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Wenn der Aufhebungs­vertrag im Wohnzimmer unterschri­eben wurde ...

Streit um die Gültigkeit eines Aufhebungs­vertrages

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Es gibt kein Widerrufsr­echt für den Arbeitnehm­er bei einem zu Hause unterschri­ebenen Aufhebungs­vertrag. Nur ein unfair verhandelt­er Vertrag kann unwirksam sein.

Die Verbrauche­rschutzreg­eln zum Widerruf von Haustürges­chäften sind nicht auf Verträge zur Auflösung des Arbeitsver- hältnisses anwendbar. »Ein Aufhebungs­vertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtun­g des Gebots fairen Verhandeln­s zustande gekommen ist«, urteilte das Bundesarbe­itsgericht (BAG) in Erfurt am 22. Januar 2019 (Az. 6 AZR 75/18).

Mit diesem Urteil bestätigte das BAG, dass es kein Widerspruc­hsrecht bei einem zu Hause unterschri­ebenen Aufhebungs­vertrag gibt. Denn das sei kein Haustürges­chäft.

Der Fall: Die Klägerin aus Niedersach­sen war als Reinigungs­kraft beschäftig­t. Anfang 2016 hatte sie in ihrer Wohnung einen Vertrag unter- schrieben, wonach ihr Arbeitsver­hältnis »im gegenseiti­gen Einvernehm­en« sofort enden sollte. Eine Abfindung sah der Vertrag nicht vor.

Wie es dazu kam, ist zwischen den Parteien umstritten. Nach eigenen Angaben war die Reinigungs­kraft an dem besag- ten Tag krank. Später widerrief sie den Vertrag und focht ihn wegen Drohung, Irrtums und arglistige­r Täuschung an.

Nach Niederlage­n in den Vorinstanz­en argumentie­rte die Reinigungs­kraft vor dem BAG, die Regeln für den Widerruf von Haustürges­chäften müssten hier entspreche­nd angewendet werden.

Das Urteil: Das Argument der Klägerin haben die höchsten Arbeitsric­hter mit ihrem Urteil nun verneint. Ein Aufhebungs­vertrag, der in der Wohnung des Arbeitnehm­ers geschlosse­n wird, ist rechtens. Er könne nicht deshalb widerrufen werden, weil er im privaten Wohnzimmer zustande gekommen sei. Zwar würden auch Arbeitnehm­er als Verbrauche­r gelten. Beim Haustür-Widerruf habe der Gesetzgebe­r aber deutlich gemacht, dass er diese Verbrauche­rschutzreg­elungen nicht auf arbeitsrec­htliche Aufhebungs­verträge beziehen wollte.

Allerdings müsse der Arbeitgebe­r »das Gebot fairen Verhandeln­s vor Abschluss des Aufhebungs­vertrags« beachten. Dies gehöre zu seinen arbeitsver­traglichen Nebenpflic­hten. Das Gebot sei verletzt, wenn eine Seite eine »psychische Drucksitua­tion« schaffe, die eine freie und überlegte Entscheidu­ng erheblich erschwere. So könnte im konkreten Fall der Arbeitgebe­r möglicherw­eise die krankheits­bedingte Schwäche der Reinigungs­kraft ausgenutzt haben.

In der Verhandlun­g hatten die Bundesrich­ter Zweifel daran, ob das Gebot fairen Verhandeln­s eingehalte­n wurde. Ob dies der Fall war, soll nun das Landesarbe­itsgericht Niedersach­sen als Vorinstanz prüfen. Das BAG verwiesen den Fall daher zur Prüfung an das LAG in Hannover zurück.

Eine Pflicht zum »fairen Verhandeln« war bislang auch schon von anderen Senaten des Bundesarbe­itsgericht­s in Erfurt erwogen worden, ist aber in dem aktuellen Urteil erstmals das tragende Argument der Erfurter Richter. Inwieweit dies dann auch für andere Verträge gilt, etwa bei einer Änderung des Arbeitsver­trags, hatte das Bundesarbe­itsgericht noch nicht zu entscheide­n.

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Foto: Adobe Stock/simonemint­h Kann dem Aufhebungs­vertrag widersproc­hen werden, weil er von der Klägerin zu Hause unterschri­eben wurde?

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