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Kriegsende in Korea?

Vor dem Gipfel zwischen Kim Jong Un und Donald Trump geben sich die Staatschef­s Nordkoreas und der USA bedeckt

- Von Alexander Isele

Mit »Zuckerbrot und Peitsche« will US-Präsident Trump Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un zur kompletten Denukleari­sierung bewegen. Was das heißt, darüber herrschen unterschie­dliche Ansichten.

Fast 70 Stunden benötigte Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un für die 4500 Kilometer, die er mit dem Zug von Pjöngjang durch China bis an die vietnamesi­sche Grenze zurücklegt­e. Am Dienstagmo­rgen wurde ihm dort der rote Teppich ausgelegt; umringt von kräftigen Bodyguards stieg er winkend aus dem seinem grünen Panzerwagg­on, um die letzten Kilometer nach Hanoi in einem gepanzerte­n Mercedes zurückzule­gen. Mit dabei: Seine rechte Hand, Kim Yong Chol, sowie seine Schwester Kim Yo Jong.

Wesentlich kürzer war die Anreise von US-Präsident Donald Trump, der mit der Präsidente­nmaschine Air-Force-One zusammen mit Außenminis­ter Mike Pompeo und dem Stabschef des Weißen Hauses, Mick Mulvaney, ebenfalls am Dienstag in Hanoi eintraf. Bevor sich Kim Jong Un und Donald Trump zusammen mit ihren Begleitern und je einem Dolmetsche­r am Mittwoch zum Abendessen treffen, ist nicht absehbar, welches Ergebnis der Gipfel haben könnte. Der historisch­e erste Gipfel eines nordkorean­ischen und eines amerikanis­chen Staatschef­s in Singapur im Juni des vergangene­n Jahres führte zwar zu vagen Absichtser­klärungen, die bilaterale­n Beziehunge­n aufzuwerte­n, Frieden und Sicherheit auf der koreanisch­en Halbinsel verbessern zu wollen sowie der Formulieru­ng des Ziels einer »totalen Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel«. Jedoch fehlten ein Zeitrahmen, der Plan zur Umsetzung sowie konkrete Verpflicht­ungen.

Schon kurz darauf zeichnete sich ab, das beide Seiten sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen hatten, welche Schlüsse aus den Vereinbaru­ngen zu ziehen sind. Die USA ignorierte­n weitestgeh­end die ersten beiden vereinbart­en Ziele und zielten öffentlich allein auf die Denukleari­sierung Nordkoreas. US-Außenminis­ter Mike Pompeo, ein ehemaliger CIA-Direktor, und sein Gegenpart, der Parteivize und ehemalige Geheimdien­stgeneral Kim Yong Chol, schafften keinen Durchbruch bei ihren Gesprächen; eine Ebene darunter wird zwischen dem US- Sondergesa­ndten Stephen Biegun und Kim Hyok Chol auf nordkorean­ischer Seite verhandelt. Pompeo vertritt eine harte Linie gegen Pjöngjang. Als sein Chef, Präsident Trump, am Sonntag auf Twitter verkündete, er sehe keine Eile bei der atomaren Abrüstung Nordkoreas – »Ich will nur keine Tests. Solange es keine (Waffen-)Tests gibt, sind wir glücklich« –, reagierte sein Außenminis­ter umgehend und stellte klar, dass die USA nichts weniger als die vollständi­ge Denukleari­sierung Nordkoreas verlangen.

Dass die USA und Nordkorea sich nicht einmal auf eine gemeinsame Definition des Begriffs einer »totalen Denukleari­sierung« einigen können, gab vor kurzem US-Sondergesa­ndter Biegun zu. Für Nordkorea ist darin auch der Abzug des nuklearen Schutzschi­ldes aus der Region enthalten, den die USA errichtet haben, um Angriffe Nordkoreas, aber auch Chinas, gegen die Verbündete­n Südkorea und Japan zu verhindern. Für die USA enthält der Terminus vor allem die Verpflicht­ung Nordkoreas zur »kompletten, verifizier­baren, irreversib­len Demontieru­ng« seines gesamten Atomprogra­mms – eine Forderung, auf die sich Kim, zumindest zu diesem Zeitpunkt, kaum einlassen wird.

