Kriegsende in Korea?
Vor dem Gipfel zwischen Kim Jong Un und Donald Trump geben sich die Staatschefs Nordkoreas und der USA bedeckt
Mit »Zuckerbrot und Peitsche« will US-Präsident Trump Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un zur kompletten Denuklearisierung bewegen. Was das heißt, darüber herrschen unterschiedliche Ansichten.
Fast 70 Stunden benötigte Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un für die 4500 Kilometer, die er mit dem Zug von Pjöngjang durch China bis an die vietnamesische Grenze zurücklegte. Am Dienstagmorgen wurde ihm dort der rote Teppich ausgelegt; umringt von kräftigen Bodyguards stieg er winkend aus dem seinem grünen Panzerwaggon, um die letzten Kilometer nach Hanoi in einem gepanzerten Mercedes zurückzulegen. Mit dabei: Seine rechte Hand, Kim Yong Chol, sowie seine Schwester Kim Yo Jong.
Wesentlich kürzer war die Anreise von US-Präsident Donald Trump, der mit der Präsidentenmaschine Air-Force-One zusammen mit Außenminister Mike Pompeo und dem Stabschef des Weißen Hauses, Mick Mulvaney, ebenfalls am Dienstag in Hanoi eintraf. Bevor sich Kim Jong Un und Donald Trump zusammen mit ihren Begleitern und je einem Dolmetscher am Mittwoch zum Abendessen treffen, ist nicht absehbar, welches Ergebnis der Gipfel haben könnte. Der historische erste Gipfel eines nordkoreanischen und eines amerikanischen Staatschefs in Singapur im Juni des vergangenen Jahres führte zwar zu vagen Absichtserklärungen, die bilateralen Beziehungen aufzuwerten, Frieden und Sicherheit auf der koreanischen Halbinsel verbessern zu wollen sowie der Formulierung des Ziels einer »totalen Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel«. Jedoch fehlten ein Zeitrahmen, der Plan zur Umsetzung sowie konkrete Verpflichtungen.
Schon kurz darauf zeichnete sich ab, das beide Seiten sehr unterschiedliche Vorstellungen hatten, welche Schlüsse aus den Vereinbarungen zu ziehen sind. Die USA ignorierten weitestgehend die ersten beiden vereinbarten Ziele und zielten öffentlich allein auf die Denuklearisierung Nordkoreas. US-Außenminister Mike Pompeo, ein ehemaliger CIA-Direktor, und sein Gegenpart, der Parteivize und ehemalige Geheimdienstgeneral Kim Yong Chol, schafften keinen Durchbruch bei ihren Gesprächen; eine Ebene darunter wird zwischen dem US- Sondergesandten Stephen Biegun und Kim Hyok Chol auf nordkoreanischer Seite verhandelt. Pompeo vertritt eine harte Linie gegen Pjöngjang. Als sein Chef, Präsident Trump, am Sonntag auf Twitter verkündete, er sehe keine Eile bei der atomaren Abrüstung Nordkoreas – »Ich will nur keine Tests. Solange es keine (Waffen-)Tests gibt, sind wir glücklich« –, reagierte sein Außenminister umgehend und stellte klar, dass die USA nichts weniger als die vollständige Denuklearisierung Nordkoreas verlangen.
Dass die USA und Nordkorea sich nicht einmal auf eine gemeinsame Definition des Begriffs einer »totalen Denuklearisierung« einigen können, gab vor kurzem US-Sondergesandter Biegun zu. Für Nordkorea ist darin auch der Abzug des nuklearen Schutzschildes aus der Region enthalten, den die USA errichtet haben, um Angriffe Nordkoreas, aber auch Chinas, gegen die Verbündeten Südkorea und Japan zu verhindern. Für die USA enthält der Terminus vor allem die Verpflichtung Nordkoreas zur »kompletten, verifizierbaren, irreversiblen Demontierung« seines gesamten Atomprogramms – eine Forderung, auf die sich Kim, zumindest zu diesem Zeitpunkt, kaum einlassen wird.
Bisher weigert sich der nordkoreanische Staatschef, einen vollständigen Überblick aller Atomeinrichtungen und -waffen zu liefern – für die USA die Basis, um überhaupt vom Beginn des Denuklearisierungsprozesses zu sprechen. Zum einen besteht die Gefahr, dass Washington eine solche Liste als unvollständig zurückweisen könnte, womöglich sie als Zielliste für die US-Luftwaffe zu nutzen. Zum anderen könnte das Kalkül Kims sein, Trump die stückchenweise Veröffentlichung der Liste sowie den Abbau einzelner Einrichtungen wie die Kernanlage Yongbyon anzubieten, die unter anderem eine Wiederaufberei- tungsanlage enthält, die waffenfähiges Plutonium herstellen kann. Außerdem könnte Kim einem Abrüstungsprotokoll zustimmen und internationale Inspektoren zu dessen Überprüfung ins Land lassen. Spekuliert wird auch, ob er die Übergabe von Material aus den Nuklearprogrammen anbieten könnte. Angeblich hat er mit zwei verschiedenen Programmen – einem auf Plutoniumbasis, das andere, geheimere, basierend auf Uran – einiges zu bieten.
Trump könnte auch Kim entgegenkommen, dieser verlangt immer wieder, dass die Militärmanöver von USmit südkoreanischen Truppen ausgesetzt bleiben. Auf diplomatischer Ebene wünscht er sich, dass die USA Verbindungsbüros einrichten. Darüber hinaus könnte Trump einen Teilabzug der 28 500 US-Soldaten aus Südkorea anweisen – sehr zum Ärger sicher von Hardlinern in der Republikanischen als auch in der Demokratischen Partei. Führende US-Demokraten im Senat fordern von Trump »greifbare Ergebnisse«. Oppositionsführer Chuck Schumer kritisierte Trumps bisheriges Vorgehen. Das Treffen in Singapur habe »dem Anführer des vielleicht repressivsten Regimes der Welt« Akzeptanz auf globaler Ebene verschafft.
Eine wirkliche Sensation wäre ein Abkommen, das den Koreakrieg von 1950 bis 1953 für beendet erklärt und zu einem offiziellen Friedensvertrag unter Einbeziehung von China und Südkorea führt. Darauf hofft in Seoul Präsident Moon Jae In, der möglichst bald interkoreanische Projekte wie die Sonderwirtschaftszone Kaesong oder das Tourismusgebiet am Berg Kumgang in Nordkorea wieder öffnen will. Aus dem Präsidentenpalast in Seoul war zu hören, dass Kim dem südkoreanischen Präsidenten bereits zugesagt habe, den Nuklearkomplex Yongbyon abzubauen und internationale Inspekteure zuzulassen, falls die USA entsprechende Gegenleistungen erbringen würden.
Ob US-Präsident Donald Trump zu Zugeständnissen bereit ist? Immerhin freute er sich bereits Anfang Februar auf Twitter auf ein Widersehen mit Kim Jong Un. Und er kündigte in der ihm eigenen Art an, Nordkorea werde eine »andere Art von Rakete werden – eine wirtschaftliche«. Dafür muss er aber nicht nur mit Kim einig werden, sondern auch mit den Skeptikern in seiner eigenen Administration.
Vor über einem Jahr kündigte Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un an, die Annäherung an Südkorea zu forcieren. Seither verändert sich die Sicherheitsstruktur Nordostasiens rasant. Der zweite Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Trump könnte mit einer Friedenserklärung enden – sehr zur Freude von Südkoreas Unternehmen. »Nordkorea wird eine andere Art von Rakete werden – eine wirtschaftliche.« Donald Trump, US-Präsident