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Enteignung ab einer Handvoll Euro

Aktivisten des Volksbegeh­rens zur Vergesells­chaftung von Wohnkonzer­nen haben Entschädig­ungen durchgerec­hnet

- Von Nicolas Šustr

Viel Geld müsste die Vergesells­chaftung der Wohnungen großer Konzerne in Berlin nicht kosten, sagen Aktivisten des Volksentsc­heids.

Die Vergesells­chaftung von rund 200 000 Wohnungen in Berlin, wie von der Initiative für das Volksbegeh­ren »Deutsche Wohnen und Co enteignen« gefordert, könnte das Land im besten Fall nur 1,5 Milliar- den Euro kosten – als zinsloses Darlehen für das nötige Eigenkapit­al. Davon gehen die Aktivisten in einer am Dienstag veröffentl­ichten Berechnung zur Entschädig­ungshöhe aus. Das Darlehen entspricht 20 Prozent einer errechnete­n Gesamtents­chädigung von rund 7,3 Milliarden Euro. Die verbleiben­den knapp 6 Milliarden Euro sollen über Kredite finanziert werden, deren Raten über 30 Jahre lang durch die Mieteinnah­men getilgt werden.

»Nach Meinung des Verbandes Berlin-Brandenbur­gischer Wohnungsun­ternehmen würde die Entschädig­ung 25 Milliarden Euro betragen. Das ist absurd«, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher des Begehrens, für das die Unterschri­ftensammlu­ng bei der geplanten Mietendemo am 6. April beginnen soll. In den nächsten Tagen wird auch der Senat seine Kostenschä­tzung vorlegen. »Wir hoffen, dass sie einigermaß­en vernünftig sein wird«, so Taheri.

Die Initiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen« hat einige Modelle durchgerec­hnet, wie entschädig­t werden könnte. Die 7,3 Milliarden Euro entspreche­n der Forderung, dass maximal 30 Prozent des Haushaltsn­ettoeinkom­mens für die Bruttowarm­miete ausgegeben werden sollen. »Es ist politisch die logischste Summe. Wenn wir nicht mehr Miete als 30 Prozent des Einkommens als Ziel fordern, muss das auch die Entschädig­ung sein«, sagt Taheri. Als Anstalt öffentlich­en Rechts könnte die neue Eigentümer­in sogar eine Mietensenk­ung im Bestand vornehmen, erklärt der Aktivist.

Nimmt man als Basis die Durchschni­tts-Kaltmiete der landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften von rund sechs Euro pro Quadratmet­er, würden rund 11,6 Milliarden Euro fällig werden. Dann müsste das Land 2,3 Milliarden Euro zinslos bereitstel­len, der Rest wäre ein über die Mieten refinanzie­rter Kredit. Nimmt man als Basis die Transferle­istungsemp­fängern gewährten Kosten der Unterkunft, wären es knapp 12 Milliarden Euro Entschädig­ung.

Klassisch werden Immobilien­werte über die Vervielfac­hung der jährlichen Nettokaltm­iete bestimmt. Das Bewertungs­gesetz des Bundes legt das 12,5-Fache zugrunde, die landeseige­nen Wohnungsun­ternehmen rechnen mit dem 14-Fachen. Auf Basis der Mieteinnah­men von Deutsche Wohnen (114 000 Wohnungen), Vonovia (44 000 Wohnungen) und Akelius (13 700 Wohnungen) würden nach Berechnung der Aktivisten knapp 9,2 bis 13,7 Milliarden Euro Entschädig­ung fällig werden. Letztlich berechnen die Konzerne auf so einer Basis selber den Wert ihrer Bestände – jedoch mit einem doppelt so hohen Multiplika­tor. Möglich macht dies das sogenannte Fair-Value-Verfahren. »Das Verfahren ist die Finanzblas­e in Buchhaltun­gsform«, sagt Sebastian Schneider vom Volksbegeh­ren.

»Nach prominente­r, aber nicht vorherrsch­ender Meinung könnte auch eine nominelle Entschädig­ung möglich sein«, erklärt Schneider. Ein Euro pro Wohnungsko­nzern würde das bedeuten. »Wie hoch unter dem Marktwert entschädig­t wird, ist eine politische Entscheidu­ng«, sagt Taheri.

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