Nur wer tot ist, wird beachtet
Die Lust am Entsetzen: Über die Krimi-Flut im deutschen Fernsehen
Die Lust am Entsetzen hat Hochkonjunktur. Ich sehe und höre, ja spüre es. Seitdem ich altershalber Schritt für Schritt den bisher gewohnten Lebensrhythmus verändere, sehe ich vieles nun umso genauer. Nicht nur ich wechsele in einen anderen Zustand. Das, was man so die Leute nennt, sie tun es ebenfalls. Sie unterhalten sich sehr viel weniger als früher. Sie sind sozusagen weniger aktiviert als passiviert. Selbst beim Ausfliegen ins sogenannte Netz hinein lassen sie sich treiben. Denn ihr Bedürfnis von anderen und anderem unterhalten zu werden, wächst ständig. Es ist fast unersättlich.
Medien sind in erster Linie dazu da, genau dieses zu befriedigen. Alle Hände, sprich: Kanäle, voll haben sie zu tun damit. Jeden Tag, jede Stunde lauert das per Einschaltquote zählbare Publikum vor der Glotze. Aller Augen sind gierig auf scharfe Kost. Superscharf, aber mit weicher Stim- mungstunke wird wohldosiert das kriminelle Morden serviert. Nur wer tot ist, wird beachtet. Leiche für Leiche – das ist sichtbar abzuarbeiten. Die Tat- und Todesumstände müssen bis in alle Einzelheiten aufgeklärt werden. Aber bitte spielbar. Polizeiarbeit, für die Art Zuschaukunst inszeniert, die der jeweilige Sender halt pflegt.
Schauerlich darf es zugehen. Die von allen ununterbrochen vermutete Leben gefährdende Bedrohung sollte spürbar werden. Doch auch ein Lustgewinn muss zu verzeichnen sein. Und das bei ganz verschiedenen Arten von Menschen. Alle infrage kommenden Altersgruppen, Geschlechter, Herkunftsländer, Geschmacksrichtungen, Intelligenzquotienten, Vor- und Nachlieben sind einzukalkulieren. Alle zusammen sind sie aufzustacheln in ihrer Neugier. So nahe wie möglich heran. So heftig erregbar wie auszuhalten. Anteilnahme ist zurückzufahren. Alles stets voll auf Aggression. Wenn das in die Wirklichkeit übertragen wird – und sich bei
Ob sie sich nun Drama oder Feature, Sitcom oder Blödelkomödie, Heimatfilm oder Historienstreifen nennen, es wird viel zu viel geredet dabei. Im Krimi gibt es einfach öfter die Chance, zu schweigen.