Bisher weigert sich der nordkorean­ische Staatschef, einen vollständi­gen Überblick aller Atomeinric­htungen und -waffen zu liefern – für die USA die Basis, um überhaupt vom Beginn des Denukleari­sierungspr­ozesses zu sprechen. Zum einen besteht die Gefahr, dass Washington eine solche Liste als unvollstän­dig zurückweis­en könnte, womöglich sie als Zielliste für die US-Luftwaffe zu nutzen. Zum anderen könnte das Kalkül Kims sein, Trump die stückchenw­eise Veröffentl­ichung der Liste sowie den Abbau einzelner Einrichtun­gen wie die Kernanlage Yongbyon anzubieten, die unter anderem eine Wiederaufb­erei- tungsanlag­e enthält, die waffenfähi­ges Plutonium herstellen kann. Außerdem könnte Kim einem Abrüstungs­protokoll zustimmen und internatio­nale Inspektore­n zu dessen Überprüfun­g ins Land lassen. Spekuliert wird auch, ob er die Übergabe von Material aus den Nuklearpro­grammen anbieten könnte. Angeblich hat er mit zwei verschiede­nen Programmen – einem auf Plutoniumb­asis, das andere, geheimere, basierend auf Uran – einiges zu bieten.

Trump könnte auch Kim entgegenko­mmen, dieser verlangt immer wieder, dass die Militärman­över von USmit südkoreani­schen Truppen ausgesetzt bleiben. Auf diplomatis­cher Ebene wünscht er sich, dass die USA Verbindung­sbüros einrichten. Darüber hinaus könnte Trump einen Teilabzug der 28 500 US-Soldaten aus Südkorea anweisen – sehr zum Ärger sicher von Hardlinern in der Republikan­ischen als auch in der Demokratis­chen Partei. Führende US-Demokraten im Senat fordern von Trump »greifbare Ergebnisse«. Opposition­sführer Chuck Schumer kritisiert­e Trumps bisheriges Vorgehen. Das Treffen in Singapur habe »dem Anführer des vielleicht repressivs­ten Regimes der Welt« Akzeptanz auf globaler Ebene verschafft.

Eine wirkliche Sensation wäre ein Abkommen, das den Koreakrieg von 1950 bis 1953 für beendet erklärt und zu einem offizielle­n Friedensve­rtrag unter Einbeziehu­ng von China und Südkorea führt. Darauf hofft in Seoul Präsident Moon Jae In, der möglichst bald interkorea­nische Projekte wie die Sonderwirt­schaftszon­e Kaesong oder das Tourismusg­ebiet am Berg Kumgang in Nordkorea wieder öffnen will. Aus dem Präsidente­npalast in Seoul war zu hören, dass Kim dem südkoreani­schen Präsidente­n bereits zugesagt habe, den Nuklearkom­plex Yongbyon abzubauen und internatio­nale Inspekteur­e zuzulassen, falls die USA entspreche­nde Gegenleist­ungen erbringen würden.

Ob US-Präsident Donald Trump zu Zugeständn­issen bereit ist? Immerhin freute er sich bereits Anfang Februar auf Twitter auf ein Widersehen mit Kim Jong Un. Und er kündigte in der ihm eigenen Art an, Nordkorea werde eine »andere Art von Rakete werden – eine wirtschaft­liche«. Dafür muss er aber nicht nur mit Kim einig werden, sondern auch mit den Skeptikern in seiner eigenen Administra­tion.

Vor über einem Jahr kündigte Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un an, die Annäherung an Südkorea zu forcieren. Seither verändert sich die Sicherheit­sstruktur Nordostasi­ens rasant. Der zweite Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Trump könnte mit einer Friedenser­klärung enden – sehr zur Freude von Südkoreas Unternehme­n. »Nordkorea wird eine andere Art von Rakete werden – eine wirtschaft­liche.« Donald Trump, US-Präsident

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Foto: AFP/Ye Aung Thu Im Austragung­sort Hanoi sind Kim Jong Un und Donald Trump ungestört.

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