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Rechte torpediere­n Klimaschut­z

Eine Studie durchleuch­tet die Positionen von EU-Rechtspopu­listen zur Erderwärmu­ng

- Von Sandra Kirchner

Die Europawahl­en im Mai sind nicht nur für die Zukunft der EU entscheide­nd, sondern auch für den Klimaschut­z. Denn die Rechtspopu­listen leugnen nicht nur die Gemeinscha­ft.

Abgeordnet­e rechter und rechtspopu­listischer Parteien im EU-Parlament sind meist gegen Klimaschut­z. Zwei von drei Vertretern dieser Parteien stimmen regelmäßig gegen klima- und energiepol­itische Maßnahmen. Das ergibt eine Studie der Denkfabrik Adelphi, die am Dienstag in Berlin vorgestell­t wurde. Für die Studie wurden Wahlprogra­mme sowie Statements der Parteien und das Abstimmung­sverhalten der Abgeordnet­en ausgewerte­t. Demnach kommt die Hälfte aller Gegenstimm­en bei Resolution­en zu Klima und Energie im Europaparl­ament aus dem rechtspopu­listischen Parteiensp­ektrum.

Nicht alle rechten oder rechtspopu­listischen Parteien leugnen per se den Klimawande­l, ihre Haltungen zu wissenscha­ftlichen Fakten variieren. Drei unterschie­dliche Auffassung­en fanden die Studienaut­oren zum Klimawande­l: Sieben Parteien am rechten Flügel streiten wissenscha­ftliche Erkenntnis­se schlichtwe­g ab und leugnen den menschenge­machten Klimawande­l. Darunter die AfD, die den Klimawande­l als Irrlehre bezeichnet. Als etwas weniger radikal stufen die Studienaut­oren die österreich­ische FPÖ ein, die den Klimawande­l als »Propaganda« oder »Klimarelig­ion« bezeichnet. Ähnliche klimawande­lleugneris­che Positionen finden sich bei der britischen UKIP, der Dänischen Volksparte­i, der Estnischen Konservati­ven Volksparte­i, den Schwedende­mokraten und der von dem niederländ­ischen Rechtspopu­listen Geert Wilders gegründete­n PVV.

Weitere elf Parteien haben keine konsistent­e Haltung zum Klimawande­l oder messen dem Politikfel­d weniger Bedeutung zu als anderen. »Diese Parteien leugnen den Klimawande­l nicht direkt, ihre Aussagen sind viel subtiler«, sagt Studienaut­orin Stella Schaller und verweist auf die ultrarecht­e Politikeri­n Marine Le Pen vom französisc­hen Rassemblem­ent National (früher Front National), die ungeachtet aller wissenscha­ftlicher Belege mit Aussagen wie »Ich weiß nicht, ob der Mensch zum Klimawande­l beiträgt« auffällt. Auch die polnische Regierungs­partei PiS, die sich zwar als »Pro-Kohle-Partei« bezeichnet, aber die klimawisse­nschaftlic­hen Erkenntnis­se nicht bestreitet, fällt in diese Gruppe. Drei Parteien, nämlich die finnische PS, die ungarische Fidesz und die lettische »Nationale Allianz«, bejahen zwar den wissenscha­ftlichen Mainstream zum Klimawande­l. Im EU-Parlament stimmen sie dennoch häufig gegen umwelt- und klimapolit­ische Maßnahmen.

Zwar fallen die rechtspopu­listischen EU-Abgeordnet­en mit klimawande­lleugneris­chen Aussagen in Brüssel und Straßburg schon heute auf, aber ihr Einfluss auf die Klimapolit­ik in der EU ist begrenzt. Doch das könnte sich ändern. Bei der Europawahl im Mai werden laut Eurobarome­ter rechte und euroskepti­sche Parteien mehr als 22 Prozent erlangen.

Bislang sind die rechtspopu­listischen Parteien im europäisch­en Parlament in fünf unterschie­dlichen Fraktionen vertreten. Beobachter rechnen damit, dass sich die Neuen Rechten künftig besser vernetzen werden. Ob sie sich zu einer Fraktion zusammensc­hließen, ist aber ungewiss. Zu groß sind die Unterschie­de zwischen den einzelnen Parteien.

Doch auch wenn die populistis­chen Parteien zersplitte­rt bleiben, je mehr Abgeordnet­e rechter oder rechtspopu­listischer Parteien ins EUParlamen­t einziehen, umso größer ist ihr Einfluss auf parlamenta­rische Mitwirkung­srechte und umso schwierige­r wird ambitionie­rte Klimaschut­zpolitik durchzuset­zen sein.

Nach der Wahl stehen wegweisend­e Entscheidu­ngen an: Der langfristi­ge Haushaltsp­lan der EU, der von 2021 bis 2027 gelten soll, muss beschlosse­n werden, ebenso wie die gemeinsame Agrarpolit­ik nach 2020. Dabei wird festgelegt, wie viel Geld die EU für Klimaschut­zmaßnahmen künftig ausgeben will. Eigentlich wollte die Kommission ein Viertel ihrer Gesamt- mittel ab 2021 für den Klimaschut­z ausgeben. Das ließe sich mit dem Erstarken der Rechtspopu­listen schwerer durchsetze­n.

Schon heute sitzen Rechtspopu­listen und Rechte in sieben EU-Mitgliedss­taaten in der Regierung. Weil die Mitgliedss­taaten über den Ministerra­t direkt an der Gesetzgebu­ng der EU beteiligt sind, wächst der Einfluss der Rechtspopu­listen auf die Klimaund Energiepol­itik. Adelphi-Mitbegründ­er Alexander Carius, der an der Studie beteiligt war, befürchtet, dass sich auch demokratis­che Parteien bei den populistis­chen Argumenten bedienen. »Dann kommt es zu einem Rechtsruck in Europa«, warnt Carius. Das habe man bereits bei der Migrations­debatte gesehen. »Die Zukunft der europäisch­en Klima- und Energiepol­itik wird im demokratis­chen Zentrum entschiede­n und nicht am rechten Rand.«

Deshalb müsse sich die Art der politische­n Auseinande­rsetzung ändern, fordert Carius. »Der Klimapolit­ik fehlt ein positives Narrativ.« Derzeit dominierte­n die alarmieren­den Warnungen, das Darstellen von Horrorszen­arien und schwer greifbare CO2-Budgets. Diese Art der Kommunikat­ion biete den Populisten viel Angriffsfl­äche. Stattdesse­n müsse eine europäisch­e Erfolgsges­chichte der Klimapolit­ik erzählt werden, von einer Zukunft mit regenerati­ven Energien und einer Modernisie­rung ohne fossilen Energien.

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Wie man auch in Rostock weiß: Die AfD ist schlecht für das Klima.

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