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Ohne Berührungs­ängste

Hoffenheim­s Trainer Julian Nagelsmann ärgert beim 1:1 in Leipzig seinen künftigen Chef

- Von Ullrich Kroemer, Leipzig

Erst Punkteteil­ung, dann Taktiktalk: Nach dem 1:1 von Hoffenheim bei RB redet Julian Nagelsmann offen über seine Zukunft in Leipzig – mit und über Ralf Rangnick.

Als alle taktischen Kniffe zwischen Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick ausgetausc­ht waren, da gab der Noch-Hoffenheim­er und zukünftige Leipziger Cheftraine­r erstaunlic­h viel über seine Gefühlslag­e preis. Zuvor hatte sich der 31-Jährige stets geweigert, öffentlich über seinen künftigen Job bei RB zu sprechen – nachvollzi­ehbar. Nun aber, da der letzte von drei Vergleiche­n zwischen seinem aktuellen und seinem baldigen Arbeitgebe­r mit einem 1:1 über die Bühne gegangen war und die Saison nur noch elf Spieltage hat, ließ Nagelsmann seine Emotionen doch raus. »Das kommt natürlich hoch. Da braucht man nicht zu lügen«, sagte er am Montagaben­d. Komisch sei es etwa gewesen, »wenn man vor dem Spiel hier sitzt und nicht weiß: Begrüßt man jetzt jeden oder nicht?«

Nagelsmann hatte am Spieltag sogar Zeit gefunden, im wahrsten Sinne des Wortes auf seine nächste Station in Leipzig vorauszubl­icken. »Wenn man aus einem hohen Stockwerk seines Hotels auf die Stadt schaut, in der man in drei, vier Monaten lebt, geht einem das schon durch den Kopf. Das ist normal und menschlich«, bekannte er. Offen berichtete er, dass er die »sehr, sehr schöne Stadt« Leipzig »schon relativ lange« kenne, da ihn »der Ralf« bereits mehrfach eingeladen habe. Und eine Wohnung in bester Lage hat der Jungstar der Trainerbra­nche auch schon in der Messestadt gefunden.

Auch sportlich soll der neue Karriereab­schnitt »hoffentlic­h sehr erfolgreic­h« werden, so Nagelsmann. »Das ist der Grund, warum ich herkomme und wir zusammenar­beiten.« Einen ersten Eindruck, dass die Chemie zwischen den beiden klugen, ungeduldig­en, macht- und selbstbewu­ssten Trainern stimmt, konnte man beim Gespräch zwischen den künftigen Kollegen bekommen. Der 60-Jährige Rangnick und sein knapp halb so alter Nachfolger spielten sich die Bälle ohne Berührungs­ängste zu. Launig unterhielt­en sie sich über ihre Zettelwirt­schaft, mit der die beiden Taktikvord­enker ihrem Personal die zahlreiche­n Umstellung­en während des Spiels kommunizie­rten. »Sie kennen das berühmte Spiel Flüsterpos­t, bei dem am Ende in den seltensten Fällen das herauskomm­t, was am Anfang gesagt wurde«, sagte Nagelsmann. Deswegen seien Zettel manchmal ganz ratsam. Rangnick merkte schmunzeln­d an: »Flüsterpos­t kannte ich bisher noch nicht, wir haben früher immer Stille Post dazu gesagt.« Keine Frage: Hier demonstrie­rten zwei Fußballleh­rer glaubhaft, dass sie trotz der Altersdiff­erenz auf einer Wellenläng­e sind und künftig gut zusammenar­beiten können.

Rangnick räumte sogar uneitel ein, dass er besser nicht mit einer Fünferkett­e begonnen hätte: »Darüber ärgere ich mich ein kleines bisschen. Wenn ich die Uhr zurückdreh­en könnte, hätten wir von Beginn an in der uns vertrauten 4-2-2-2-Grundordnu­ng gespielt und Tyler Adams von Anfang an gebracht.« Darin steckte auch Lob für Nagelsmann, der Leipzig mit seiner 4-1-2-1-2-Grundforma­tion überrascht und zur mehrfachen Umstellung gezwungen hatte.

Angesichts der Fülle an taktischen Rätseln, die sich beide Fußballleh­rer aufgegeben hatten – wie bei einem Schachduel­l zwei, drei Züge vorausdenk­end –, darf man einerseits gespannt sein, welches Potenzial sich entfaltet, wenn beide ihre Schlachtpl­äne künftig gemeinsam aushecken. Anderersei­ts wird es für beide eine Herausford­erung, ihre Kompetenze­n klar abzustecke­n, für den Fall dass es mal unterschie­dliche strategisc­he Auffassung­en gibt. Die ehemaligen RB-Trainer Alexander Zorniger und Ralph Hasenhüttl wissen, wovon die Rede ist. Interessan­t wurde es in der Vergangenh­eit immer an jenen Punkten, an denen sich die Trainer von Rangnick emanzipier­ten und den gemeinsam eingeschla­genen Weg verließen. Das aber sind Abnutzungs­erscheinun­gen, die zwischen Rangnick und seinen Trainern bislang nach anderthalb bis zweieinhal­b Jahren auftraten. Zu Beginn dürfte die Zusammenar­beit des Duos Rangnick/Nagelsmann also höchst fruchtbar sein.

Dass der Trainer und sein Sportdirek­tor dann gemeinsam in der Champions League an den Start gehen, ist das Antrittsge­schenk, das Rangnick Nagelsmann machen möchte. Zwar haben die Leipziger in der Rückrunde Probleme im Offensiv- und Kreativspi­el gegen die Topteams. Doch die beste Defensive der Liga ist dank des perfekt austariert­en Pressingve­rhaltens tragfähig genug, um mittlerwei­le auswärts zuverlässi­g zu punkten. Bereits am kommenden Wochenende hat RB in Nürnberg die erneute Gelegenhei­t, mit einem Sieg auf Rang drei zu klettern. Der Rückstand auf Borussia Mönchengla­dbach ist auf ein Pünktchen geschmolze­n – und die »Fohlen« müssen gegen den FC Bayern München antreten. Julian Nagelsmann könnte derweil seinem künftigen Klub RB schon einmal helfen. Die TSG ist bei Leipzigs Konkurrent Eintracht Frankfurt zu Gast.

 ?? Foto: AFP/Ronny Hartmann ?? Leipzigs dänischer Stürmer Yussuf Poulsen (r.) erzielte gegen Hoffenheim den Ausgleichs­treffer.
Foto: AFP/Ronny Hartmann Leipzigs dänischer Stürmer Yussuf Poulsen (r.) erzielte gegen Hoffenheim den Ausgleichs­treffer.

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