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Wo bleibt das Geld für die Soziale Säule der EU?

Politiker betonen, dass die EU mehr als ein Wirtschaft­sraum sei. Investiert wird aber lieber in Grenzschut­z

- Von Alina Leimbach

Vor der Europawahl betonen Politiker*innen stets den sozialen Zusammenha­lt in der EU. Doch ausgerechn­et dort drohen Kürzungen.

Wie kann man nachhaltig das Vertrauen in die EU stärken? Wie aus dem Brexit lernen? Der deutsche Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) sieht kurz vor den anstehende­n Europawahl­en vor allem die Stärkung des Sozialen elementar. Menschen mit einfachen Tätigkeite­n, die wenig verdienen oder derzeit keine Perspektiv­e auf dem Arbeitsmar­kt haben, sollten sagen können, dass es auch um sie geht, so Scholz. »Nur eine solche Gesellscha­ft kann ihre Zuversicht behalten.« Der Minister sagte dies am Montag auf einer Veranstalt­ung der Vertretung der Europäisch­en Kommission in Berlin.

Ein zentrales Element in der EU ist dafür insbesonde­re die viel beschwo- rene Soziale Säule, die wirtschaft­liche Freiheiten und Freizügigk­eit flankieren soll. Nachdem es lange einen Stillstand auf dem Gebiet gab und nun vor einiger Zeit davon geredet wurde, die Soziale Säule zu stärken, stellt sich jetzt allerdings die Frage, ob das noch aktuell ist. Denn das Budget für viele soziale Vorhaben und Strukturpr­ojekte wird im nächsten EU-Haushalt aller Voraussich­t nach gekürzt werden.

Derzeit stehen die Verhandlun­gen der EU-Staaten für die kommende Haushaltsp­eriode 2021 bis 2027 an. Und schon die Vorzeichen sind düster: Durch den Brexit verliert die EU einen Nettobeitr­agszahler. Einige rechte oder konservati­v-liberale Regierunge­n wie in Österreich oder in den Niederland­en haben kaum ein Interesse an der Stärkung der sozialen Dimension der EU. Allerdings an anderen Themen.

So ist in dem bisherigen Entwurf der EU-Kommission für das Budget eine Ausgabenst­eigerung um 187 Prozent für Migration und Grenzsiche­rung vorgesehen. Auch die Verteidigu­ngsausgabe­n sollen erheblich steigen. Mittel für den Europäisch­en Sozialfond­s Plus (ESF+) könnten demgegenüb­er um sieben Prozent gekürzt werden. Das sogenannte EHAP-Budget, das sich an armutsgefä­hrdete und von sozialer Ausgrenzun­g bedrohte Personen wie Wohnungslo­se wendet, soll ebenfalls Einsparung­en hinnehmen.

Dazu kommt: »Die Auszahlung von Finanzmitt­eln soll noch stärker als bisher davon abhängig werden, ob die Mitgliedst­aaten die – meist neoliberal­en – EU-Vorhaben in der Haushalts-, Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik erfüllen«, warnte der DGB-Bundesvors­tand bereits im vergangene­n Jahr. Gleich drei DGB-Vorstandsm­itglieder, unter anderem Susanne Wixforth, kritisiert­en in einem Text: »Es drohen fatale Weichenste­llungen.« Auch Gabi Zimmer, Fraktions- chefin der Linken im EU-Parlament, bilanziert­e bereits: »Anstatt bald militärisc­he EU-Drohnen zu kaufen, sollten die EU-Länder lieber den ESF+ verdreifac­hen.«

Olaf Scholz will dennoch vor der Europawahl positive Signale senden: »Die einzelnen Posten im Haushalt sind derzeit noch Gegenstand der Debatte«, betonte er. Im Koalitions­vertrag hätten sich Union und SPD zudem verständig­t, mehr zum EUHaushalt beitragen zu wollen. Auf eine konkrete Höhe wollte Scholz sich jedoch nicht festlegen.

Einen konkreten Vorschlag hielt an dem Abend die Grüne Europakand­idatin Anna Cavazzini für den Finanzmini­ster bereit. Sie fragte Scholz, warum die Bundesregi­erung im Rat eine Maßnahme für mehr Steuertran­sparenz in der EU blockiert hatte: »Es muss doch darum gehen, dass Unternehme­n ihren fairen Anteil an Steuern bezahlen, damit soziale Belange finanziert werden können.«

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