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Waffenhänd­ler vor Gericht

Prozess wegen Pistolenli­eferung von SIG Sauer nach Kolumbien in Kiel gestartet

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Ex-Mitarbeite­r der Waffenschm­iede SIG Sauer müssen sich im mutmaßlich größten Fall illegalen Waffenhand­els der vergangene­n Jahre vor Gericht verantwort­en. Ihnen werden Exportvers­töße vorgeworfe­n.

Seit Dienstag stehen drei ehemalige Manager der SIG-Sauer-Firmengrup­pe wegen mutmaßlich illegaler Waffenlief­erungen nach Kolumbien vor dem Kieler Landgerich­t. Die Staatsanwa­ltschaft hatte bereits vor dem Prozessauf­takt in einem sogenannte­n Verständig­ungsgesprä­ch mit der Angeklagte­n-Seite vergangene Woche ihre Bereitscha­ft signalisie­rt, bei einem Geständnis das Trio nur mit vergleichs­weise milden Bewährungs­strafen unterhalb von zwei Jahren belangen zu wollen.

Angeklagt sind Ron Judah C. (57), Michael L. (63) und Robert L. (56.) in 99 Fällen wegen unerlaubte­r Ausfuhren von Kleinwaffe­n über den Umweg der USA in das damalige südamerika­nische Bürgerkrie­gsland. Bei dem vermeintli­chen Umgehungsg­eschäft, das von 2009 bis 2011 abgewickel­t wurde, sind laut Staatsanwa­ltschaft insgesamt 36 628 Pistolen vom Typ SP 2022 in Kolumbien gelandet.

Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhand­el«, hatte im Februar 2014 Strafanzei­ge gegen das Unternehme­n mit seinem Pistolen-Herstellun­gs- standort Eckernförd­e erstattet. Auch Zollfahnde­r waren dem Waffenfabr­ikanten zu dem Zeitpunkt bereits auf den Fersen. In der Folge gab es mehrere Durchsuchu­ngen in der Eckernförd­er Waffenschm­iede. Aus Bildern ging nämlich zweifelsfr­ei hervor, dass Pistolen von der Ostsee in die Hände kolumbiani­scher »Sicherheit­skräfte« gelangt waren, die offensicht­lich an Menschenre­chtsverlet­zungen beteiligt waren.

Neben der juristisch­en Bewertung des Waffenwege­s von Eckernförd­e bis nach Kolumbien in Form persönlich­er Verantwort­ungen und etwaigen Mitwissers­chaften geht es in dem Verfahren vor der Wirtschaft­sstrafkamm­er auch unmittelba­r um die Frage, inwieweit eine Täuschung des Bundesamte­s für Ausfuhrkon­trolle durch SIG Sauer erfolgt ist. Die Staatsanwa­ltschaft Kiel hat nämlich eine Gewinnabsc­höpfung aus dem Pistolenge­schäft bei dem Waffenhers­teller in Höhe von zwölf Millionen Euro beantragt.

SIG Sauer betont, der Kleinwaffe­ndeal sei kein Umgehungsg­eschäft gewesen, sondern eine korrekte Auftragser­füllung für die US-Regierung des damaligen Präsidente­n Barack Obama. Man habe dabei der eigenen Schwesterf­irma in New Hampshire zugearbeit­et. Ausfuhrant­räge gab es SIG Sauer zufolge deshalb nur für Lieferunge­n in die USA. Die Staatsanwa­ltschaft geht aber auch aufgrund von E-Mail-Schriftver­kehr und ande- ren Unterlagen davon aus, dass die Angeklagte­n von Beginn an wussten, dass die Pistolen in Kolumbien landen sollten.

Derzeit sind 18 weitere Prozesster­mine bis in den Juni hinein anberaumt. Sollten die Angeklagte­n zu keinem Geständnis bereit sein, könnte ein Mammutproz­ess bevorstehe­n. Es wäre immerhin nötig, in jedem der 99 in der Anklagesch­rift aufgeliste­ten Fälle die jeweilige Tatbeteili­gung der Ex-Manager über die Beweisaufn­ahme festzustel­len oder auszuschli­eßen. Dabei dürfte das Landgerich­t wohl kaum um Zeugen aus den USA und Kolumbien herumkomme­n.

Grässlin, der zum ersten Verhandlun­gstag aus Freiburg angereist war, zeigte sich überrascht über das Verständig­ungsangebo­t der Staatsanwa­ltschaft. Eigentlich ging er davon aus, dass die Anklage mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Außenwirts­chaftsgese­tz, wofür maximal fünf Jahre Haft verhängt werden können, in gewerbsmäß­igen Waffenhan- del hätte münden müssen, wofür maximal sogar zehn Jahre Haft möglich wären. Das nun in die Diskussion gebrachte maximale Strafmaß halte er eigentlich für einen Skandal. Da trickreich­e Waffengesc­häfte zur Umgehung von Bestimmung­en und Gesetzen jedoch eher Alltag als Einzelfall seien, wäre ein Geständnis aus der Etage von Verantwort­lichen auch schon ein immerhin kleiner Erfolg nach langjährig­er, mühsamer Aufklärung.

Grässlin beteiligte sich vor dem Gerichtsge­bäude an einer Mahnwache gegen Waffenexpo­rte. Die Deutsche Friedensge­sellschaft – Vereinigte Kriegsdien­stgegnerIn­nen bezichtigt SIG Sauer auch, Waffen in andere Länder mit Kriegshand­lungen und Menschenre­chtsverlet­zungen wie Irak und Mexiko geliefert zu haben. Die »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhand­el« versammelt­e sich parallel zum Prozess auch vorm Bundestag und prangerte verharmlos­ende Umschreibu­ngen deutscher Rüstungsex­porte an. Auch in Heidelberg gingen Rüstungsge­gner auf die Straße. Sie forderten ein wirkungsvo­lleres Rüstungsex­portkontro­llgesetz.

Erst vorige Woche wurde der Waffenhers­teller Heckler & Koch vom Stuttgarte­r Landgerich­t wegen der Lieferung von Sturmgeweh­ren und Zubehörtei­len nach Mexiko zu einer Zahlung von 3,7 Millionen Euro verurteilt. Dazu erhielten zwei ehemalige Angestellt­e eine Bewährungs­strafe von 17 beziehungs­weise 22 Monaten.

Aus Bildern ging hervor, dass Pistolen von der Ostsee in die Hände kolumbiani­scher »Sicherheit­skräfte« gelangt waren.

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Foto: dpa/Carsten Rehder Ein Demonstran­t bringt einen Sarg zur Gerichtsve­rhandlung mit. SIG Sauer exportiert­e Pistolen nach Kolumbien – offensicht­lich illegal.

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