Labour fordert Referendum
Corbyn kündigt Antrag im Unterhaus zum Brexit an
»The membership have won«, die Mitgliedschaft habe gewonnen, kommentierte der britische Linksintellektuelle Paul Mason die Entscheidung der LabourFührung, sich nun doch hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum zu stellen. Bisher hatte der Kreis um den Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn ein solches »People’s Vote« zwar nicht ausgeschlossen, es aber auch nicht gefordert. Mason gehört zu jenen linken Unterstützern Labours, die Corbyn seit Monaten öffentlich dazu drängen, für ein zweites Referendum einzutreten. Eine Haltung, die viele Labour-Mitglieder teilen.
Gespaltene Wählerschaft
Corbyn hatte gute Gründe, bezüglich einer weiteren Volksabstimmung zurückhaltend zu sein. In einigen Hochburgen der Partei hat die Mehrheit 2016 für einen Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt. Nach wie vor ist die Labour-Wählerschaft in einigen Wahlkreisen in der Frage des Brexit tief gespalten. Eine Abstimmung, in der als Alternativen der von Theresa May mit der EU ausgehandelte »Deal« oder »Remain« (Verbleib in der EU) zur Wahl stünden, wäre durchaus geeignet, diese Spaltungslinien noch zu vertiefen. Deshalb – und wegen seiner traditionell EU-kritischen Positionen – hat Corbyn bisher darauf gesetzt, für einen weichen Brexit mit Verbleib in der Zollunion zu werben. Am Montagabend erklärte der 69-Jährige sein Umschwenken auf eine zweite Volksabstimmung nun damit, dass andernfalls »dem Land ein schädlicher Tory-Brexit aufgezwungen« werde. Ob es zu einer zweiten Abstimmung kommt, könnte sich rasch entscheiden. Corbyn kündigte an, im britischen Unterhaus zunächst den Verbleib in der EUZollunion zu beantragen und – sollte dieser Antrag scheitern, was wahrscheinlich ist – ein zweites Referendum im Parlament zur Abstimmung zu stellen. Für Verwirrung sorgte die Außenministerin von Corbyns Schattenkabinett, Emily Thornberry, als sie am Montagabend in einem TV-Interview sagte, der Labour-Chef werde sich im Falle einer zweiten Abstimmung für den Verbleib in der EU einsetzen, wenn die Alternative Mays Deal sei. Später hieß es aus Parteikreisen, sie habe sich »versprochen« – was Thornberry wiederum umgehend dementierte.
»Bitter nötig«
In Deutschland stieß der Kurswechsel Labours auf Zustimmung. Bundesjustizministerin Katarina Barley kommentierte die Entscheidung der SPD-Schwesterpartei via Twitter mit den Worten: »I like PeoplesVote on Brexit« (»Ich mag ein PeoplesVote zum Brexit«). Martin Schirdewan, Mitglied des EU-Parlaments und Spitzenkandidat der LINKEN für die Europawahlen, sagte dem »nd«, es sei »bitter nötig«, dass Labour der May-Regierung in den Arm falle, da »die Stümperhaftigkeit, mit der die Konservativen seit zwei Jahren agieren« fatal sei. Ein zweites Referendum böte »Chancen auf eine ehrlichere Auseinandersetzung mit der EU-Politik«, so Schirdewan. Es wäre allerdings »naiv zu glauben, dass sich bei einem erneuten Gang an die Urne erdrutschartige Verschiebungen hin zu einem Verbleib in der EU ergäben«. Die Alternative aber sei, dass die Kosten für einen harten Brexit auf die Beschäftigten und diejenigen abgewälzt würden, »die über wenig Privilegien verfügen: Erwerbslose, MigrantInnen, Minderheiten«.