Elke Wittich Irgendwas mit sexy: So wird über die Frauen-Fußball-WM berichtet
Die verquere Berichterstattung zur Fußball-WM kommt nicht von ungefähr – Sexismus hat in der Branche Kontinuität.
Immerhin, die »Trikottausch«-Forderungen und -Witze sind weniger geworden, seit auch diejenigen, die etwas langsamer sind, begriffen haben, dass Fußballspielerinnen unterm Trikot nicht notwendigerweise nackt sind. Ansonsten ist bei dieser WM alles so wie immer. Von der gespielt naiven Frage, warum die FrauenWM nicht bei den Paralympics untergebracht wurde über Statements zum Thema Abseitsregel bis hin zu Schlagzeilen, in denen es weniger um sportliche Leistungen als viel mehr um »heiße Fotos« von »unserer Hübschesten« geht. Die bestanden zwar lediglich aus zwei Bildern von Giulia Gwinn, auf denen sie einmal seitlich in einem herkömmlichen Bikini und einmal in kurzen Nichtfußballhosen und einem mäßig weit ausgeschnitten T-Shirt zu sehen war, aber der Bedarf nach Irgendwas-mit-sexy war in den Boulevardredaktionen wohl größer als der nach Spielanalysen.
Interessanterweise war genau der weibliche Körper mehr als 100 Jahre lang als Begründung gebraucht worden, Frauen bestimmte Sportarten zu verbieten. Beim Skispringen befürchteten Funktionäre noch Ende der 1990er Jahre, dass die Wucht der Landung »die Gebärmutter zerstört«. Zugeschrieben wird der Satz Gian Franco Kasper, seit 1998 Chef des Internationalen Skiverbandes FIS. Eindeutig verifiziert wurde er allerdings nie – aber Kasper hat einen Hang zu irritierenden Statements. Wie im Februar 2019, als er vom »so genannten Klimawandel« sprach und angesichts der eisigen Temperaturen bei den Winterspielen in Pyeonchang ironisch »Willkommen zur globalen Erwärmung« sagte. Und erklärte: »Vom Geschäftlichen her sage ich: Ich will nur noch in Diktaturen gehen, ich will mich nicht mit Umweltschützern herumstreiten.« Was er nach einer Welle der Empörung mit dem nicht minder aparten Hinweis zu relativieren versuchte, auch in Dorfgemeinschaften gebe es Diktatoren.
Jedenfalls: die Gebärmutter. Die sahen die Gegner des Fußballs der Frauen zwar nicht akut in Gefahr, gleichwohl machten sie sich
große Sorgen um die Fortpflanzungsfähigkeit möglicher Kickerinnen. In den 20er Jahren befürchtete man beispielsweise ihre Vermännlichung beziehungsweise, dass ihre Beckenmuskulatur zu kräftig für die komplikationslose Geburt von Kindern werden könnte. Nach dem Verbot des Fußballs für Frauen durch die Nazis dachten von der Sportart Begeisterte ab 1945, dass sie nun endlich auch in eigenen Clubs spielen dürften – bis der DFB es 1955 den Fußballvereinen verbot, Frauenabteilungen zu gründen, Frauen Plätze für Spiele und Trainingseinheiten zu überlassen oder Schieds- und Linienrichter für ihre Matches abzustellen.
Dass 1970 der so genannte »Damenfußball« vom Verband legalisiert wurde, geschah laut dem späteren DFB-Präsidenten Hermann Neuberger allerdings lediglich aus Vernunftsgründen, weil man verhindern wollte, »dass der Frauenfußball von Managern wie Damenringkämpfe im Schlamm verkauft wird.« Damals gab es tatsächlich Veranstaltungen, bei denen Frauen oben ohne gegeneinander kickten.
Die männlichen Fußballstars bestätigten in den Siebzigern die Vorurteile der Fans. »Die Bälle könnten Körperteile treffen, die bei Frauen sehr empfindlich sind«, begründete der spätere Weltmeister Gerd Müller, warum er seiner Frau das Kicken verbieten würde. Paul Breitner, damals noch als progressiver Linker gehandelt, sagte zum Thema Fußball der Frauen: »Ich finde ihn unästhetisch.« Trainer Dettmar Cramer erklärte, er sei ein »widerliches Fressen für Voyeure«. Und der nur widerwillig 1982 Frauen-Bundestrainer gewordene Gero Bisanz antwortete auf die Frage, ob er von zwei Mittelstürmerinnen »die Hübschere oder die Bessere aufstellen würde« ohne zu zögern: »de Hübschere«.
Die Aufregung über solche Äußerungen hielt sich in Grenzen. Der Fußball der Frauen war nämlich bewusst nicht als Pendant zum Fußball der Männer vermarktet worden, sondern eher wie eine eigene Sportart, die mit den körperbetonten, zweikampfintensiven Kicks der männlichen Profis nichts zu tun hat. So hatte die Nationalkapitänin Anne Trabant-Haarbach 1982 die Verpflichtung von Berti Vogts als Frauencoach mit den Worten abgelehnt, der sei als Spieler »ein Kämpfer« gewesen, »und ich bin der Meinung, dass diese Art von Fußball für Frauen ungeeignet ist.« Der Fußball der Männer ist »dem erhofften weiblichen Nachwuchs als hartes und abschreckendes Beispiel vorgestellt worden«, wie Frank Becker und Ralf Schäfer in ihrem Buch »Die Spiele gehen weiter, Profile und Perspektiven der Sportgeschichte« schreiben. Als »schönerer Fußball« und »Fußball mit Herz« beschrieben damals auch Nationalspielerinnen ihren Sport. Und verlangten vom DFB »femininere Trikots«.
Dumme Bemerkungen mussten sie sich auch anhören, als sie schon längst erfolgreich waren: »Warum wollen die Japaner gerade Sie verpflichten, haben die Gefallen an Ihren blonden Haaren gefunden?«, fragte der »Spiegel« die beiden Nationalspielerinnen und Europameisterinnen Silvia Neid und Doris Fitschen in der Ausgabe vom 7.11.1994. Fitschen konterte, dass es wohl keine Blondinenwitze in Japan gebe, monierte allerdings: »Nur wer als Athletin auch noch gut aussieht, kann richtig Kohle machen.« Prämien für den Titelgewinn hatten die Europameisterinnen vom DFB 1989 übrigens nicht bekommen, sondern lediglich ein 41-teiliges Kaffeeservice mit Blümchenmuster. Silvia Neid erklärte: »Nach dem Gewinn der Europameisterschaft habe ich nur ein lukratives Angebot bekommen: Der Playboy bot eine fünfstellige Summe für Nacktfotos.«
Der 1982 Frauen-Bundestrainer gewordene Gero Bisanz antwortete auf die Frage, ob er von zwei Mittelstürmerinnen »die Hübschere oder die Bessere aufstellen würde« ohne zu zögern: »die Hübschere«.