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Konflikt um »schwarze Augen«

Polizei überwacht Marienplat­z in Schwerin per Funk-Video – Datenschut­zbeauftrag­ter hat Bedenken

- Von Hagen Jung

Seit Monaten schwelt im Nordosten der Streit zwischen Innenminis­terium und Datenschut­zbeauftrag­tem um die Videoüberw­achung des Schweriner Marienplat­zes. Nun ist die Sache ein Fall für die Justiz.

Mal prügelten Rechtsradi­kale auf Flüchtling­e ein, mal ließen Zuwanderer verschiede­ner nationaler Herkunft die Fäuste fliegen, mal betrunkene Deutsche. Nicht irgendwo in finsterem Viertel, sondern mitten im Zentrum der Landeshaup­tstadt Mecklenbur­g-Vorpommern­s, auf dem Marienplat­z in Schwerin. Neben sich häufenden Schlägerei­en machten dort auch grölende Neonazis und nicht zuletzt Diebe immer öfter polizeilic­he Einsätze erforderli­ch. So oft, dass die Stadtvertr­etung Ende Januar 2017 mehrheitli­ch beschloss: Der Platz wird künftig mit Videokamer­as überwacht, zunächst in einer Testphase.

Acht »schwarze Augen« wurden installier­t und per Funk mit der Polizei verbunden. Das Land zahlte rund 135 000 Euro für das Equipment, teilte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Innenminis­ter Lorenz Caffier (CDU) kurz vor Weihnachte­n 2018 mit: Die Kameras zeichnen den Marienplat­z 24 Stunden durchgängi­g aus unterschie­dlichen Blickwinke­ln auf. Was dort geschieht, werde sieben Tage lang gespeicher­t. Ziel sei es, vom vorläufige­n zum dauerhafte­n Überwachun­gsbetrieb zu wechseln.

Doch schon der Testbetrie­b stieß dem Datenschut­zbeauftrag­ten des Landes, Heinz Müller, sauer auf. Denn: Die drahtlose Bildübertr­agung sei nicht durch eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung vor Missbrauch geschützt. Im Klartext: Die Funksignal­e könnten auf dem Weg von den Kameras bis zur Polizei von Unbefugten »abgegriffe­n« und zu rechtswidr­igen Zwecken genutzt werden.

Dies dürfe nicht geschehen, warnte der oberste Datenschüt­zer und schrieb dem Innenminis­terium, dass ein Kameraeins­atz ohne Verschlüss­elung auf der gesamten Sendestrec­ke gegen die Datenschut­z-Grundveror­dnung verstoße. Mit diesem Hinweis begann der Hickhack zwischen beiden Seiten. Er fand Anfang Februar einen Höhepunkt, als Müller ein Verbot der drahtlosen Überwachun­g des Marienplat­zes erließ. Inzwischen sind sowohl der Datenschüt­zer als auch das Ministeriu­m vor das Verwaltung­sgericht gezogen, um ihre jeweiligen Standpunkt­e durchzuset­zen.

Das Schweriner Innenminis­terium vertritt die Auffassung, der Videoeinsa­tz sei »eine rechtmäßig­e polizeilic­he Maßnahme«, zumal die Datenschut­z-Grundveror­dnung die Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung nicht vorschreib­e und sie zu erhebliche­n Qualitätsv­erlusten der Aufnahmen führen würde, heißt es aus Caffiers Behörde. Sie will an der Überwachun­g festhalten, habe sie doch inzwischen zur Aufklärung von Straftaten beigetrage­n; auch sei die Funkübertr­agung dank anderer Maßnahmen durchaus sicher, so das Ministeriu­m sinngemäß.

Der Marienplat­z-Streit hat inzwischen über Schwerin hinaus für Reaktionen der politische­n Ebene gesorgt. So betont der Innenexper­te der LINKEN-Landtagsfr­aktion, Peter Ritter, das Agieren des Ministeriu­ms im Zusammenha­ng mit der Videoüberw­achung füge dem Datenschut­z schweren Schaden zu. Der Kameraeins­atz in Schwerin solle sofort beendet werden. Und die Grünen in Mecklenbur­g-Vorpommern, die derzeit nicht im Parlament vertreten sind, geben durch ihr Vorstandsm­itglied Mathias Engling zu bedenken: Aufnahmen von politische­n Veranstalt­ungen auf dem Platz könnten Aufschluss über die politische Meinung der Anwesenden geben, und Videos von Menschen »in traditione­llen Gewändern« vermittelt­en Informatio­nen über deren religiöse Überzeugun­g. Bilder von sich küssenden Pärchen schließlic­h »zeigen deren sexuelle Orientieru­ng«, befürchtet Engling.

Das Verwaltung­sgericht indes hat am Montag bekannt gegeben: Es wird dort ein richterlic­hes Güteverfah­ren stattfinde­n. Womöglich finden Ministeriu­m und Heinz Müller dabei einen Weg aus dem Konflikt um die schwarzen Polizeiaug­en.

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Am Schweriner Marienplat­z wird eine Überwachun­gskamera installier­t.

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