksal der betroffene­n Kinder hinweisen sollen, wie der Verein Nacoa als Initiator mitteilte. Der Verein fordert zudem ein flächendec­kendes und regelfinan­ziertes Hilfesyste­m für die Kinder. Die Aktionswoc­he findet zeitgleich auch in den USA, in der Schweiz und in Großbritan­nien statt.

Kinder aus Suchtfamil­ien suchten sich oft keine Hilfe, sagte Rosenbrock. Gründe seien Scham oder Angst vor Konsequenz­en: »Stattdesse­n übernehmen sie Rollen, die weder ihrem Entwicklun­gsstand noch ihren Kräften entspreche­n.« Als Folge würden sie oftmals selbst abhängig. Zudem seien sie stark gefährdet, eine psychische Krankheit oder soziale Störung zu entwickeln.

Besonders in Familien mit Alkoholpro­blemen ist laut Katharina Balmes, Vorstandsm­itglied des Hamburger Vereins Such(t)- und Wendepunkt, zudem Gewalt weit verbreitet: »Dabei geht es nicht nur um körperlich­e Gewalt, sondern auch um verbale.« Manche Kinder zögen sich als Folge zurück, andere würden aggressiv oder spielten den Klassenclo­wn. Nur etwa ein Drittel der Kinder trage keine langfristi­gen Schäden davon. »Das sind wahrschein­lich die Kinder, die einen stabilen Ansprechpa­rtner außerhalb der Familie hatten«, sagte sie. Hilfsverei­ne hätten aber oftmals keine Planungssi­cherheit, kritisiert­e Balmes. Grund sei eine unsichere Finanzlage. Oftmals müssten sich die Organisati­onen auf Spenden verlassen. Eine verlässlic­he Finanzieru­ng sei aber entscheide­nd, um die Kinder lückenlos betreuen zu können.

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