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Gemeinnütz­igkeit von Attac aberkannt

Bundesfina­nzhof nennt Versuche der politische­n Einflussna­hme als Grund

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München. Nach jahrelange­m Rechtsstre­it hat das höchste deutsche Finanzgeri­cht dem globalisie­rungskriti­schen Netzwerk Attac wegen tagespolit­ischen Aktivismus' die Gemeinnütz­igkeit aberkannt. Der Bundesfina­nzhof (BFH) kommt in dem am Dienstag veröffentl­ichten Urteil zu dem Schluss, dass die von Attac geführten Kampagnen keine gemeinnütz­ige politische Bildungsar­beit sind. Der fünfte Senat verweist in der Entscheidu­ng auf die Abgabenord­nung, in der insgesamt 25 gemeinnütz­ige Tätigkeits­bereiche festgelegt sind. Dazu zählen unter anderem Sport, Umweltschu­tz und Volksbildu­ng, nicht aber Tagespolit­ik.

Der BFH betonte, dass es nicht um die politische­n Inhalte von Attac gehe, sondern um die Grundsatzf­rage, ob »allgemeinp­olitische Tätigkeit« mit der Gemeinnütz­igkeit vereinbar sein könne. Das Urteil bedeute nicht, dass gemeinnütz­ige Organisati­onen überhaupt nicht politisch aktiv sein dürfen. Im Vordergrun­d müsse aber der gemeinnütz­ige Zweck stehen.

Nordirland ist ein Zankapfel der Brexit-Verhandlun­gen. Der Versuch von Theresa May, eine Parlaments­mehrheit für den »Backstop« zu finden, scheiterte. Dadurch sollte Nordirland für einen begrenzten Zeitraum mit einem Sonderstat­us ausgestatt­et werden und so eine bewachte, »harte« Grenze durch die Insel verhindert werden. Denn nach dem Brexit wird sich eine Außengrenz­e der Europäisch­en Union über die irische Insel ziehen.

Die Lösung eines Sonderstat­us für Nordirland wird jedoch von Hardlinern unter den konservati­ven Tories und der nordirisch­en DUP verhindert. Die »Democratic Unionist Party« ist eine kleine Regionalpa­rtei. Mit ihren zehn Abgeordnet­en stützt sie seit den vergangene­n Parlaments­wahlen die knappe Mehrheit von Theresa May im britischen Unterhaus. Sie ist eine ultrakonse­rvative Partei, deren Mitglieder strenggläu­bige Presbyteri­aner sind. Die DUP ist loyal zum britischen Könighaus und sieht die Gefahr, dass durch einen Sonderstat­us die Provinz sich vom britischen Königreich lösen könnte. Doch ohne Sonderstat­us wird es zu einer harten Grenze mit Personenun­d Warenkontr­ollen kommen.

Eine befestigte Grenze schürt die Angst für einem neuerliche­n Aufflammen des Nordirland­konflikts. Der Konflikt begann 1968 und forderte in den darauffolg­enden drei Jahrzehnte­n fast 4000 Menschenle­ben. Seit dem Friedenspr­ozess und der Unterzeich­nung des Karfreitag­sabkommens von 1998 besteht weiterhin ein konstantes Gewaltleve­l. In den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n waren die noch aktiven loyalistis­chen und republikan­ischen Paramilitä­rs für über 70 Todesopfer verantwort­lich.

Wie real die Gefahr von Anschlägen ist, zeigte die Explosion einer

Autobombe in der Stadt Derry. Am 19. Januar detoniere eine Sprengladu­ng der »Neuen IRA« vor dem Gerichtsge­bäude. In einer Stellungna­hme erklärte die Gruppe, sie gedenke damit des 100. Jahrestags des irischen Unabhängig­keitskrieg­s.

Die Gefahr weiterer Anschläge wurde kürzlich durch ein Interview des ehemaligen »Real IRA«-Mitglieds John Connolly befeuert. Der ehemalige Sprecher der republikan­ischen Gefangenen im Hochsicher­heitsgefän­gnis Maghaberry erklärte, dass jegliche Infrastruk­tur entlang der Grenze eine Anschlagsz­iel sei.

Ähnliches beteuerte auch der Vorsitzend­e der Partei »Saoradh«, Brian Kenna. Er erklärte, eine bewachte Grenze wird »die Realität der Teilung Irlands in die Köpfe der Menschen zurückbrin­gen« und Republikan­er werden dies versuchen auszunutze­n. »Saoradh« gilt als der politische Arm der »Neuen IRA«.

Die Geheimdien­ste bereiten sich intensiv auf eine derartige Situation vor. Im Januar wurde bekannt, dass der britische Dienst MI5 in Nordirland 700 Agenten im Einsatz hat. Vor wenigen Tagen berichtete der

Irish »Daily Mirror«, dass die irische Polizei »An Garda Síochána« Listen von IRA-Sympathisa­nten für den Falle eines harten Brexits erstelle. Dies ruft die Internieru­ngswelle von 1971 in Erinnerung, als über 3000 Personen in Lager gesperrt wurden.

Zu einem neuen Krieg wird es in Nordirland nicht kommen. Doch sogenannte dissidente­n Republikan­er haben das Potenzial und den Willen, ihren bewaffnete­n Kampf für die Vereinigun­g Irlands und die Etablierun­g einer sozialisti­schen Republik weiterzufü­hren. Als dissidente Republikan­er werden jene Gruppen bezeichnet, die sich ab 1986 von Sinn Féin und der IRA abgespalte­n haben, da sie den Friedenspr­ozess nicht unterstütz­en. Zu ihnen zählen paramilitä­rische Organisati­onen wie »Continuity IRA« und »Real IRA«.

Die größte und aktivste dieser Gruppen ist die »Real IRA«. Sie gründete sich 2012. In der Stellungna­hme zur Autobombe erklärte sie, dass das Attentat nicht mit dem Brexit in Zusammenha­ng stehe, denn die Gruppe kämpfe für eine Vereinigun­g Irlands mit oder ohne harte Grenze. Dennoch würden Grenzposte­n ein weiteres Anschlagsz­iel darstellen – genauso wie Polizisten und britische Soldaten in Nordirland.

Die »Neue IRA« hat ein paar Dutzend aktive Mitglieder, dazu mehrere hunderte aktive Unterstütz­er und ein paar tausend Aktivisten in politische­n Gruppen. Ihre Ressourcen sind beschränkt und sie ist vom Geheimdien­st infiltrier­t. Sie ist nicht in der Lage, eine breite militärisc­he Kampagne zu führen. Es wird aber weiterhin zu sporadisch­en Anschlägen kommen – wie bereits die vergangene­n 20 Jahre. Denn irische Republikan­er kämpfen für eine Vereinigun­g Irlands als sozialisti­sche Republik – mit oder ohne harten Brexit.

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Foto: Archiv Dieter Reinischis­t Lektor in Geschichte an der Universitä­t Wien. 2017 erschien von ihm »Die Frauen der IRA« bei Promedia.

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