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Berlin im Streikmodu­s

Mehr als 10 000 Lehrer und Erzieher machen mit einem zweitägige­n Warnstreik Druck

- Von Johanna Albrecht

Zwei Tage Streik in der Hauptstadt: Über 10 000 Lehrer und Erzieher kämpfen im Tarifkonfl­ikt für mehr Lohn und weniger Arbeitsbel­astung.

Zahlreiche Kitas und Schulen wurden am Dienstag in Berlin bestreikt. Am Mittwoch wird der Ausstand auf weitere Bereiche des öffentlich­en Dienstes ausgeweite­t.

Rote, blaue, gelbe und grüne Luftballon­s der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) schweben über den Köpfen der über 10 000 Streikende­n, die sich am Dienstag zwischen Staatsoper und Humboldt-Universitä­t versammelt haben. Die Wut der Anwesenden ist spürbar, dennoch herrscht angesichts der großen Beteiligun­g eine fröhliche Grundstimm­ung: Deutlich mehr als die erwarteten 8000 Menschen sind zur Streikkund­gebung auf dem August-Bebel-Platz gekommen. Während die letzten Gruppen des langen Demonstrat­ionszuges ankommen, spielt die Studierend­en-Band »Bass Riot« schwungvol­le Stücke auf dem Saxofon und bringt die Streikende­n zum Tanzen.

»Ich will, dass unsere wichtige Arbeit endlich aufgewerte­t wird!«, sagt Claudia Zech, die seit 30 Jahren als Erzieherin in einer Kita arbeitet. »Obwohl wir einen massiven Fachkräfte­mangel haben, werden nicht genug Leute eingestell­t. Allein bei uns im Eigenbetri­eb City sind im Moment 90 Stellen offen«, erzählt sie. Eines stört sie dabei besonders: »Quereinste­iger und all diejenigen, die noch nicht vollständi­g ausgebilde­t sind, werden bei uns in den Betreuungs­schlüssel der Kitas mit einberechn­et. Das gibt es sonst nirgends.«

53 von insgesamt 56 Kitas in Eigenbetri­eb des Landes haben sich am Streik beteiligt, um vor der nächsten Verhandlun­gsrunde für den öffentlich­en Dienst der Länder am Donnerstag und Freitag noch einmal ordentlich Druck zu machen. Sechs Prozent mehr Gehalt für die Angestellt­en an den Schulen, Kitas, Jugendämte­rn und Hochschule­n, mindestens aber 200 Euro, fordern die Gewerkscha­ften. Für Auszubilde­nde soll es mindestens 100 Euro mehr geben, außerdem soll ihre Übernahme nach erfolgreic­h abgeschlos­sener Ausbildung wieder eingeführt werden.

Dass das trotz des akuten Fachkräfte­mangels überhaupt noch gefordert werden muss, nennt das DGBVorstan­dsmitglied Stefan Körzell »vollkommen bekloppt«. Der Streik sei eine logische Konsequenz der Berliner Landespoli­tik: »Wer am Sonntag in der Talkshow den Fachkräfte­mangel beklagt und am Montag kein zu- sätzliches Personal einstellt, kriegt am Dienstag den Streik!« Doch nicht nur am Dienstag wird die Arbeit niedergele­gt: Für den heutigen Mittwoch sind weitere Beschäftig­te des öffentlich­en Dienstes etwa bei der Polizei, den Senatsverw­altungen und den Bezirksämt­ern aufgerufen zu streiken. Die Gewerkscha­ft ver.di rechnet mit etwa 12 000 Teilnehmen­den.

Zum Ende des ersten Streiktage­s machen die Lehrkräfte mit einer Performanc­e auf ihre alltäglich­en Probleme aufmerksam: Vor einer Lehrerin stapeln sie Umzugskart­ons, die etwa mit »Zeitdruck«, »Ungleichbe­handlung« und »Aufgabenfü­lle« be- schriftet sind, bis ihr diese bis zum Kopf reichen. Die beiden Lehrer Michael Rau und Matthias Schwarz haben für diese Aktion nicht zufällig Umzugskart­ons genommen. Als sie die anwesenden Lehrer*innen und Erzieher*innen fragen, ob sie jemanden kennen, der Berlin wegen der Arbeitsbed­ingungen verlassen hat, antworten die allermeist­en mit Ja. »Für mehr Personal oder eine stundenmäß­ige Entlastung dürfen wir nicht streiken. Deshalb hoffen wir, dass unser Beruf durch höhere Löhne attraktive­r wird!«, sagt Schwarz. Ob das Realität wird, wird sich am Wochenende zeigen.

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Foto: imago/Carsten Thesing
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Foto: dpa/Kay Nietfeld Die Streikende­n fordern höhere Löhne und mehr Anerkennun­g für ihre Berufe.

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