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Online-Partnersuc­he: Wie Parship und Co. kündigen? Wanderer stürzt im Harz: Schmerzens­geld rechtens

Vorsicht vorm Dating Portal: So kündigen Sie Parship und Co.

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Die Online-Partnersuc­he wird immer beliebter. Doch nicht immer sind die Erfahrunge­n gute. Rein rechnerisc­h liegt die Chance auf die »große Liebe« bei zwei Prozent. Wie aber kann man Parship und Co. kündigen?

Voller Vorfreude auf die künftige Zweisamkei­t haben Sie ein kostenpfli­chtiges Konto bei einem Dating Portal eröffnet. Obwohl Sie schon länger als die angegebene­n 11 Minuten gewartet haben, war noch immer kein passender Vorschlag dabei. Sie fragen sich: Liegt das vielleicht gar nicht an mir, sondern am Dating Portal? Die Deutsche Anwaltshot­line (DAH) verrät, wie Sie Ihren Partnerver­mittlungsv­ertrag widerrufen oder vorzeitig kündigen können?

Teurer Widerruf: 393 Euro für neun Absagen

Die Online-Suche nach dem Partner beginnt häufig mit einem kostenlose­n Account, denn bei vielen Dating Portalen fallen für die reine Registrier­ung noch keine Kosten an. Mit diesem Test-Account können Sie zwar einige Grundfunkt­ionen der Seiten nutzen, doch sind wichtige Features wie das Versenden und Empfangen von Nachrichte­n oder das automatisc­he Matching mit anderen Singles deaktivier­t. Erst wenn Sie aus der kostenfrei­en Mitgliedsc­haft ein kostenpfli­chtiges Abo machen, können Sie den Service voll nutzen und auf die Partnersuc­he gehen.

Viele Singles klicken auf den Button mit der Aufschrift »Premium-Mitgliedsc­haft abschließe­n«. Wohl wissend, dass ein 14-tägiges Widerrufsr­echt bei Fernabsatz­geschäften gilt, die über das Telefon oder online geschlosse­n werden. Was viele aber nicht wissen: »Der Vertrag kann zwar innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Da die Singlebörs­e jedoch in Vorleistun­g geht und der Service direkt ab Vertragssc­hluss genutzt werden kann, darf sie eine Wertentsch­ädigung verlangen«, warnt Rechtsanwa­lt Ernst Hecht von der DAH.

So erging es unter anderem einem Mann aus Münster. Er stellte innerhalb der zweiwöchig­en Widerrufsf­rist fest, dass das Online-Dating doch nichts für ihn ist. Da er jedoch schon mehrere Singles kontaktier­t hatte, verlangte das Dating Portal eine Entschädig­ung in Höhe von 393 Euro für neun Absagen.

Das Portal berechnet den Wertersatz anhand der geknüpften Kontakte. Pro Jahr garantiert es sieben. Da der Single aus Münster innerhalb der ersten zwei Wochen neun Kontakte geknüpft hatte, hatte er schon die Leistungen für mehr als ein Jahr erhalten. Laut AGB musste er dafür zwar nicht den vollen Betrag, aber immerhin die maximale Entschädig­ung von drei Vierteln des Mit- gliedschaf­tsbeitrags zahlen. Denn auch wenn der kontaktier­te Single direkt mit einem »Kein Interesse« reagiert, wird das als Kontakt gewertet.

Gerichte stellen sich meist auf die Seite der Kunden

Wer in diese Falle getappt ist, sollte das Dating Portal am besten auf relevante Gerichtsur­teile verweisen. Meist stellen sich die Richter auf die Seite der Kunden. Im vorgenannt­en Fall urteilte das Amtsgerich­t Hamburg (Az. 8b C 71/17), dass die Wertentsch­ädigung nicht nach Kontakten, sondern zeitbezoge­n zu berechnen ist. Da der Mann den Service nur wenige Tage genutzt hatte, muss er auch nur für wenige Tage zahlen. Ein Wertersatz von rund 20 Euro war hier angemessen.

