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Jindra Kolář Tschechien­s Linke und die Regierung

- Von Martin Ling

Brasiliens Oberstes Gericht muss nach Enthüllung­en Komplott prüfen.

Brasiliens nach wie vor populärer Ex-Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva hat es immer gesagt: »Ich wurde verurteilt, um meine Kandidatur zu den Präsidents­chaftswahl­en 2018 zu verhindern.« Dafür sprach viel: Der Bundesrich­ter Sérgio Moro – inzwischen Justizmini­ster unter dem ultrarecht­en Jair Bolsonaro – und Idol aller Lula- und Arbeitspar­tei-Hasser, stützte sein Urteil auf Kronzeugen­aussagen, harte Beweise gegen Lula wurden nie präsentier­t. Der Vorwurf: Lula hätte von der Baufirma OAS eine Luxuswohnu­ng geschenkt bekommen. OAS ist wie die Baufirma Odebrecht in den sogenannte­n Petrobras-Skandal verwickelt und damit laut Urteil auch Lula. OAS soll im Gegenzug bei Verträgen mit dem staatlich kontrollie­rten Ölkonzern Petrobras begünstigt worden sein. Der Rechtsgrun­dsatz »im Zweifel für den Angeklagte­n« wurde ausgesetzt, das Berufungsg­ericht urteilte 2018 im Schnellver­fahren, um Lulas Antritt bei den Wahlen zu verhindern – die Verurteilu­ng in erster Instanz hätte dafür nicht ausgereich­t. Lula hatte Brasilien von 2003 bis 2011 regiert und sowohl 2002 als auch 2010 die Wahlen klar gewonnen. Auch 2018 lag er bei den Umfragen an erster Stelle.

Lulas These eines politisch motivierte­n Justizkomp­lotts wird inzwischen von unabhängig­er, investigat­iver Seite unterfütte­rt. Am vergangene­n Sonntag hat die renommiert­e Plattform »The Intercept« Chatprotok­olle und Tonaufnahm­en veröffentl­icht, die belegen sollen, dass sich Moro zuvor mit den Staatsanwä­lten abgesproch­en hatte. Die Daten waren mutmaßlich bei Hackerangr­iffen auf Handys der Ermittler und des damaligen Bundesrich­ters Moro entwendet worden. Der Richter und die Beamten sollen über den Messenger-Dienst Telegram miteinande­r kommunizie­rt haben. Moro und die Ermittler nannten die Veröffentl­ichung einen Angriff auf die Justiz und ihre Privatsphä­re.

»The Intercept« ist nicht irgendeine Plattform. Zu den Gründern von »The Intercept« gehört der renommiert­e Journalist Glenn Greenwald, der 2013 zu dem Team aus Journalist­en gehörte, die die Enthüllung­en des Ex-Geheimdien­stmitarbei­ters Edward Snowden über den US-Geheimdien­st NSA publik machten. Der US-Amerikaner Greenwald, der einst beim britischen »Guardian« arbeitete, lebt inzwischen in Brasilien.

Die Vorwürfe, die in Brasilien für ein politische­s Beben sorgten, werden nun geprüft. Der Chef der Anti-Korruption­s-Staatsanwa­ltschaft, Deltan Dallagnol, wies die Anschuldig­ungen zurück. Es handle sich um eine »Verschwöru­ngstheorie ohne jede Grundlage«. Es müsse nachgewies­en werden, dass dabei die Unparteili­chkeit verletzt wurde. Dem nachzukomm­en, ist nun Aufgabe von »The Intercept«. Die Plattform hatte bei der ersten Veröffentl­ichung angekündig­t, noch über weit mehr Material zu verfügen und nur »einen kleinen Teil« publiziert zu haben.

Seit 2014 wird in Brasilien wegen Schmiergel­dzahlungen im größten Korruption­sskandal des Landes rund um Petrobras und Odebrecht gegen große Teile der politische­n und wirtschaft­lichen Elite ermittelt – neben Lula betrifft das bisher 74 Politiker und Funktionär­e. Dabei ist die Justiz zwar auf dem rechten Auge nicht ganz blind, leidet aber unter merklicher Sehschwäch­e. Ein Freispruch für Lula dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, wenn das Oberste Gericht die Belege von »The Intercept« sichtet.

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