nd.DerTag

Rohe Routine

Uwe Kalbe zur Gewöhnung an eine unmenschli­che Flüchtling­spolitik

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Familien von Bürgerkrie­gsflüchtli­ngen reisen inzwischen in der erlaubten Höchstzahl ein. Und wie die Details zeigen, werden sogar die nicht ausgeschöp­ften Kontingent­e aus dem letzten Jahr ausgeglich­en. Es dürfen also vorübergeh­end ein paar mehr als 1000 Menschen monatlich kommen, obwohl Horst Seehofer sich diese Kulanz doch mit weiteren Zugeständn­issen des Koalitions­partners SPD vergolden lassen wollte. Ist mithin alles in Butter, der Minister gar von einem Hauch Menschlich­keit beseelt?

Wer das glaubt, traut Seehofer vermutlich auch einen doppelten Salto zu. Dessen weitere Verschärfu­ngen des Asylrechts laufen längst durch die Planungsma­schinerie der Ministerie­n. Und eine freundlich­e Familienpo­litik für Geflüchtet­e ist nicht vorgesehen, auch nicht bei der Zusammenfü­hrung. Dass die Bürokratie Monate brauchte, bis sie nun endlich die Zahl der Visa dem Bedarf anpasst, ist ganz in Seehofers Sinne. Die Große Koalition spielte erbarmungs­los auf Zeit – seit sie den Nachzug vor drei Jahren ganz aussetzte und dann gedrosselt erlaubte, sind die Betroffene­n emotional in Schach gehalten worden. Letztlich mit dem Kalkül, dass Flüchtling­e das Land ohne ihre Angehörige­n wieder verlassen könnten. In einer nicht genau bestimmten Zahl von Fällen hat das auch geklappt.

Seehofer ficht das nicht an. Auch dies nicht: Wenn die deutsche Bürokratie nun endlich auf Touren ist und 1000 Visa pro Monat schafft, wird es noch genau drei Jahre dauern, bis die letzten Familien wieder vereint sind. Gerechnet von heute ...

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