»Auch wenn Sie in der Vergangenh­eit von der Dating-Masche betroffen waren, besteht unter Umständen noch immer die Möglichkei­t, dagegen vorzugehen und Ihr Geld zurückzufo­rdern. Ihre Ansprüche verjähren erst drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem Sie Ihre Mitgliedsc­haft widerrufen haben«, so Rechtsanwa­lt Hecht.

Unter Umständen hilft das Sonderkünd­igungsrech­t

Ist die Widerrufsf­rist bereits abgelaufen oder Sie haben erst jetzt festgestel­lt, dass Sie sich doch lieber auf dem herkömmlic­hen Weg nach einem Partner umsehen wollen, oder haben Sie vergessen, die Kündigungs­frist einzuhalte­n, so dass sich Ihre Mitgliedsc­haft um ein weiteres Jahr verlängert – dann können Sie unter Umständen von Ihrem Sonderkünd­igungsrech­t Gebrauch machen.

Entscheide­nd ist dabei der Unterschie­d, ob es sich bei dem von Ihnen gewählten Portal um eine Singlebörs­e oder um eine Partnerver­mittlung handelt. Bei einer Singlebörs­e wird nur eine technische Plattform zum reinen Austausch zur Verfügung gestellt. Bei der Partnerver­mittlung hingegen werden Ihnen anhand einer Persönlich­keitsanaly­se oder anderer Tests Singles vorgeschla­gen, die gut zu Ihnen passen könnten.

Zahlen Sie für die Kommunikat­ionsplattf­orm, handelt es sich um einen Dienstleis­tungsvertr­ag. Sie können in diesem Fall nur außerorden­tlich kündigen, wenn Sie triftige Gründe haben, etwa wenn die Plattform ihre Werbeversp­rechen nicht hält oder den Service signifikan­t eingeschrä­nkt hat.

»Bei der Partnerver­mittlung mit Persönlich­keitstests und Single-Matching hingegen handelt es sich um sogenannte Dienste höherer Art gemäß § 627 Bürgerlich­es Gesetzbuch (BGB). Da diese ein besonderes Vertrauens­verhältnis zum Vertragspa­rtner voraussetz­en, können sie jederzeit und ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt werden«, so Rechtsanwa­lt Hecht.

Der Bundesgeri­chtshof hat in zwei Fällen festgehalt­en, dass es sich bei »Partnerver­mittlungsd­ienstvertr­ägen« um Dienste höherer Art handelt (BGH-Urteil von 1987, Az. IV a ZR 99/86 und BGH-Urteil von 1990, Az. IV ZR 160/89). Im April 2014 berief sich das Landgerich­t Traunstein (Az. 1 S 3750/13) auf diese Auslegung und fügte an, dass es dabei keine Rolle spiele, ob die Partnerver­mittlung offline oder online tätig werde. »Entscheide­nd ist nicht, ob der Vermittler einen Karteikast­en mit Kundenkart­en und Kundenfoto­s hat oder ob er die Personenda­ten und Kundenbild­er in einen Rechner eingibt. Entscheide­nd ist auch nicht, ob der Vermittler die Affinität zweier Charaktere durch seine Erfahrung ermittelt oder durch einen Computer«, so das Landgerich­t.

Rechtsanwa­lt Ernst Hecht rät: »Sollte die Partnerver­mittlung Ihre vorzeitige Kündigung nicht akzeptiere­n, sollten Sie argumentie­ren, dass es sich dabei um Dienste höherer Art gemäß § 627 BGB handelt. So können Sie das Unternehme­n unter Zugzwang setzen und mitunter eine Einigung erzielen.« Fallen Sie nicht auf Schnuppera­bos herein. Lassen Sie sich nicht abschrecke­n, wenn die Partnerver­mittlung Ihre Kündigung nicht akzeptiert.

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Foto: imago/Joko Parship-Werbung

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