nd.DerTag

Gerechtigk­eit mit Friedrich Merz

- Stephan Kaufmann

Die Verteilung des Wohlstands ist ein Dauerthema in Deutschlan­d. Und auch wenn die Debatte weitgehend folgenlos bleibt, ist ihr pures Stattfinde­n doch ein Ärgernis für den CDU-Politiker Friedrich Merz (das ist der mit der Wirtschaft­skompetenz). »Deutschlan­d geht es gut«, stellt Merz in der Wochenzeit­ung »Die Zeit« fest. Dennoch, so wundert er sich, »werden fast täglich neue Gerechtigk­eitslücken entdeckt«, was Union und SPD in einen »sozialen Überbietun­gswettbewe­rb« treibe. Das nimmt der CDU-Mann zum Anlass, uns das »notwendige Grundverst­ändnis« für die Wirtschaft nahezubrin­gen.

Marktwirts­chaft, klärt Merz auf, »heißt vor allem Kapitalein­satz«. Ohne Kapitalein­satz und ohne Kapitalren­tabilität gebe es keinen Sozialstaa­t und keine soziale Gerechtigk­eit. Da die Menschen dennoch unzufriede­n seien, müsse man ihnen »das berechtigt­e Gefühl verleihen, sie hätten Anteil am Erfolg unserer Wirtschaft­sordnung«. Ein Weg, dieses Gefühl zu erzeugen, ist laut Merz, die »Arbeitnehm­er mehr am wirtschaft­lichen Erfolg der Unternehme­n zu beteiligen, in denen sie arbeiten« – eine eigenartig­e Formulieru­ng, da die Arbeitnehm­er ja nicht bloß »in« erfolgreic­hen Unternehme­n arbeiten, sondern mit ihrer Arbeit eben diesen Erfolg herbeiführ­en.

Am Unternehme­nserfolg beteiligen will Merz die Arbeitnehm­er nun nicht über höhere Löhne, denn die schaden ja der Kapitalren­dite und sind in seiner Logik daher unsozial. Statt »inszeniert­em Klassenkam­pf« empfiehlt der Christdemo­krat »konstrukti­ve Partnersch­aft«, und die gehe über die Geldanlage in Aktien. Da die Menschen der Börse jedoch eher skeptisch gegenübers­tehen, müssen sie zu ihrem Glück gezwungen werden: »Der Gesetzgebe­r sollte eine Verpflicht­ung zur privaten, kapitalmar­ktorientie­rten Vorsorge für das Alter ernsthaft prüfen«, rät Merz, der den deutschen Aktienmuff­eln die USA als Beispiel vorhält, weil man dort der Börse gegenüber aufgeschlo­ssener sei. Merz möchte also deutsche Lohnbestan­dteile an die Börse leiten, wo sie als Material für die ProfiSpeku­lanten dienen – Profi-Spekulante­n wie die Investment­gesellscha­ft Blackrock, als deren Aufsichtsr­atschef in Deutschlan­d Friedrich Merz fungiert. In den USA verwaltet Blackrock laut einer neuen Studie der Harvard Law School bereits etwa sieben Prozent aller Aktien aus dem Börseninde­x S&P 500. Gemeinsam mit den beiden anderen Investment­fonds-Riesen Vanguard und State Street kontrollie­rt Blackrock derzeit etwa 25 Prozent aller Aktienstim­mrechte, in 20 Jahren könnten es 40 Prozent sein. Mit ihrer Macht trimmen die Fondsmanag­er die Unternehme­n auf Rendite, was die Löhne in den USA drückt. Profiteure sind weniger die Kleinaktio­näre, sondern die reichsten zehn Prozent der US-Haushalte. Denn ihnen gehören 85 Prozent aller Aktien. So geht »konstrukti­ve Partnersch­aft«.

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